Rechnungen ohne Umsatzsteuer
Kleinunternehmerregelung
Um den bürokratischen Aufwand der Umsatzsteuer zu vermeiden, bietet das Umsatzsteuerrecht zur Erleichterung die Möglichkeit der Kleinunternehmerregelung.
I. Allgemeines
Die Umsatzsteuer wird von vielen Unternehmen wegen ihres komplizierten Verfahrens kritisiert. Die sog. Kleinunternehmerregelung sieht Erleichterungen vor. So brauchen Kleinunternehmer für die von ihnen ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen und auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Was im ersten Moment gut klingt, hat aber auch Nachteile. So haben Kleinunternehmer im Gegenzug kein Recht zum Vorsteuerabzug. Sie können also die Umsatzsteuer aus den Eingangsrechnungen nicht vom Finanzamt erstattet bekommen. Daher sollte die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gut überlegt sein. Überwiegen die Nachteile gibt es die Möglichkeit, auf die Regelung zu verzichten.
II. Wer ist Kleinunternehmer
Kleinunternehmer ist, wer
- im vorangegangenen Kalenderjahr einen Umsatz zzgl. Umsatzsteuer von nicht mehr als 22.000 Euro hat
und
- im laufenden Kalenderjahr einen voraussichtlichen Umsatz zzgl. Umsatzsteuer von nicht über 50.000 Euro hat.
Beide Voraussetzungen müssen gemeinsam erfüllt sein. Hat der Unternehmer die Vorjahresgrenze von 22.000 Euro überschritten, kann er die Kleinunternehmerregelung im laufenden Jahr nicht anwenden, selbst wenn feststeht, dass der Umsatz im laufenden Jahr unter 22.000 Euro liegen wird.
Beispiel:
Unternehmer U erwirtschaftet in 2018 einen Gesamtumsatz von 21.000 Euro. Er erwartet, dass er in 2019 einen Gesamtumsatz von 24.000 Euro erwirtschaften wird. Tatsächlich beläuft sich der Gesamtumsatz für 2019 auf 70.000 Euro. U kann in 2018 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Für 2019 liegen die Voraussetzungen jedoch nicht mehr vor.
Bei der Grenze von 50.000 Euro handelt es sich um eine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres. Wurde diese Prognose „nach bestem Wissen und Gewissen“ aufgestellt, ist ein Überschreiten der 50.000 Euro während des laufenden Jahres unschädlich.
Hinweis: Das Finanzamt kann bei Bedarf Nachweise verlangen, auf welche Umstände der Unternehmer seine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres gestützt hat.
Bei Neugründung eines Unternehmens gibt es keinen Vorjahresumsatz. Hier ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen (z.B. durch Zahlen aus dem Businessplan). Maßgeblich ist dann nur die Grenze von 22.000 Euro. Werden 22.000 Euro voraussichtlich überschritten, tritt Steuerpflicht ein.
Beginnt der Unternehmer seinen Betrieb während des Jahres, muss der voraussichtliche Umsatz auf einen Jahresgesamtumsatz hochgerechnet werden.
Beispiel:
Unternehmer U beginnt mit seiner Tätigkeit im Oktober eines Jahres. Er rechnet Anfang Oktober mit einem monatlichen Umsatz zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 1.300 Euro. Umrechnung auf das Jahr:
3.900 Euro (geschätzter Gesamtumsatz Oktober bis Dezember, also 1.300 Euro x 3) x 12/3 (d.h. 12 Monate / 3 Monate) = 15.600 Euro (brutto) < 22.000 Euro.
U überschreitet nach seiner Schätzung die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro nicht und kann daher im Gründungsjahr die Kleinunternehmerregelung anwenden.
3.900 Euro (geschätzter Gesamtumsatz Oktober bis Dezember, also 1.300 Euro x 3) x 12/3 (d.h. 12 Monate / 3 Monate) = 15.600 Euro (brutto) < 22.000 Euro.
U überschreitet nach seiner Schätzung die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro nicht und kann daher im Gründungsjahr die Kleinunternehmerregelung anwenden.
Im Folgejahr auf die Geschäftsgründung muss der tatsächliche Umsatz des vorangegangenen Jahres herangezogen werden.
Beispiel:
U hat im o.g. Beispiel tatsächlich statt 1.300 Euro im Monat vielmehr 2.000 Euro Umsatz erzielt. Damit ergibt sich folgende Rechnung:
6.000 Euro (Gesamtumsatz Oktober bis Dezember, also 2.000 Euro x 3) x 12/3 (d.h. 12 Monate / 3 Monate) = 24.000 Euro (brutto) > 22.000 Euro.
U überschreitet damit die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro, sodass er im Jahr nach der Gründung die Kleinunternehmerregelung nicht anwenden kann.
U überschreitet damit die Jahresumsatzgrenze von 22.000 Euro, sodass er im Jahr nach der Gründung die Kleinunternehmerregelung nicht anwenden kann.
III. Ermittlung der Umsatzgrenzen
Maßgebend für die Ermittlung der Umsatzgrenzen ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz (Einnahmen, nicht Gewinn) einschließlich der enthaltenen Umsatzsteuer. Nach § 19 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist für die Berechnung des Gesamtumsatzes von der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auszugehen. Damit gehören Einfuhren aus dem Drittland in das Inland und innergemeinschaftliche Erwerbe nicht zum Gesamtumsatz.
Im Detail:
Steuerbare Umsätze
- bestimmte steuerfreie Umsätze, §§ 4 Nr. 8i, Nr. 9 b, Nr. 11-28 UStG (z.B. Umsätze aus Vermietung)
- bestimmte steuerfreie Hilfsumsätze, §§ 4 Nr. 8 a-h, Nr. 9 a, Nr. 10 UStG (z.B. Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen)
= Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 3 UStG
- darin enthaltene Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Hilfsgeschäfte)
= Umsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG
+ darauf entfallende Umsatzsteuer
= Bruttoumsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG
Hinweis: Ein Unternehmer kann im umsatzsteuerlichen Sinne nur ein Unternehmen haben. Dieses umfasst die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes sind damit alle vom Unternehmer ausgeführten Umsätze des einheitlichen Unternehmens einzubeziehen.
IV. Folgen der Kleinunternehmerregelung
Die geschuldete Umsatzsteuer für die von einem Kleinunternehmer ausgeführten steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze wird nicht erhoben. Die Kleinunternehmerregelung ist aber keine Steuerbefreiungsvorschrift. Vielmehr werden Kleinunternehmer von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen und insoweit wie ein Nichtunternehmer behandelt. Deshalb hat der Kleinunternehmer aus seinen Eingangsrechnungen keinen Vorsteuerabzug. Dies gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer.
Achtung: Der Kleinunternehmer darf in seinen Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Tut er dies doch, schuldet er die (unberechtigt) ausgewiesene Umsatzsteuer. Dies gilt auch bei sog. Kleinbetragsrechnungen (Rechnungen bis zu 150 Euro), bei denen nicht der Steuersatz angegeben werden darf, oder Gutschriften, bei denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden darf.
V. Folgen des Überschreitens der Umsatzschwelle
Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung kommt es auf beide Umsatzgrenzen an. Nur, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Umsatzsteuer nicht erhoben. Wichtig ist, dass die Überschreitung der 50.000 Euro Umsatzgrenze erst für das folgende Kalenderjahr relevant wird, solange der Unternehmer eine ordnungsgemäße Prognose aufgestellt hat.
Beispiel:
Jahr
|
Umsatz zzgl. Umsatzsteuer im vorangegangenen Jahr
|
Voraussichtlicher Umsatz zzgl. Umsatzsteuer im laufenden Jahr
|
Kleinunternehmerregelung anwendbar
|
---|---|---|---|
2011
|
9.000 Euro
|
6.000 Euro
|
ja
|
2012
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4.000 Euro
|
45.000 Euro
|
ja
|
2013
|
42.000 Euro
|
12.000 Euro
|
nein
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2014
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10.000 Euro
|
40.000 Euro
|
ja
|
VI. Optionsmöglichkeit
Da die Kleinunternehmerregelung auch nachteilig sein kann, hat der Unternehmer die Möglichkeit auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten (Option zur Regelbesteuerung). Folge dessen ist, dass er wie ein normaler Unternehmer behandelt wird und den allgemeinen Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt. Er versteuert dann alle seine der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze und kann aus seinen Eingangsrechnungen die Vorsteuer gelten machen. Die Verzichtserklärung ist ohne besondere Form gegenüber dem Finanzamt abzugeben.
Wichtig: Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für fünf Kalenderjahre.
Die Option zur Regelbesteuerung kann grundsätzlich sinnvoll sein, wenn der Unternehmer
- zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit hohe Anfangsinvestitionen hat und daher viel Umsatzsteuer an seine Lieferanten zahlen muss. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kommt er in den Genuss des Vorsteuerabzugs
- selbst überwiegend an andere Unternehmer und nicht an Privatkunden leistet. Abnehmer, die Unternehmer sind, können die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen. Da der Kleinunternehmer die selbst gezahlte Umsatzsteuer aus seinen Eingangsrechnungen in seine Preiskalkulation einbeziehen wird, kann er seine Leistungen nur teurer anbieten.
Möchte der Unternehmer nach Ablauf der Fünfjahresfrist wieder zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren, muss er einerseits die Umsatzgrenzen einhalten und dazu die Option nach Ablauf der Frist gegenüber seinem Finanzamt widerrufen. Der Verzicht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr zu erklären. Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer im betreffenden Kalenderjahr können nachträglich berichtigt werden.
VII. Rechnungsangaben
Folge dessen, dass bei einem Kleinunternehmer die Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt erhoben wird ist, dass
- der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer gesondert in seinen Rechnungen ausweisen darf
- der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer, die ihm selbst berechnet wird, nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet erhält
- seine Abnehmer keine Vorsteuer ziehen können und dürfen.
Hinweis: Wenn auch nicht zwingend, ist zu empfehlen, dass der Kleinunternehmer grundsätzlich in seinen Rechnungen einen Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung aufnimmt, um Rückfragen zu vermeiden.
VIII. Umsatzsteuererklärung
Da Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer schuldet, noch Vorsteuer geltend machen können, müssen sie auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Jedoch müssen sie eine Umsatzsteuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr abgeben.
IX. Besonderheiten
Bei Lieferungen und Dienstleistungen eines Kleinunternehmers über die Grenze gibt es verschiedene Besonderheiten zu beachten.
- Ausgangsseite des Kleinunternehmers: Die Regelungen zu den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen finden für den Kleinunternehmer keine Anwendung, d.h. sie sind grundsätzlich steuerpflichtig, die Steuer wird aber bei den Kleinunternehmern nicht erhoben. Ausnahme ist die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Damit muss der Kleinunternehmer auch keine Zusammenfassende Meldung (ZM) abgeben und darf keine Umsatzsteueridentifikationsnummer angeben.
- Eingangsseite des Kleinunternehmers: Innergemeinschaftliche Erwerbe müssen Kleinunternehmer im Gegensatz zum Vollunternehmer grundsätzlich nicht versteuern, außer es liegen die folgenden Ausnahmen vor:
- die sog. Erwerbsschwelle von 12.500 Euro wurde überschritten oder
- der Kleinunternehmer hat, solange die Erwerbsschwelle nicht überschritten wurde, zur Erwerbsbesteuerung optiert oder
- der Kleinunternehmer hat neue Fahrzeuge oder verbrauchssteuerpflichtige Waren innergemeinschaftlich erworben.
Darüber hinaus gelten folgende umsatzsteuerliche Vorschriften auch für Kleinunternehmer:
- die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer
- die Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben
- die innergemeinschaftliche Lieferungen von Fahrzeugen
- die Steuerschuldnerschaft nach § 13 b UStG (Steuerschuldumkehr) und § 25 b UStG (Dreiecksgeschäft)
Wichtig: Auch im Falle der oben genannten Sonderfälle hat der Kleinunternehmer kein Recht zum Vorsteuerabzug.
Auch einem Kleinunternehmer wird eine Umsatzsteueridentifikationsnummer auf Antrag erteilt. Ob er diese verwendet oder nicht, kann bei Lieferungen und Dienstleistungen zu weitreichenden Konsequenzen führen. Bei internationalen Sachverhalten ist es ratsam, vorab einen Steuerberater zu konsultieren.
Stand: 1. Januar 2020