IT-Recht

Haftung für fremde Inhalte im Internet

Das kontrovers diskutierte "CompuServe"-Urteil hat bereits 1998 eine wichtige Frage zugespitzt: Wer haftet für die Inhalte, die im Internet verbreitet werden? Grundsätzlich gelten online die gleichen Regeln wie offline. Eine sachgerechte Kontrolle von Inhalten ist jedoch technisch nicht immer möglich oder zumutbar. Der Gesetzgeber hat deshalb für das Internet verschiedene Haftungserleichterungen eingeführt. Das Telemediengesetz (TMG) unterscheidet dabei zwischen der Haftung für eigene und für fremde Informationen.

Volle Haftung für eigene Informationen

Für eigene Informationen haftet der Anbieter uneingeschränkt nach den allgemeinen Vorschriften (§ 7 Abs. 1 TMG). Wer auf seiner Website beleidigende Äußerungen einstellt, macht sich also strafbar. Als eigene Information gelten auch Aussagen Dritter, die sich der Anbieter zu Eigen macht. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass er sie zitiert, ohne sich erkennbar zu distanzieren.

Keine Haftung für die Durchleitung fremder Informationen

Für fremde Inhalte, die der Dienstanbieter übermittelt oder zu denen er den Zugang vermittelt, ist er nicht verantwortlich (§ 8 Abs. 1 TMG). Voraussetzung ist allerdings, dass er die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Botschaft nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Die Regelung schützt zum Beispiel reine TK-Dienstleister, Betreiber von E-Mail-Servern und Access-Provider. Sie gilt auch für die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung von Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung geschieht und nicht länger gespeichert wird, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist (§ 8 Abs. 2 TMG). Erfasst wird dadurch etwa die Speicherung von E-Mails, die der Provider auf seinem Server vornimmt, um dem Empfänger den Abruf zu ermöglichen.

Keine Haftung für Caching

Der Dienstanbieter ist für eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung nicht verantwortlich, wenn diese allein dem Zweck dient, die Übermittlung fremder Informationen an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu machen (Caching, § 9 TMG). Die Haftungsprivilegierung kommt dem Anbieter jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen zugute. So darf er die Informationen nicht verändern. Er muss die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen sowie die nach anerkannten Industriestandards festgelegten Regeln zur Aktualisierung beachten. Er darf die anerkannte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten nicht beeinträchtigen. Zudem ist er verpflichtet, Informationen unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu sperren, wenn er Kenntnis davon erhält, dass sie am Ursprungsort gelöscht oder gesperrt wurden bzw. dass eine Behörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.

Keine Haftung für Hosting

Unter Hosting versteht man das Speichern von Informationen im Auftrag eines Nutzers, der sie auch eingegeben hat. Die Bandbreite denkbarer Informationen reicht dabei von einzelnen Beiträgen in Newsgroups bis hin zu kompletten Homepages. Bei der Haftungsbeschränkung für das Hosting wird zwischen straf- und zivilrechtlichen Zusammenhängen unterschieden (§ 10 TMG). In strafrechtlicher Hinsicht ist der Dienstanbieter von der Haftung befreit, wenn er keine positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Informationen hat. Bei zivilrechtlichen Ersatzansprüchen kommt die Haftungsprivilegierung nur zum Tragen, wenn ihm auch keine Umstände bekannt sind, aus denen die Rechtswidrigkeit offensichtlich wird. Er haftet insoweit auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis. Zudem muss er die Informationen jeweils unverzüglich entfernen oder sperren, sobald er die entsprechende Kenntnis erlangt. Auch wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich erwähnt, dürfte hier die Einschränkung gelten, dass Entfernung und Sperrung technisch möglich und zumutbar sein müssen.

Keine Pflicht zur Überwachung

Dienstanbieter sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (§ 7 Abs. 2 TDG).

Keine Umgehung durch Zusammenwirken von Anbieter und Nutzer

Die Haftungsprivilegierungen nach dem Telemediengesetz (TMG) finden keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit dem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Speziell die Haftungserleichterung beim Hosting greift nicht ein, wenn der Nutzer dem Dienstanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. Hier kann es beispielsweise relevant werden, wenn der Anbieter die Erarbeitung von Inhalten auf konzernrechtlich selbständige aber vertragsgebundene Unternehmen überträgt.

Keine gesetzliche Regelung bei der Haftung für Hyperlinks

Die umstrittene Frage, welche Verantwortlichkeit die Verwendung von Hyperlinks auslösen kann, wurde im Telemediengesetz nicht geregelt. In diesem Bereich kommt der Rechtsprechung deshalb weiterhin eine besondere Bedeutung zu. Betroffen sind etwa Inhaltsanbieter, die als Autoren eigene Beiträge im Internet veröffentlichen.
Das Landgericht Hamburg stellte mit Entscheidung vom 12. Mai 1998 (Az.: 312 O 85/98) fest, dass derjenige, der Verweise auf fremde Websites setzt, sich dort befindliche ehrverletzende Äußerungen grundsätzlich zu Eigen macht. Der Autor kann dieser Bewertung allerdings in zwei Fällen entgehen: Entweder er distanziert sich ausdrücklich vom Inhalt der betreffenden Seite; dabei reicht jedoch der bloße Hinweis, eine Haftung werde nur für eigene Beiträge übernommen, nicht aus. Oder er eröffnet einen sog. "Markt der Meinungen", auf dem er zum Zwecke der Wahrheitsfindung ein umfassendes Spektrum von Ansichten in Bezug auf ein öffentlich bedeutsames Thema nach allen Richtungen vertiefend wiedergibt. Wie die komplizierte Definition bereits andeutet, setzt die Rechtsprechung die Anforderungen hierbei vergleichsweise hoch an.
Ergänzend zu den oben geschilderten Grundsätzen ist der ein Jahr zuvor ergangene Beschluss des Amtsgerichts Berlin Tiergarten vom 30. Juni 1997 (Az.: 260 DS 857/96) heranzuziehen. Demnach scheidet eine Strafbarkeit auch dann aus, wenn die Seite, auf die verwiesen wird, zum Zeitpunkt der Link-Setzung noch unbedenklich war und erst später - ohne Wissen des Beschuldigten - in strafrechtlich relevanter Weise verändert wurde. Der Betreiber einer Website ist insoweit nicht verpflichtet, die durch Links in Bezug genommenen Seiten fortwährend zu überprüfen.