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Ein „Vogel“ für Uganda
Im Münsterland wird an Lösungen für Wasserprobleme in Afrika gearbeitet. Auf den ersten Blick scheint nichts, aber auch gar nichts diesen Ort mit den lebensbedrohlichen Wasserproblemen in Ostafrika zu verbinden: Das Gestüt Brock in Havixbeck, reichlich Fachwerk, in einem Weiher drehen Enten ihre Kreise. Ein Hund räkelt sich in der Mittagssonne. (Von Daniel Boss)
Lars Trappe (r.) und Kirstin Skibba fanden auf einer Reise eine Geschäftsidee.
© Boss/IHK Nord Westfalen
Größte Herausforderung: sauberes Trinkwasser
Aber der Reihe nach: Über einen Priester aus Uganda, den sie in Münster kennengelernt hatten, kamen sie 2013 das erste Mal nach Afrika. „Diesen Spruch, man verliere sein Herz an diesen Kontinent, haben wir immer für Quatsch gehalten“, erinnert sich Kirstin Skibba. „Aber genau so ist es gekommen.“ Doch so sehr Uganda sie auch von Anfang an begeistert hat – vor Ort waren sie tagtäglich mit den schwerwiegenden Problemen der Menschen konfrontiert. Mit die größte Herausforderung ist die Beschaffung von sauberem Trinkwasser. Die Reisenden aus dem Münsterland hatten daher immer spezielle Outdoor-Filter aus der Heimat dabei. „Verschmutzungen können lebensgefährliche Erkrankungen wie Cholera, Typhus und Durchfall verursachen“, erklärt Lars Trappe. „Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben dadurch jährlich Millionen von Menschen.“ In weiten Teilen Afrikas gibt es keine Leitungssysteme. „Die Menschen holen morgens und abends ihren täglichen Bedarf aus zum Teil weit entfernten Flüssen, Seen, Brunnen oder Regenwassertanks“, so Kirstin Skibba. Dabei kämen fast immer Kanister zum Einsatz.
Genau diese Gefäße bergen aus Sicht der Start-up-Gründer jedoch das größte Risiko. Der Grund: Gelangt sauberes, also zum Beispiel abgekochtes oder durch einen regulären Filter gelaufenes Wasser in einen verdreckten Kanister, ist es womöglich sofort in gefährlicher Weise kontaminiert. „Da Reinigen lästig ist und sich oft mehrere Leute einen Kanister teilen, kann man nie ganz sicher sein, ob der jeweilige Kanister nun unbedenklich ist oder nicht“, schildert Lars Trappe seine Erfahrungen. „Kanister sind praktisch für den Transport, aber nicht für die Hygiene“, so die Erkenntnis. Wie lässt sich aus dem Problem eine Lösung machen? Diese Frage ließ den Ingenieur und die Ökotrophologin nicht mehr los. Wichtig für ein neuartiges Konzept war eine kinderleichte Bedienung, da oft Minderjährige fürs Wasserholen zuständig sind. „Und der Filter musste dem Kanister nachgeschaltet sein“, sagt Lars Trappe. Also am besten vom Gefäß direkt in den Mund oder Kochtopf.
Der „Wasservogel” in Aktion: Das Wasser wird gefiltert, wenn es aus dem Kanister gezapft wird. Das schützt auch vor nicht ganz einwandfreien Kanistern.
© Skibba
Ihre Idee: ein ganz besonderer „Wasser-Vogel“. So bezeichnen die Erfinder selbst das von ihnen entworfene Gerät. Die armlange Technik ähnelt einem ulkigen „Mini-Strauß“ – mit kugelrundem „Kopf“ und einem kurzen „Schnabel“. Der lange „Fuß“, in dem sich sogenannte Hohlfasermembran-Technologie befindet, wird in den Kanister gestellt. Drückt man nun auf die Kugel, wird das Wasser durch den Filter gepresst und tritt am Schnabel aus – befreit von 99,99 Prozent aller Bakterien, wie Kristin Skibba betont. Anfang 2017 baute das Duo vier Prototypen für die Testphase in Afrika, die sehr erfolgreich verlief. So erfolgreich, dass am 13. Oktober 2017 die Firmengründung erfolgte. Um einen Gründungszuschuss zu bekommen, hatte sich das Paar Unterstützung geholt: „Die IHK hat uns beim Businessplan sehr geholfen“, sagt Lars Trappe, der den Zuschuss beantragte.
Dagegen lief die Suche nach Lieferanten nicht so gut. „Wir haben kein deutsches Unternehmen finden können, dass für uns produzieren wollte“, bedauert der Gründer. Über das Internet versuchte man es stattdessen in China. „Da klappte es sofort.“ Zehn verschiedene Hersteller liefern die zehn Einzelteile des „Vogels“. Noch wird er in Havixbeck zusammengesetzt. Irgendwann soll auch das in China geschehen, genau wie der Versand nach Afrika. Die erste Charge von tausend Stück liegt auf Lager. Das Start-up ist mit potenziellen Vertriebspartnern im Gespräch, darunter sind auch Hilfsorganisationen. 30 Euro netto wird das System auf dem Markt kosten. „Wir versuchen, es noch günstiger zu machen“, sagt Kristin Skibba.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel