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Vorbehalte gegen Kollege Cobot
Sie sind unermüdliche Helfer, trotzdem schlägt ihnen Skepsis entgegen: Dabei entlasten Serviceroboter ihre menschlichen Kollegen, ohne sie zu ersetzen. Die Firma Sedico aus Coesfeld leistet Überzeugungsarbeit. | Text: Tobias Hertel
Bella ist höflich, aber auch sehr bestimmt, wenn es sein muss. Aus der Ruhe lässt sie sich niemals bringen. Das gilt selbst dann, wenn sie sich, beladen mit Tabletts voller Speisen und Getränke, den Weg durch ein enges Restaurant bahnen muss. Steht ein Gast im Weg, weist sie ihn ebenso nett wie nachdrücklich darauf hin: „Eine Lieferung ist unterwegs, bitte lassen Sie mich vorbei“. Angekommen am Tisch verkündet sie freundlich: „Liebe Gäste, Ihre Bestellung ist da. Ich wünsche guten Appetit“. Wer sich für diesen Service bei Bella erkenntlich zeigen möchte, krault ihre „Ohren“: Dann miaut sie wohlig wie ein Kätzchen.
Viele Einsatzmöglichkeiten
Der BellaBot ist ein Serviceroboter von Sedico aus Coesfeld. Jochen Hunkemöller vertreibt die Geräte, die er überwiegend aus Asien bezieht. „Ein Hersteller kommt aber auch aus Berlin“, berichtet der Unternehmer, der vor einem Jahr das Geschäft startete und nun eine ganze Flotte mit 18 Modellen anbietet. Diese rollen durch Restaurants und Hotels oder begrüßen über einen großen Werbebildschirm Messebesucher und Gäste auf Empfängen. Dann bietet Hunkemöller noch den Holabot an, der bis zu 60 Kilogramm Geschirr einsammelt und in die Spülküche transportiert.
Über Newsletter wurde der Geschäftsführer auf die Robotik und verschiedene Anbieter aufmerksam. „Ich sehe hier Riesenmöglichkeiten“, meint er. Sein Hauptimporteur habe zuletzt ein Absatzplus von 150 Prozent gemeldet, in den Niederlanden und Polen seien die Apparate sehr gefragt. In seinem Vertriebsgebiet, das sich über einen Radius von zwei Autostunden rund um Coesfeld erstreckt, sieht die Nachfrage verhaltener aus. Im „zweistelligen Bereich“ bewege sich sein Absatz an Geräten. „Die Vorbehalte sind oft groß“, bedauert er.
Testlauf überzeugt
Typisch ist ein Erlebnis in einem Restaurant in Ostwestfalen: Dort führte er den BellaBot vor. „Der Betriebsleiter wollte gleich zwei bestellen.“ Dessen Frau hat dagegen als erstes den Sprachmodus ausgeschaltet und wäre den Helfer gerne direkt wieder losgeworden. Davon unbeirrt ließ der Unternehmer den Roboter die Räumlichkeiten scannen und er programmierte die Tischnummern ein. „Nach einer dreiwöchigen Testphase wurde klar, wie stark ein Roboter den Service unterstützt, wie er den Mitarbeitern Wege erspart und schwere Lasten abnimmt.“ Die Überzeugungsarbeit ist geglückt, mittlerweile ist ein Gerät ausgeliefert. Auch in Gasthöfen des Münsterlandes sind schon Roboter unterwegs.
Was genau hinter der Technikskepsis mancher Gastronomen steckt – „dahinter bin ich noch nicht gekommen“. Klar ist, dass für den Robotereinsatz Prozesse angepasst werden müssen. Zum Beispiel gilt es, Übergabepunkte zu definieren: Wo belädt die Küche den Roboter, wo übernimmt der Service? Manche fürchten auch, die Roboter seien zu teuer. Dabei reicht die Preisspanne von 9.500 bis 56.000 Euro, wobei Geräte für die Gastronomie eher im unteren Bereich angesiedelt sind. Auch Leasing ist möglich.
Sorgen der Servicekräfte
Klarer formulieren die Servicekräfte selbst ihre Sorgen. Sie befürchten, überflüssig zu werden. „Das ist ein Trugschluss“, sagt Hunkemöller deutlich. Auch die oft gehörte Frage, wie viele Mitarbeiter ein Roboter ersetzt, zielt für ihn in die völlig falsche Richtung. „Kollaborative Roboter, kurz Cobots, unterstützen Menschen, sie ersetzen sie nicht“, stellt er klar. Im Prinzip übernehmen clevere Geräte „dumme Aufgaben“, die immer wiederkehren, dadurch eintönig und oft schwer sind. Tabletts transportieren zum Beispiel.
„Die Servicekräfte gewinnen dadurch mehr Zeit für die Gäste“, weiß Hunkemöller – was wiederum mehr Umsatz bringt. Begleitet von Kollege Cobot kann eine Kellnerin oder ein Kellner auch eine große Gesellschaft auf einmal bedienen. Gastronomen, die ihren Beschäftigten mit Robotern die Arbeit erleichtern, sammeln außerdem Pluspunkte im wachsenden Wettbewerb um die immer rareren Servicekräfte. „Roboter wirken dem Fachkräftemangel entgegen, indem sie die vorhandenen Fachkräfte entlasten“, bringt Hunkemöller seine Sicht auf den Punkt.
Prototyp für die Industrie
Auch in anderen Einsatzgebieten ist der Roboter ein Helfer für Aufgaben, für die sich immer schwieriger Arbeitskräfte finden lassen – den Menschen gänzlich überflüssig machen sie dabei aber nicht. So kann ein Reinigungsroboter bis zu 1.000 Quadratmeter pro Stunde Hallenflächen und Korridore fegen und wischen, in die hinterste Ecke und unter jede Sitzgruppe gelangt er aber nicht. Den nächsten Schritt peilt Sedico fürs vierte Quartal an. Dann wird bei ihm der Prototyp eines Industrieroboters verfügbar sein. Die Modelle können bis zu 300 Kilogramm schwere Lasten heben, schleppen und tragen.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel