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Reif für die Selbstständigkeit
Mit Anfang 40 hängt Verena Porzelt den Beruf an den Nagel, um ihrer Berufung zu folgen: Sie startet als Unternehmerin mit Catering und Kochschule durch. Leidenschaft, Beharrlichkeit und Authentizität stehen ganz oben auf ihrem Erfolgsrezept für die gelungene Gründung. (Von Dominik Dopheide)
„Kochen ist meine Leidenschaft, wenn ich am Herd stehe, könnte neben mir ein Haus einstürzen, ich würde einfach weitermachen“, sagt Verena Porzelt. Einfach weitermachen: Mit dieser Einstellung hat die alleinerziehende Mutter ohnehin schon manche Herausforderung gemeistert. Ihr Traum von der Unternehmensgründung beispielsweise schien bereits geplatzt. Porzelt wollte ein Bistro eröffnen und hatte fest mit einem bestimmten Standort in Münster geplant. Doch hatte sich diese Option in letzter Minute zerschlagen. Eine Rückkehr in den alten Job – Merchandising für den Textileinzelhandel – kam nicht infrage. Jetzt oder nie Unternehmerin, das war die Devise. „Ich habe viel Kraft und zugleich viel Lebenserfahrung, bin also genau im richtigen Alter“, begründet Porzelt, warum sie schon wenige Stunden nach der Absage die Standortsuche wieder aufgenommen hat. Der vermeintliche Rückschritt entpuppt sich damals nach und nach als Vorteil. Denn der angehenden Gastronomin bleibt ein halbes Jahr mehr Zeit, ihrem künftigen Kundenkreis zu zeigen, was sie auf der Pfanne hat. Sie modifiziert die Geschäftsidee und steigt ins Catering ein. Erst kocht sie für Freunde. Das Echo ist so gut, dass sie ein Gewerbe anmeldet, um zahlende Gäste zu bewirten. Eine Küche mietet sie im Auftragsfall kurzfristig an.
Von einem Referenten eines Gründungsseminars, an dem sie teilgenommen hatte, erhält sie den Tipp: Eine Kochschule steht zum Verkauf – die großzügig bemessene und ausgestattete Küche natürlich inbegriffen. Der Standort ist im Wortsinn malerisch: Neben den Künstler-Ateliers, auf dem historischen Landgut Haus Coerde in Münsters Norden, in der Nähe der Rieselfelder, ist Platz für Porzelts Pläne. „Als ich auf den Hof fuhr und dann innen die Küche sah, war mir sofort klar, das ist meins“, erinnert sich die Gründerin. Was ihr aber auch klar ist: Sie wird zum zweiten Mal einen Business-Plan entwickeln müssen, um die Hausbank von Projekt und Kreditvergabe zu überzeugen. Erneut steuert sie die Ansprechpartner ihres Vertrauens an, um Rat einzuholen: einen guten Freund, der Betriebswirt ist, dann die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster und die IHK. Der Geschäftsplan raubt ihr den Schlaf: „Ich bin oft nachts wachgeworden und habe mich an die Tabellen gesetzt“, erzählt Porzelt. Bevor sie das Dokument der Bank übergibt, legt sie es Christian Seega vor, der bei der IHK Nord Westfalen Gründungsberater ist. „Er hat sich sofort Zeit genommen und den Plan studiert“, erzählt sie. Seega zieht ein kurzes Fazit: „Machen.“ Noch aber ist die angehende Unternehmerin nicht am Ziel: Sie muss die Wohngenossenschaft, die das Anwesen erworben und aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat, von ihrem Projekt und von ihrer Person überzeugen. „Da saßen neun Frauen, ich vor Kopf, dann kamen die Fragen – mal von links, mal von rechts“, schildert Porzelt das ergebnisoffene Vorstellungsgespräch. Zwar ist sie sicher, dass sie mit einem guten Konzept im Gepäck angereist ist. Nach welchen Kriterien das Gremium aber entscheiden würde, weiß sie nicht. Der Nervosität will Porzelt in dieser Situation keine Chance geben. Schließlich brennt sie für ihren Zukunftsplan und will, dass der Funke überspringt auf die Entscheider. Das gelingt ihr mit einem einfachen Rezept: „Ich war ich“, erklärt die Gründerin. Mit dieser Einstellung will sie schließlich auch ins Bankgespräch gehen. Die Erfüllung ihres Traumes hängt nun an diesem Termin.
Stimmiges Konzept
Kochen oder kochen lassen? Die Gäste der LandgenussWerkstatt können nach Gusto entscheiden: „Ich biete offene Kochkurse, aber auch Catering an – als Firmen-Event oder als private Veranstaltung“, erklärt Verena Porzelt ihr Geschäftskonzept. Für ein Sommerfest beispielsweise biete der Außenbereich des Gutshofes einen wunderschönen Rahmen. Dort werde dann eine lange Tafel aufgebaut. Auf den Tisch kommt Leckeres der Saison und der Region. Beim Wein setzt die Gastronomin vor allem auf Produkte aus der Pfalz: Ihr Cousin Andreas Porzelt betreibt dort ein Weingut: „Ich habe oft bei der Weinlese mitgemacht“, erzählt sie. Porzelt weiß, welche Tropfen sie empfehlen kann – zum Barbecue-Abend, zum Fisch- und Krustentierkurs oder zum Streifzug durch die französische Küche. Zudem holt sie für die Kurse, passend zum Thema des Tages, spezialisierte Dozenten an Bord – darunter den Autor eines Grillkochbuches und einen Koch, der sich exzellent auskennt mit Kräutern und Gemüse. Ein stimmiges Konzept, so befindet der Banker, der über die Finanzierung der LandgenussWerkstatt entscheidet – zumal die Gründerin auch mit ihrer Kalkulation punkten kann: „Die meisten sind bereit ein bisschen mehr zu bezahlen, wenn die Qualität sehr gut und die Herkunft bekannt ist“, erklärt Porzelt ihre Produkt-und Preisphilosophie. Der Banker gibt erst grünes Licht für die Finanzierung.
Scheitern keine Option
Natürlich hat sie selbst viele Rezepte auf Lager. „Bei uns in der Familie wurde gerne und viel gekocht, da kommt meine Leidenschaft für das Thema her“, sagt Porzelt. Keine Sekunde muss sie überlegen, um die Frage nach ihrem unternehmerischen Vorbild zu beantworten: „Das ist mein Vater, er war Unternehmer im Lebensmittelsegment, ihm habe ich viel zu verdanken.“ Von ihm übernommen hat sie beispielsweise die Grundeinstellung, ans Scheitern gar nicht erst zu denken, sondern die ganze Kraft darauf zu verwenden, ein Projekt weiter nach vorn zu treiben. Ein paar Mal, räumt sie ein, habe sie sich vor dem Start gefragt, ob die Gäste wirklich wiederkommen werden. Längst hat sie die Antwort schwarz auf weiß: Das Auftragsbuch ist so gut gefüllt, dass sie in weiteres stilvolles Interieur investiert hat: So erwärmt jetzt ein Kamin-Backofen, zugleich Produktionsmittel und Blickfang, das Gästeherz. „In der LandgenussWerkstatt laufen die Fäden meines ganzen Lebens zusammen – meine Leidenschaft für das Kochen, das Know-how in Sachen Einrichtung und Dekoration aus meiner Tätigkeit im Merchandising sowie die Menschenkenntnis, die ich im Rahmen meiner Führungspositionen gesammelt habe“, sagt Verena Porzelt und ergänzt: „Ich habe einfach gefühlt, dass die Zeit reif ist für die Selbstständigkeit.“
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Redaktion Wirtschaftsspiegel