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„Gesandte“ auf Lastenbikes
Aus Freude daran, „Dinge zu entwickeln“, gründeten zwei Maschinenbauingenieure vor 13 Jahren enviado, Hersteller von professionellen Lieferbikes und deren Zubehör aus Everswinkel. (Von Britta Zurstraßen)
Am Anfang war die Pizza-Thermobox. Die beiden Maschinenbauer Marcel Honisch und Sebastian Hauß wollten 2010, zwischen Bachelor und Master, gern ein eigenes Produkt entwickeln. Die Idee, eine leichte, superdichte und gut warmhaltende Pizzabox zu entwerfen, kam ihnen während eines Jobs bei einem deutschlandweit agierenden Pizzalieferdienst. „Die Lieferfahrer fuhren damals noch auf Motorrollern. Sie mussten also einen leichten und hochfunktionellen Behälter haben, den sie auf dem Motorroller montieren konnten“, erzählt Hauß.
Sebastian Hauß (l.) und Marcel Honisch entwickeln innovative Lastenbikes und das passende Zubehör.
© enviado
Was als Projekt der beiden jungen Ingenieure begann, erzielte schnell eine steigende Nachfrage. Mit einfachen Mitteln wollten die Entwickler schnell gute Lösungen für die lokalen Anforderungen finden. Und die beiden Tüftler dachten gleich weiter. „Rucksäcke sind ja sehr beliebt für den Einkauf“, so Hauß. Warum also nicht das Prinzip generell für Food-Lieferungen weiterdenken. „Pizzen können natürlich nicht hochkant transportiert werden, also musste der Rucksack so breit und dennoch handlich und leicht sein, dass es funktioniert“, erzählt Hauß. Die Idee schlug gut ein, in der Größe verstellbare Thermorucksäcke wurden bei Lieferdiensten europaweit „salonfähig“. Und nicht nur dort. „Auch im arabischen Raum und in Asien sind Lieferdienste weit verbreitet“, berichtet Honisch. In den Emiraten sei zum Beispiel ein großer lokaler Akteur vom weltweit agierenden deutschen Platzhirsch Delivery Hero aufgekauft worden. Und die bestellen bei enviado das Zubehör. „So fahren nun auch Lieferanten in arabischen Ländern und in Asien mit unseren Boxen und Rucksäcken“, freuen sich die Geschäftsführer.
Von der Box zum Bike
2010 gründeten Honisch und Hauß ihre Firma enviado, auf spanisch „der Gesandte“. “Wir haben bei der Namensfindung diverse Begriffe, Adjektive und Verben rund ums liefern in verschiedene Sprachen übersetzt und konnten uns beide mit „enviado“ anfreunden“, erzählt Honisch. Inzwischen dachten die beiden Gründer größer und wollten ihre Expertise und ihre Ideen auch in das eigentliche Transportmittel vieler Lieferdienste einbringen - das Fahrrad. Den Ausschlag gab ein Kunde ihrer Boxen mit Sitz in der münsterschen Altstadt, der im engen Straßengewirr auf Bikes setzte und spezielle Ansprüche hatte. „E-Bikes gab es vor gut zehn Jahren hauptsächlich im privaten Bereich, also haben wir ein spezielles Elektrorad für den professionellen Lastentransport entwickelt“, erklärt Hauß. Die Maschinenbauer entwarfen einen soliden Rahmen und ließen ihn in Taiwan herstellen. All die Bestandteile, die für ihre Anforderungen nicht passten, entwickelten sie ebenfalls selbst: „die Gepäckträgersysteme, den Elektroantrieb, die Lenkungsdämpfung; die Kettenspanner und die Bremsen,“ zählt Hauß auf.
„In Engineering und Design arbeiten wir eng mit unseren Zulieferern zusammen“, erklären die Geschäftsführer. Zusammengebaut wird alles am Firmensitz in Everswinkel. „SOLID 1“ hieß die erste Serie der weißen Lasten-Bikes. Mittlerweile ist die 3. Serie entstanden, die entlang der alltäglichen Herausforderungen der Kunden weiterentwickelt wurde. Viele tausend Bikes flitzen bislang in den Liefer-Hot-Spots Berlin, München und Hamburg und in vielen weiteren Städten in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden jetzt auch in rot, schwarz und mattgrau durch die Straßen. Der Boom der Lieferdienste, der in den Coronajahren noch deutlich verstärkt wurde, und der politische Druck, die Autos möglichst aus den Innenstädten zu ziehen, spielten der rasanten Entwicklung der passgenauen Lastenbikes in die Hand.
App zum Service
Die enviado-Räder werden von den Lieferdiensten vorwiegend geleast, zusammen mit einem umfangreichen Servicepaket. „Die meisten unserer Kunden wollen in die Mobilität investieren, nicht in das Produkt Fahrrad“, erklärt Hauß. Wo viele ihrer Bikes fahren, ist enviado auch mit eigenen Service-Rädern und Mechanikern vor Ort, zum Beispiel in Berlin, Hamburg und München. In anderen Städten arbeitet das Unternehmen mit lokalen Werkstattpartnern zusammen. „Der Servicegedanke rund um unser wichtigstes Produkt, das Bike, ist für unsere weitere Entwicklung ausschlaggebend“, sagt Honisch.
Der neueste Clou: die Service-App. „Wenn ein Problem auftritt, können die Kunden über einen QR-Code am Rad mit unseren Mechanikern Kontakt aufnehmen und es lösen lassen“, erläutert er. „Die App hat uns auch geholfen, unsere Bikes besser zu verstehen und zu verbessern“, erklärt der Entwickler. So sei möglichst eine Präventivwartung geplant. „Wenn wir in der App erkennen, wann aufgrund der Kilometerleistung zum Beispiel die Bremsbeläge gewechselt werden müssen oder auch die mit speziellem Schaum gefüllten Reifen, können unsere Mechaniker und Partner diesen Service schon kurz vor der eigentlichen Panne durchführen,“ beschreibt Hauß die digitale Idee. „Die Bikes sollen ja möglichst gar nicht ausfallen.“ Dafür bekamen die Unternehmer im Herbst dieses Jahres den Wirtschaftspreis „Digital.Pilot 2023“ vom Kreis Warendorf – eine schöne Bestätigung und Ansporn auch für die mittlerweile 38 Mitarbeiter von enviado. Um für alle Menschen und für die Herstellung und Lagerung des Materials Platz zu haben, zieht das Unternehmen im Januar 2024 in ihren neuen, größeren Firmensitz am Standort Everswinkel. Hier können neue Räder entstehen und die bereits in den Startlöchern stehenden neuen Produkte und Dienstleistungen rund ums Liefergeschäft entwickelt werden.
Infos zum Unternehmen:
Sebastian Hauß, Marcel Honisch
enviado GmbH
Am Steinbusch 7a
Everswinkel
www.enviado.de
Sebastian Hauß, Marcel Honisch
enviado GmbH
Am Steinbusch 7a
Everswinkel
www.enviado.de
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Redaktion Wirtschaftsspiegel