Unternehmen & Märkte

„Ein Spiegel des Unternehmens“

Dr. Udo Westermann aus Münster ist anerkannter Spezialist für Nachhaltigkeitsberichte. Er rät Unternehmen, Wissen für die Erfassung benötigter Kennzahlen aufzubauen. (Interview: Markus Lübbering)
Warum bekommen Berichte über Corporate Social Responsibility (CSR) einen immer größeren Stellenwert bei den Unternehmen?
DR. UDO WESTERMANN: Im Vordergrund steht die erwartete Berichtspflicht. Die geplante Corporate Sustainability Reporting Directive sieht eine Ausweitung des Kreises der bisher berichtspflichtigen Unternehmen auf alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitern vor. Der Änderungsentwurf vom 22. April 2022 beinhaltet eine zeitliche Verschiebung um ein Jahr. Das heißt, in Kraft treten wird die Berichtspflicht voraussichtlich 2025 für das Berichtsjahr 2024. Unabhängig davon konnten wir bereits in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl freiwillig berichterstattender Unternehmen feststellen. 
Welche Vorteile bringt die Berichterstattung für ein Unternehmen?
WESTERMANN: Der Nutzen eines CSR-Engagements liegt unter anderem in einer verstärkten Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch in der Positionierung zukunftsfähiger Produkte. Und dieses Engagement dann auch zu kommunizieren, ermöglicht ja erst die öffentliche Wahrnehmung, sowohl bei aktuellen und zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie auch am Markt. Der Bericht ist über den direkten Nutzen eines CSR-Engagements hinaus ein Spiegel des Unternehmens. Ein gutes Reporting funktioniert nur auf Grundlage einer internen Steuerung der Nachhaltigkeitsleistung. Darüber hinaus schätzen langjährige Berichterstatter den Dialog mit ihren Stakeholdern, denn die Rückmeldungen bieten Anregungen und unterstützen die weitere Entwicklung der CSR-Aktivitäten.
Sollte ein KMU freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen?
WESTERMANN: Das befürworten wir auf jeden Fall. Mittelständler haben dabei einen Glaubwürdigkeitsbonus und können ihre wesentlichen Berichtsthemen freier definieren. Über Umfang und Format kann betriebsindividuell diskutiert werden, ob in einem umfänglichen, gedruckten Bericht oder auf einer aktuell gepflegten Internetseite.
In welcher Form werden Unternehmen künftig berichten müssen?
WESTERMANN: Die EU sieht eine Berichterstattung verpflichtend im Lagebericht des Geschäftsberichts vor. Und die Veröffentlichung soll in einem maschinenlesbaren Format erfolgen. Inhaltlich wird es um Angaben zu Umweltzielen vom Klimaschutz bis zur biologischen Vielfalt gehen, um gesellschaftliche Aspekte von der Chancengleichheit bis zu Menschenrechten und um Governance-Aspekte. Die genauen Inhalte werden aktuell erarbeitet und sollen sukzessive ab Oktober 2022 veröffentlicht werden.
Vorgesehen ist auch eine Pflicht zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen, zunächst mit begrenzter Sicherheit (limited assurance). Eine Ausweitung auf eine hinreichende Sicherheit (reasonable assurance) gilt aber als wahrscheinlich. Mit dieser Anlehnung an die Finanzberichterstattung soll eine Validität der Angaben und der Daten gewährleistet werden. Und genau hier liegt die Herausforderung, berichtsfähige Daten sind in vielen Unternehmen schlicht noch nicht verfügbar. Aktuell ist es wichtig, das interne Know-how aufzubauen und die Datenerfassung anzulegen. 
Aufzeichnungen zu Webinaren rund ums Thema Nachhaltigkeitsberichte finden Sie online.
Die IHK Nord Westfalen bietet einen Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU an.