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Der „richtige“ Stress
Ein Unternehmen wie die Local Benefits GmbH zu gründen, kann auch ein Akt der Selbstfürsorge sein. So wie bei Tillmann Bröker. | Text: Ingrid Haarbeck
Brökers Arbeitstag habe zwar auch mal vierzehn Stunden, aber: „Ich mache das gerne, nicht, weil mir irgendein Investor Ziele vorgibt”, sagt der 47-jährige, der lange Jahre in leitenden Vertriebspositionen bei verschiedenen Firmen tätig war – mit großer Verantwortung, langen Tagen und durchaus auch viel Freude. Und doch sehr fremdbestimmt.
Die Entscheidung für ein Unternehmerdasein war für Bröker auch eine Entscheidung für seine Familie und seine Gesundheit. „In meinem letzten Job haben mir irgendwann die eigenen Mitarbeiter schon prophezeit, dass ich bald umkippen werde – mit zwei Jahren Abstand kann ich erkennen, dass sie recht hatten.”
Seine beruflichen Stationen führten ihn von Stuttgart und Köln nach Bremen, immer mit viel Reisetätigkeit – während zuhause in Münster die Familie größer und größer wurde. Jetzt bestimmt er selbst, ob er eine Pause macht, wenn seine Kinder nach Hause kommen.
Sachbezugskarten, aber in lokal
Seine letzte Angestellten-Position hatte ihm allerdings die gute Idee für die Gründung gegeben. Denn das Unternehmen in Bremen vertrieb Firmenfitnesskarten. Die Grundidee: Arbeitgeber dürfen bis zu 50 Euro pro Monat steuer- und abgabenfrei als Sachbezug an ihre Arbeitnehmer geben. Das können zum Beispiel Mitgliedskarten für Fitnessstudios sein, wie bei Brökers letztem Arbeitgeber. Oder eben Sachbezugskarten, die bei Händlern, Dienstleistern und Gastronomen einsetzbar sind. Der Clou bei Local Benefits: Die Karten sind gültig in der regionalen Wirtschaft und stärken damit den lokalen Einzelhandel. „Das ist ja Wirtschaftsförderung pur“ habe ihm schon einmal ein Bürgermeister gesagt, dem er die Idee präsentierte. Er und seine Partner hätten, so beschreibt es Bröker, das Rad nicht neu erfunden, aber „wir haben die Gummi-Bereifung auf das Holzrad gezogen“. Viele Arbeitgeber lassen sich von diesem Extra-Benefit überzeugen. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen neun Kunden, jetzt sind es bereits über 150, bei weiterhin exponentiellem Wachstum.
Die Geschäftsidee
Local Benefits bietet lokal, regional und bundesweit agierenden Arbeitgebern individuell gestaltbare Sachbezugskarten an, durch deren Einsatz sie Steuern sparen können, ihre Mitarbeitenden motivieren und zusätzlich lokale Händler, Dienstleister und Gastronomen unterstützen.
Einzulösen ist das Guthaben jeweils in der vom Arbeitgeber bestimmten Region. Allein in Münster gibt es rund 2600 Akzeptanzstellen. Die Kunden können auch unterschiedliche Postleitzahlengebiete auswählen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedenen Regionen wohnen.
Die Karte kostet einmalig 13 bis 20 Euro, hinzu kommen je nach Größe des Unternehmens etwa zwei bis drei Euro pro Aufladung. Es gibt keine Mindestaufladung und keine festgelegte Laufzeit.
Einzulösen ist das Guthaben jeweils in der vom Arbeitgeber bestimmten Region. Allein in Münster gibt es rund 2600 Akzeptanzstellen. Die Kunden können auch unterschiedliche Postleitzahlengebiete auswählen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedenen Regionen wohnen.
Die Karte kostet einmalig 13 bis 20 Euro, hinzu kommen je nach Größe des Unternehmens etwa zwei bis drei Euro pro Aufladung. Es gibt keine Mindestaufladung und keine festgelegte Laufzeit.
Der Break-Even sei, so kalkuliert Bröker, Ende des Jahres erreicht. Dann könne er sich auch ein Gehalt zahlen. Bisher lebt er seit der Gründung des Unternehmens Anfang 2023 von seinen Ersparnissen. Weil er immer gut verdient habe und notfalls auch einen anderen gut dotierten Vertriebsjob bekommen könnte, verspüre er längst nicht so viel Druck wie andere Gründer, sagt Bröker. Außerdem hat er die anderen beiden Gesellschafter im Hintergrund, die bereits Gründungserfahrung haben: „Wir müssen die Fehler, die andere Start-ups anfangs machen, nicht wiederholen, denn die beiden haben das schon hinter sich.“ Die beiden Gesellschafter halten ihm, dem Vertriebler, den Rücken frei in puncto Finanzierung und IT.
Bröker genießt es, nach 17 Jahren Angestelltentätigkeit selbstständig zu arbeiten. „Wir arbeiten nicht auf einen Exit hin“, stellt er klar. Auch im Accelerator Programm beim Digital.Hub münsterLAND in Münster wurden bewusst keine Gespräche mit Investoren gesucht. Bröker kann sich sogar vorstellen, dass eines seiner Kinder später mal mit einsteigt. Immerhin haben sie jetzt Unternehmer-Vorbilder in der Familie.
Auch Tillmann Brökers Eltern haben ihn in gewisser Weise auf den jetzigen Weg vorbereitet: Der Vater war Geschäftsführer eines größeren münsterschen Unternehmens und wenig zuhause, die Mutter dagegen vor Ort sozial engagiert. Und beide haben den drei Söhnen sowohl einen gewissen Ehrgeiz mitgegeben, als auch die Fähigkeit, bodenständig zu bleiben und mit relativ wenig auszukommen.
Im Accelerator Programm waren Bröker und seine Kollegen allein aufgrund ihrer Erfahrung fast so etwas wie die Exoten. Er sieht das als Vorteil: „Ich muss niemandem mehr etwas beweisen, ich brauche auch keine gute Story für die nächste Party, ich habe hier einfach total Spaß.“
„Es muss uns in Zukunft gelingen, noch mehr Menschen davon zu überzeugen, dass die Selbstständigkeit ein lohnendes und attraktives Ziel ist”, so Sven Wolf, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmensförderung bei der IHK Nord Westfalen.
Wer sich für die Selbstständigkeit begeistert, kann sich bei der IHK Nord Westfalen umfangreich beraten lassen: Über die Erstinformation, die Erstellung des Businessplans bis hin zum E-Learning bietet die IHK mit ihren STARTERCENTERN NRW in Münster und Gelsenkirchen ein umfangreiches Unterstützungsangebot.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel