DiTom und clockin (4/2020)

Zettelwirtschaft digitalisiert

Ist ein Unternehmen, das ausbildet, eigentlich noch ein Start-up? „Eigentlich sind wir über diesen Status schon hinaus“, meint Frederik Neuhaus. Und das nicht nur, weil angehende Kaufleute für Marketing-Kommunikation hier ihren Beruf lernen können. „Wir bedienen mittlerweile Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz, haben unser Team stark vergrößert und sind nicht mehr nur in unseren früheren Kernbranchen Handwerk und Bau tätig“, sagt der Geschäftsführer der clockin GmbH in Münster. (Von Daniel Boss)
Auch Unternehmen aus den Bereichen Pflege und Logistik, um nur zwei Beispiele zu nennen, klopfen verstärkt an. „Damit hätten wir nie gerechnet“, sagt Frederik Neuhaus. Mit der Idee „App statt Zettelwirtschaft“ hat die Neugründung in den vergangenen drei Jahren europaweit für Furore gesorgt. Kaum am Markt, wurde clockin vom NRW-Wirtschaftsministerium für die besondere Innovationskraft und Praxisnähe mit dem #DWNRW-Award ausgezeichnet. 
Der Firmenname leitet sich ab von „to clock in“, ein englischer Begriff für das deutsche „einchecken“ oder „einstempeln“. Er soll signalisieren, worum es im Kern geht: die minutengenaue Erfassung von Arbeitszeiten per Smartphone. Die App für Apple und Android ersetzt aber nicht nur den Stundenzettel. Sie liefert auch die Projektnotiz mit Foto-Dokumentation und Diktierfunktion oder die digitale Kundenunterschrift unter der Projektbestätigung. Digitale Checklisten gehören ebenfalls zum Umfang. Gibt’s mal keinen Empfang, funktioniert das Ganze auch offline - bis zum nächsten Sendemast.
Ihren Anfang nahm die Idee im Kopf eines genervten Unternehmers aus Ahlen. Thomas Bittmann ist Geschäftsführer der DiTom Kanaltechnik GmbH. Seine Firma ist spezialisiert auf die Sanierung öffentlicher Kanäle und privater Entwässerungssysteme. Zu den Kunden zählen Kommunen, die freie Wirtschaft und Haushalte. Für Thomas Bittmann könnte der Tag gerne auch mal 36 Stunden haben. Ineffizienz regt ihn auf. So wundert es nicht, dass er irgendwann „die Nase voll“ hatte von der herkömmlichen Form der Zeiterfassung seiner Mitarbeiter. „Handgeschriebene Zettel, die dann abgetippt werden müssen - das sind doch im 21. Jahrhundert Relikte aus längst vergangenen Zeiten“, dachte er bei sich. Der hohe Zeitaufwand und die große Fehleranfälligkeit waren ein echtes Problem. 
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© IHK Nord Westfalen
Also machte er sich auf die Suche nach einer Lösung, die den Anforderungen seines Betriebs gerecht wird. „Es musste doch möglich sein, zu jedem Zeitpunkt einen Überblick über die Tätigkeiten meiner Mitarbeiter zu erhalten.“ Doch er fand nichts, jedenfalls nichts „zu vertretbaren Preisen”. Seine aufwändige Recherche endete in einer Sackgasse. Aufgeben wollte er aber nicht - im Gegenteil. „Dann machen wir es eben selbst“, war seine Reaktion.
Doch ohne IT-Spezialisten, das war ihm klar, geht es nicht. Also fragte der begeisterte Handballer-Fan Thomas Bittmann seinen Sportfreund Frederik Neuhaus, der in der Digital-Metropole San Francisco Global Business Management studiert hat und sich in der Szene bestens auskennt. „Die Herausforderung hat mich gereizt und wir haben das große Potenzial gesehen“, sagt er. Gemeinsam stellten sie ein Projektteam zusammen und legten mit den DiTom-Mitarbeitern in monatelanger Detailarbeit die Grundlage für clockin. „Wichtig waren Praxisnähe und eine unkomplizierte Handhabung“, nennt Thomas Bittmann die wichtigsten Eigenschaften, die die neue App erfüllen sollte, ja musste. „Denn ohne Nutzerakzeptanz gibt es keinen Nutzen.“ Folglich dauerte es eine Weile. Mit vielen Tests und App-Versionen näherte man sich der besten Lösung an. 
Logo der IHK-Start-up-Serie Gemeinsam nach vorn
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Im Sommer 2016 war es dann soweit. Der erste Live-Betrieb konnte starten. Schnell war klar, dass es sogar besser funktioniert als gedacht. Dabei hätte es bleiben können: ein smartes Tool, das von einem Mittelständler in Ahlen und der Region genutzt wird. So war auch Thomas Bittmanns eigentlicher Plan gewesen. Doch dann bemerkten die beiden Unternehmer, dass befreundete Unternehmen ebenfalls Interesse an der digitalen Lösung anmeldeten und von den Möglichkeiten begeistert waren. „Da hat es bei uns ,Klick’ gemacht“, erinnern sich die Unternehmer. Und so bilden Thomas Bittmann, Anfang 50, und Frederik Neuhaus, Anfang 30, heute sicherlich eines der ungewöhnlichsten Start-up-Duos des Landes. Wenn man bei der Handwerks-Ausgründung noch von Startup sprechen kann. „Wir sind ein etabliertes Unternehmen geworden und wachsen weiter kräftig“, sagt Frederik Neuhaus. Rund 15 Mitarbeiter sind es aktuell, darunter auch einige Werksstudenten. Verstärkung in den Bereichen Kundenservice, Vertrieb, Systementwicklung und Marketing wird gesucht. Auch der Kundenstamm wird immer größer. Längst nutzen auch Betriebe aus dem produzierenden Gewerbe die digitale Zeiterfassung. Selbst DAX-Konzerne sind aufmerksam geworden.
Die beiden Gründer haben sich die Geschäftsführung so aufgeteilt: „Ich kümmere mich zu 80 Prozent um mein ursprüngliches Geschäft und zu 20 Prozent um clockin“, sagt Thomas Bittmann. Sein Geschäftspartner investiert den Großteil seiner Zeit in die gemeinsame GmbH und befasst sich nebenbei noch mit den Themen Webentwicklung und IT-Sicherheit in seiner ursprünglichen Firma.