Standort & Politik

Teamplayer und Strukturwandel-Champion

Vielfältig, gastfreundlich und modern präsentiert sich die Emscher-Lippe-Region zur EURO 2024. Das ZukunftsForum GE richtet den Blick schon auf die Herausforderungen über das Turnier hinaus. | Text: Tobias Hertel
Als moderner Wirtschafts- und Industriestandort, Vorreiter in Sachen Wasserstoff, Sitz wichtiger Bildungs- und Kultureinrichtungen und ein Stück Heimat präsentiert sich die Emscher-Lippe-Region ihren EM-Gästen und den Menschen, die hier leben. Sie selbst sieht sich als echten „Champion des Strukturwandels“, der aber auch herausgefordert wird durch große Zukunftsthemen: Nachhaltigkeit, Bildungschancen, Fachkräftemangel und Flächenbedarf gehören dazu.

Die nachhaltigste EM aller Zeiten

Diesen Fragen nehmen sich die Arbeitgeberverbände Emscher-Lippe, der FC Schalke 04, die Stadt Gelsenkirchen und die IHK Nord Westfalen als Veranstalter der Reihe ZukunftsForum GE an. Bis Anfang Juli stehen unterschiedliche „Beiträge für eine erfolgreiche Zukunft“ auf dem Programm, darunter eine Zukunftswerkstatt OGS, der Gelsenkirchener Energiedialog und eine Zukunftswerkstatt Sport. Dazu zeigt eine Ausstellung die vielen Aktivitäten zum Beispiel der UnternehmensElf, in der sich die Wirtschaft vernetzt hat, oder die Anstrengungen am Klimahafen Gelsenkirchen hin zu mehr Nachhaltigkeit.
Für Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, spielt gerade der Wasserstoff die entscheidende Rolle auf dem Weg zur CO2-Neutralität. Der Klimahafen sei einmalig. „Die Versorgung eines Industriegebiets mit Wasserstoff hat Modellcharakter“, unterstrich er – und müsse deshalb ein Erfolg werden. Ein Selbstläufer ist der Einsatz von Wasserstoff auch in der Pionier-Region Emscher-Lippe nicht: „Unternehmen müssen das leisten können. Das hat mit den Mengen und der Verfügbarkeit zu tun, aber auch mit dem Preis für Wasserstoff.“ Hier setzt Jaeckel auf die Gesetze des Marktes: „Photovoltaik war unbezahlbar, dann stiegen Nachfrage und Produktion“ – und der Preis sank.
Die anstehende Europameisterschaft soll gar zur „nachhaltigsten EM aller Zeiten“ werden, berichtete Moderatorin und IHK-Vizepräsidentin Tatjana Hetfeld. Im Begleitprogramm der Stadt Gelsenkirchen spiegelt sich dies wider, dazu gibt es Angebote rund um Bildung, Sport und Kultur. „Awareness, Respekt und Toleranz“ sind Oberbürgermeisterin Karin Welge wichtig. „Wir sind Verstärker für das Thema Nachhaltigkeit, unsere Botschaft kommt an beim Konsumenten“, begründete Matthias Tillmann, Vorstandsvorsitzender des FC Schalke 04, das Engagement seines Vereins.

Unternehmen nicht überfordern

Auch wenn sich Unternehmerin Beatrix Brand ebenso zu den Zielen der Nachhaltigkeit bekannte, warnte sie davor, Wirtschaft und Gesellschaft zu überfordern. „Es bewegt sich was, wir setzen unter anderem auf Wärmerückgewinnung und Photovoltaik“, erklärte die Geschäftsführerin der August Friedberg GmbH. Für die Schrauben aus Stahl, die hier gefertigt werden, werde auch recyceltes Material genutzt. Doch der Weg zu CO2-neutralem Stahl sei weit und koste Geld, mahnte sie und wünschte sich vor allem eine verlässliche Industriepolitik und Planungssicherheit.
Eine andere Form der Nachhaltigkeit brachte Prof. Bernd Kriegesmann ins Spiel. „Wir müssen an sozialer Nachhaltigkeit arbeiten, an Bildungsgerechtigkeit“, erklärte der Präsident der Westfälischen Hochschule. „Jedem Menschen müssen wir die gleichen Ausgangschancen geben, die er verdient hat.“ Lesen, Schreiben, Rechnen gehörten dazu stärker in die Lehrpläne. Es seien junge Menschen notwendig, die Ingenieure werden wollen und die dafür sorgen, dass Maschinen mit weniger Energieeinsatz und mehr Materialeffizienz laufen: „Das ist nachhaltig“.

Den Menschen eine Perspektive geben

Die Menschen, die dafür gebraucht würden, seien schon hier. „Um sie müssen wir uns kümmern“, meinte Oberbürgermeisterin Welge, die nicht allein auf Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland setzen wollte. Dass Fachkräfte weiterhin gebraucht würden, daran ließ Jaeckel keinen Zweifel. Im IHK-Bezirk Nord-Westfalen habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Marke von einer Million überschritten. „Das ist unglaublich in Zeiten, in denen die Wirtschaft so zu kämpfen hat.“ Beim „Kampf um die Köpfe“ gehe es darum, Menschen an die Region zu binden, ihnen Perspektive zu geben. „Wir brauchen alle Menschen mit ihren Fähigkeiten.“
Doch darüber hinaus benötigt die Wirtschaft auch Platz. So sehr sich Bodo Klimpel, Vorsitzender des Präsidiums der WiN Emscher-Lippe GmbH, über das Planungsrecht für den „newPark“ freute – nach Jahrzehnten wollte er nicht mehr von „new“ sprechen. Mehr Tempo und mehr Unterstützung forderte Garrelt Duin, Regionaldirektor des Regionalverbandes Ruhr. Förderung nach dem Gießkannenprinzip für 53 Kommunen im Ruhrgebiet hielt er für kaum sinnvoll. „Wir müssen Schwerpunkte identifizieren und entsprechend fördern“, forderte er und sprach sich für eine Spezialisierung und „pointierte Förderung“ aus.

Flächen multifunktional nutzen

Eine Förderlücke bestehe in der Altflächensanierung, für die es noch immer keine EU-Mittel gebe. Auch für Prof. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband, ist Fläche ein entscheidendes Zukunftsthema: Angesichts des Bedarfs für Unternehmen, Wohnungen, Kitas, Schulen oder auch den Hochwasserschutz sprach er sich für eine „multifunktionale Flächennutzung“ aus. Das begrünte Dach, die Versickerungsfläche oder Spielplätze und Schulhöfe als Überschwemmungsflächen müssten schon beim Bauen mitgedacht werden.
Dabei ist das „Warten auf Hilfe von außen“ so gar nicht eine Eigenschaft der Emscher-Lippe-Region. Duin war schon in seiner Zeit als NRW-Wirtschaftsminister die „Macherqualität“ aufgefallen. Das Ruhrgebiet sei nur gemeinsam erfolgreich, ergänzte Klimpel, der das berüchtigte „Kirchturmdenken“ längst nicht mehr wahrnehme. Von „Teamplayern“ sprach Schalke-Chef Tillmann.
Sichtbar wird die enge Vernetzung zwischen Unternehmen, Verbänden, der Stadt und dem FC Schalke 04 durch eine Aktion der UnternehmensElf, die ZINQ-Geschäftsführer und IHK-Vizepräsident Lars Baumgürtel und IHK-Standortleiter Dr. Jochen Grütters vorstellten. Mit elf überdimensionalen, individuell von den Unternehmen gestalteten Bällen aus feuerverzinktem Stahl sowie den Bällen des FC Schalke 04 und der Stadt Gelsenkirchen zeigt die Initiative zur EM ihr Gesicht für Gelsenkirchen als kreative, innovative und gastfreundliche Stadt.