Standort & Politik

Grüne Transformation braucht Technologieoffenheit

Durchstarten in die grüne Transformation: Unter dem Motto „Energie- und Antriebstechnologien der Zukunft“ hatten Westfalen AG, Westfalen e.V. und der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) – Landesverband Westfalen, am Montagabend (4. Dezember) zu einem Symposium bei der Westfalen AG nach Münster eingeladen. | Text: Dominik Dopheide
Nur mit Technologieoffenheit sei diese große Herausforderung zu meistern: Diese Prognose wurde mehrfach formuliert und mit dem Appell an die Politik verbunden, mehrere Lösungsansätze zu fördern. So setze etwa die Transportlogistik, neben batterieelektrischem Antrieb, mit Erfolg Biogasmotoren ein, die aber künftig nicht mautbefreit sind. Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, forderte in diesem Zusammenhang ein branchenübergreifendes Bonussystem, das alle Ansätze belohnt, die zur Reduktion von CO2 führen. Er sieht die Transformation als ein großes Reorganisationsprojekt, das erst am Anfang steht. „Ob Mobilität, Industrie oder Wärme im Gebäudesektor – wir werden alle Technologien brauchen“, ist er überzeugt. Konsens in Referaten und Diskussionen war die Einschätzung, dass Wasserstoff im künftigen Energiemix eine große Zukunft hat.
Die Westfalen AG gestaltet mit: Sie plant, gemeinsam mit Kooperationspartnern, eine Elektrolyse-Anlage zur Produktion von grünem H2 in Münster-Amelsbüren. „Das Unternehmen geht den richtigen Weg, weil es sich breit aufstellt, um in einer komplexen Situation gute Lösungen zu finden“, sagte Jaeckel. Er räumte ein, dass der Wandel zur klimaneutralen Wirtschaft mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe vom 15. November einen Dämpfer erhalten hat, da Milliarden Euro Fördermittel zunächst auf Eis liegen. Doch hat das die Aufbruchstimmung im Saal nicht getrübt. Jetzt, so der Tenor, schlage die Stunde der westfälischen Mentalität. „Die Region Westfalen hat noch nie am Tropf der Subventionen gehangen“, erinnert Jaeckel. Ohnehin könne es nicht gelingen, dauerhaft gegen Markt und Preissituation zu subventionieren. „Der Schlüssel, um das Preisproblem alternativer Energien zu überwinden, sind Innovationen“, sagte der IHK-Hauptgeschäftsführer. Die IHK werde die Innovationskraft der Region weiterhin fördern: „Wir motivieren und begeistern, wir bringen Unternehmen, die unterschiedliche Interessen haben, zu Kooperationen zusammen, damit etwas Neues, Unerwartetes entsteht“, erklärt Jaeckel.
Der Schlüssel, um das Preisproblem alternativer Energien zu überwinden, sind Innovationen.

Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen

Plädoyers für Biogas

Die gute Kooperationskultur, insbesondere die Nähe zwischen den Unternehmen und den technischen Hochschulen, mache die Region Westfalen-Lippe stark, betonte auch der Vorsitzende des Westfalen e.V., Manfred Müller. Und Stärke sei erforderlich im Transformationsprozess: „Da kommt etwas ganz Großes auf uns zu, es muss sich ja viel tun, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, sagte er und lenkte den Blick auf den Mobilitätssektor: Niemand wisse genau, wohin die Reise zum Beispiel im Bereich der Nutzfahrzeuge gehe. Einschätzungen aus der Praxis allerdings konnten die Experten auf dem Podium durchaus liefern. Die Lösung sei nicht eindimensional, sondern vielseitig, betonte Dr. Meike Schäffler, Vorstandsmitglied der Westfalen AG. Ihr zufolge könne sich die Branche nicht nur auf wasserstoffbetriebene und Elektro-Fahrzeuge beschränken. „Dogmatismus hilft hier nicht weiter“, betonte sie. Dieselkraftstoff sei noch nicht komplett zu ersetzen, E-Fuels und Bio-Gas seien zukunftsfähige Optionen. Genauso sieht es Andre Stracke, Leiter Mobility, Westfalen AG, der die alternativen Antriebsenergien vorstellte, die das Unternehmen im Portfolio hat.
Demnach ist der batterieelektrische Antrieb auf kürzeren Strecken das Mittel der Wahl. Allerdings wird an Langstrecken-Lösungen gefeilt, bis zu 900 km sollen machbar werden. Bio-LNG ist für den Schwerlast- und Langstreckenverkehr besonders geeignet, während sich Bio-CNG mit Reichweiten von 400 bis 600 km für den Einsatz im Ringverkehr empfiehlt. Weiter kommen Wasserstofffahrzeuge: Mit ca. 1.600 km pro Tankfüllung liegen sie etwa auf dem Level der Bio-LNG-Antriebe. Bis zu 70 H2-Tankstellen will die Westfalen AG vorwiegend in der Region bauen. Dass Biogas-Nutzfahrzeuge mit Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit punkten, konnten Janina Thielmann von der Remondis Sustainable Services GmbH und Heinrich Schorn, Director Transportation bei der FIEGE Logistik Stiftung & Co. KG, bestätigen. Beide Unternehmen zeigen sich auf ihrem Transformationskurs konsequent technologieoffen: Auch Hydrotreated Vegetable Oil (HVO) und Wasserstoff kommen in den Flotten zum Einsatz. Der Elektroantrieb sei infolge der seiner Fahreigenschaften besonders beliebt bei den Mitarbeitenden, berichtet Schorn. Investiert werden muss aber mindestens das Dreifache des Kaufpreises eines LNG-Lkw, nämlich rund 430.000 Euro – bei einer Reichweite von 250 km, wie Schorn berichtet. Der Anschaffungspreis für eine H2-Zugmaschine liege bei ca. 710.000 Euro. Minus Förderung betrage die Summe immer noch 260.000 Euro, zudem sei die Wartung etwa viermal teurer als beim Diesel. Somit sei aktuell der Aufbau einer H2-Flotte für den Großteil der Branche nicht zu stemmen, ist Schorn überzeugt.

H2 aus Amelsbüren

Dass grüner H2 dennoch nicht wegzudenken ist aus einer klimaneutralen Zukunft, machte eine zweite Diskussionsrunde deutlich. Zu Wort kamen die Forschungs-Projektpartner der in Münster-Amelsbüren geplanten Wasserstoff-Produktionsanlage – Westfalen AG, Stadtwerke Münster, Stadtnetze Münster sowie der designierte Ankerkunde, die „Fraunhofer Forschungsfertigung Batteriezelle“. Zuvor hatte Matthias Günnewig über den Sachstand informiert. Für den Geschäftsleiter der Technologieförderung Münster GmbH ist grüner Wasserstoff ein Hoffnungsträger auf dem Weg zu den Klimazielen, der die Technologie-Welt, aber auch die Akteurs-Strukturen in der Energiewirtschaft verändern könne. Günnewig zog eine Parallele zum Epochenwechsel Ende des 19. Jahrhunderts, als elektrische Energie nach und nach Einzug in den Alltag hielt. Andreas Bothe, Regierungspräsident der Bezirksregierung Münster, sicherte den Kooperationspartnern sowie anderen Unternehmen der Region, die den Transformationsprozess der Wirtschaft vorantreiben, die Unterstützung der Behörde zu. „Wir sehen es als unseren Auftrag, belastbare Rahmenbedingungen zu schaffen – jetzt erst recht“, sagte Bothe mit Blick auf das Urteil aus Karlsruhe.