Praxis & Ratgeber

Das Beste aus Azubis rausholen

Tanja Patzer und Nina Belhan sind ein eingespieltes Team. Sie arbeiten dafür, dass die IHK-Abschlussprüfung ein Qualitätsversprechen bleibt – Tanja Patzer ehrenamtlich, Nina Belhan hauptamtlich. | Text: Berthold Stein
Seit elf Jahren prüft Tanja Patzer angehende Technische Produktdesigner, vier davon als Ausschussvorsitzende. Geschätzt rund 100 Prüflingen hat sie seitdem auf den Zahn gefühlt. Eines weiß die Mitarbeiterin beim Maschinenbauunternehmen KTR Systems in Rheine ganz sicher: Es ist gut, dass die Prüferinnen und Prüfer die Berufspraxis aus der täglichen Arbeit in ihren Unternehmen genau kennen. Jeder im Ausschuss bringe eigene Kenntnisse und Erfahrungen in die Prüfungen ein, sagt sie. Das helfe sehr, den Azubis in der praktischen Prüfung gerecht zu werden. „Das Beste aus den Azubis rauskitzeln“, nennt Patzer das.

Aufgeregt wie ein Prüfling

Tanja Patzer (r.), Nina Belhan (l.) und Steffen Tappe
Teamwork: Tanja Patzer (l.) von KTR Systems und Nina Belhan von der IHK arbeiten gemeinsam dafür, dass die IHK-Abschlussprüfung in der Ausbildung ein Qualitätsversprechen bleibt. Davon profitiert auch KTR-Auszubildender Steffen Tappe. © Gerharz/IHK
Tanja Patzer ist Praktikerin. 1991 begann die Rheinenserin ihre Ausbildung, als die Technische Produktdesignerin noch Technische Zeichnerin hieß. Gelernt hat sie am Zeichenbrett mit Millimeterpapier, aber auch schon mit CAD-Programmen. Ihren Ausbilderschein machte sie 2000. Derzeit begleitet sie sechs Azubis auf ihrer ersten Berufsetappe. Wenn sie das nicht tut, schreibt sie technische Dokumentationen und konzipiert Beschriftungen für Hightech-Produkte aus dem Hause KTR und sonstiges im Bereich der hausinternen Normung.
Zum Prüferamt musste sie nicht überredet werden. „Es hat mich einfach interessiert“, sagt die 47-Jährige. An die erste Prüfung 2012 kann sie sich noch gut erinnern. „Ich war so aufgeregt wie die Azubis“, berichtet sie und gibt unumwunden zu, nicht sofort eine gute oder gar perfekte Prüferin gewesen zu sein. Die Sicherheit kam mit den Jahren und dann die Frage, ob sie den Ausschussvorsitz übernehmen möchte.
Sie wollte, auch weil sie von ihrem Vorgänger gut darauf vorbereitet wurde. Mit ihrer Wahl 2019 ist der Zeitaufwand schon deutlich gestiegen. Vier Tage für die Auswertung der schriftlichen Prüfungen in der IHK in Münster, dazu zwei bis drei Tage für Fachgespräche in Unternehmen hat sie schon als einfaches Mitglied eingeplant. Als Vorsitzende muss sie jetzt zudem den Kontakt zu knapp 40 Ausschussmitgliedern halten, Termine für Fachgespräche organisieren, mitunter Auszubildende beruhigen, die sich zu viel Prüfungsdruck machen. Und auch das Klinkenputzen bei Fachkräften, die sich im Prüfungsausschuss gut machen würden, zählt sie jetzt zu ihrer Ehrenamtsbeschreibung. Da lässt es sich nicht vermeiden, dass die Ausschussvorsitzende auch mal am Feierabend gefragt ist.

Freiraum vom Arbeitgeber

Die Prüferaufgaben kann Tanja Patzer aber weitgehend im Arbeitsalltag erledigen. Ihr Arbeitgeber gibt ihr den Raum dafür. Er hat ja auch was davon, sagt die Ausschussvorsitzende. Denn ihr Prüferwissen bringt sie in die Ausbildung der Technischen Produktdesigner ein. Das hilft, eine hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten. „Außerdem ist das auch gut für das Arbeitgeberimage“, sagt Patzer und ist ein bisschen stolz, dass sie mit ihrem Beispiel für andere Kollegen die Tür zum Prüferamt geöffnet hat. KTR-Fachleute sitzen inzwischen auch in den Prüfungsausschüssen für die Berufe Zerspanungsmechaniker, Industriekaufleute und Fachkraft für Lagerlogistik.
„Man lernt mit jeder Prüfung dazu“, sagt Patzer und ergänzt: „Selbstbewusster hat mich die Aufgabe gemacht.“ Vielleicht hat sie sich auch deswegen bereit erklärt, zusätzlich den Vorsitz im Prüfungsausschuss für Technische Systemplaner, Stahl- und Metallbautechnik, zu übernehmen.
„Selbstbewusster hat mich die Aufgabe gemacht.“

Tanja Patzer, KTR Systems

Tanja Patzer ist gerne Prüferin. Das hat auch etwas mit Nina Belhan zu tun. Belhan ist Prüfungskoordinatorin bei der IHK Nord Westfalen und hat vor allem eine Aufgabe: Den Prüferinnen und Prüfern für ihre Arbeit den Rücken freizuhalten. Ausbildungsverträge prüfen, Fragen von Betrieben und Azubis beantworten, Prüfungsanmeldungen checken, Einladungen verschicken, Prüfungsunterlagen zusammenstellen, Räume für Prüfungen und Auswertungssitzungen buchen, Ergebnisse mitteilen, Zeugnisse ausstellen – eine Fülle von administrativen Aufgaben koordiniert Nina Belhan im Hintergrund. Und sie hält den direkten Draht zu Tanja Patzer, wenn es schnell Probleme zu lösen gilt. Der glühte in der Corona-Pandemie besonders häufig, als Krankmeldungen, Absagen, Terminverschiebungen und Schutzanordnungen das Prüfungsgeschäft ordentlich durcheinandergewirbelt haben.

Prüfung hat immer Saison

Die 44-Jährige ist nicht nur für die Technischen Produktdesigner Prüfungskoordinatorin, sondern auch für Technische Systemplaner, Maschinen- und Anlagenführer Textil, Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik sowie Textil- und Modeschneider. Fachwissen im jeweiligen Beruf braucht sie nicht. Wohl aber die Fähigkeit zu organisieren und zu koordinieren. Die Grundlagen dafür hat sie in der IHK gelernt, in der sie Mitte der 1990er-Jahre eine Ausbildung zur Bürokauffrau machte.
„Nach der Prüfung ist vor der Prüfung“, zitiert Nina Belhan ein geflügeltes Wort in der IHK-Prüfungsabteilung und meint damit, dass Prüfungen in Ausbildungsberufen immer Saison haben. Teil 1, früher die Zwischenprüfung, führt die IHK im Frühjahr und Herbst durch. Teil 2, die schriftliche und praktische Abschlussprüfung, im Winter und Sommer. „Da gibt es immer etwas, was geklärt oder auf den Weg gebracht werden muss“, sagt sie.
Ehrenamt und Hauptamt in der IHK
Das Ehrenamt ist eine tragende Säule der Arbeit der IHK Nord Westfalen. Rund 4000 Unternehmer sowie Fach- und Führungskräfte sind in der Selbstverwaltung der nord-westfälischen Wirtschaft engagiert – in der Vollversammlung, in den Regional- und Fachausschüssen und in der Mehrzahl in den Prüfungsausschüssen der Aus- und Weiterbildung. Auch in den Schlichtungsausschüssen zur Beilegung kaufmännischer Streitigkeiten oder zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildungsbetrieben und Auszubildenden sind Vertreter von Unternehmen aus der Region ehrenamtlich tätig. Wie die Zusammenarbeit mit den rund 180 hauptamtlichen IHK-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern funktioniert, darüber berichtet der Wirtschaftsspiegel regelmäßig – diesmal am Beispiel von Prüferin Tanja Patzer von KTR Systems in Rheine und IHK-Prüfungskoordinatorin Nina Belhan.
Informationen zur Prüfertätigkeit gibt es online.

IHK-geprüft – Drei Fakten

  1. 3625 Prüferinnen und Prüfer arbeiteten 2023 ehrenamtlich in 326 IHK-Prüfungsausschüssen der Aus- und Fortbildung mit.
  2. 9022 Ausbildungsabschlussprüfungen und dazu noch rund 4000 Fortbildungs- und AEVO-Prüfungen nahmen die ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfer im vergangenen Jahr ab.
  3. 189 Prüferinnen und Prüfer wurden 2023 in Seminaren zu prüfungsrechtlichen und pädagogischen Themen geschult.