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Prüfungen auf Augenhöhe
Ihre IHK-Prüfung zur Verkehrsleiterin hat sie vor gut sechs Jahren abgelegt. Kurz darauf wechselte Mechtild Potthoff die Seiten: Seitdem nimmt sie selbst ehrenamtlich Prüfungen ab, bringt ihre Expertise ein – und nimmt viel Input mit ins eigene Unternehmen. | Text: Tobias Hertel
Mit ihrem Mann Bernd führt Mechtild Potthoff das mittelständische Transportunternehmen Potthoff in Rosendahl. 150 Beschäftigte sowie 120 Lkw und Betonmischer sind für den Betrieb im Einsatz. Ohne die IHK-geprüfte Verkehrsleiterin geht es nicht in dem Unternehmen – nicht nur, weil diese Funktion gesetzlich vorgeschrieben ist. Mechtild Potthoff war zu der Prüfung angetreten, um ihren Mann von Aufgaben entlasten zu können. Und sie hat dabei ein „Bombenergebnis“ erzielt, betont Moritz Husmann.
Ehren- und Hauptamt arbeiten nicht nur im Prüfungsausschuss gut zusammen: Mechtild Potthoff, Ehemann Bernd Potthoff und Moritz Husmann (l.) schätzen den Austausch zwischen Praxis und Theorie.
© Busch/IHK Nord Westfalen
Besondere Expertise im Lohnbetrieb
Husmann, Teamleiter „Verkehrswirtschaft/-prüfungen“ bei der IHK Nord Westfalen, sprach sie deshalb einige Monate später an, ob sie sich ein ehrenamtliches Engagement im Prüfungsausschuss vorstellen könnte. Ein weiterer Grund dafür war ihre besondere Expertise: „Wir hatten damals kein Mitglied mit Erfahrungen in einem Lohnbetrieb“, berichtet er.
Ein solches landwirtschaftliches Lohnunternehmen führte das Ehepaar Potthoff als weiteren Betriebszweig über viele Jahre hinweg – diese Erfahrung war deshalb hochwillkommen. Denn Verkehrsleiter sind in solchen Betrieben mit zum Teil anderen Fragen als in Logistikunternehmen betraut. Zollformalitäten zum Beispiel spielen hier keine Rolle, dafür aber kaufmännische Themen wie Lohnbuchhaltung und Steuerrecht. Letzteres ist das Spezialgebiet von Potthoff, die selbst auch Steuerberaterin ist.
Für sie war es keine Frage, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Wir brauchen Verkehrsleiter“, unterstreicht sie. Deshalb seien die Prüfungen für diese verantwortungsvolle Position so wichtig. Ob es um Lenk- und Ruhezeiten, technische Vorschriften, Ladungssicherung, Zoll oder Steuern geht, „der Verkehrsleiter ist der erste Ansprechpartner für Genehmigungs- und Kontrollbehörden“, erläutert Husmann. Hier als Unternehmen sattelfest zu sein, sei existenziell: „Denn Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, ergänzt Potthoff.
Zusammenarbeit in der Praxis:
Anspruchsvolle Prüfungen
Entsprechend anspruchsvoll sind die Prüfungen, insgesamt zwei schriftliche und eine mündliche. „Die Fragen gehen zwar nicht so sehr in die Tiefe, es wird aber ein breites Grundwissen abgefragt“, erläutert Husmann. Umfassende Basiskenntnisse werden entsprechend auch vom Prüferteam verlangt. Hier ergänzen sich die theoretischen und praktischen Erfahrungen aus Haupt- und Ehrenamt. „Das Verfahren findet auf Augenhöhe statt“, erklärt Husmann.
Außerdem ist die Beteiligung der Unternehmerinnen und Unternehmer gesetzlich vorgeschrieben. Insgesamt arbeitet Husmann mit elf ehrenamtlichen Ausschussmitgliedern aus dem Güter- und zwölf aus dem Personenverkehr zusammen. Deren inhaltlichen Input will er nicht missen. Sie helfen mit, dass Prüfungsinhalte aktuell und praxisnah bleiben. In die schriftlichen Prüfungen, die die DIHK-Bildungs-GmbH erarbeitet, aber auch in den Katalog der Fragen fürs Mündliche fließt das unternehmerische Wissen des Ehrenamts mit ein.
Austausch auch über Prüfungen hinaus
Der Austausch zwischen Ehren- und Hauptamt beschränkt sich nicht auf die Prüfungen, auch darüber hinaus bleiben beide Seiten im Gespräch. Potthoff berichtet etwa von einem Fall aus ihrem Unternehmen: „Ein Fahrer aus Bosnien-Herzegowina muss nach einem halben Jahr in Deutschland seine Führerscheinprüfung erneut ablegen.“ Die albanische Fahrerlaubnis werde dagegen hierzulande anerkannt – „Frankreich geht bei der Anerkennung von Führerscheinen aus Bosnien und Albanien genau andersherum vor. Das ist in Europa nicht einheitlich geregelt.“
Solche prägnanten Beispiele, die den Unternehmern gerade in Zeiten eines leergefegten Fahrermarktes unter den Nägeln brennen, nimmt die IHK eben nicht nur mit in die Prüfungszimmer – sondern auch nach Berlin, „um politisch ein Brett zu bohren“, so Husmann.
Bis zu drei Prüfereinsätze
Mechtild Potthoff nutzt umgekehrt gerne das „fachliche Update“, das sie aus den Prüfungen mitnimmt. „Da überlege ich mir schon, ob wir alles richtig umsetzen“ – zuletzt zum Beispiel bei der Frage, wie lang Lenk- und Ruhezeiten aufbewahrt werden müssen. Als Prüferin ist sie etwa zwei-, dreimal pro Jahr im Einsatz.
Ich spiele aber auch gern die Feuerwehr, wenn ein anderer Prüfer ausfällt.Mechtild Potthoff
Alles Organisatorische übernimmt das Hauptamt, auch die schriftlichen Tests überprüfen Husmann und seine Kolleginnen von der IHK Nord Westfalen. Nur in seltenen Ausnahmefällen, bei besonders knappen oder unklaren Ergebnissen, korrigiert zusätzlich ein Ehrenamtler. „Weil wir die Unternehmerinnen und Unternehmer im Prüfungsausschuss so weit wie möglich entlasten, schaffen wir es, gute Leute für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen“, ist Husmann überzeugt.
Nah dran am Marktgeschehen
Für die Unternehmerin aus Rosendahl liegt ein Reiz ihrer Tätigkeit nicht zuletzt im Kontakt mit Berufskolleginnen und -kollegen. Der Verkehrsleiterprüfung stellen sich in der Regel gestandene Unternehmerinnen und Unternehmer, leitende Angestellte, aber auch junge Kandidatinnen und Kandidaten, die den elterlichen Betrieb übernehmen wollen. „Da bekomme ich schon viel vom Marktgeschehen mit“, sagt sie.
Mechtild Potthoff bringt ihre Praxis-Erfahrung nicht nur im Prüfungsausschuss mit ein, sondern bildet sich auch selbst praktisch fort: Als nächstes steht die Erneuerung des Lkw-Führerscheins an. Zwar ist dafür eine Weiterbildung, nicht aber ein erneuter Seitenwechsel auf den Stuhl der Kandidatin notwendig – „eine IHK-Prüfung muss ich dafür nicht ablegen“, lacht sie.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel