Praxis & Ratgeber

​​​​​​​Blick in die ASEAN-Länder: Geschäftschancen für deutsche Unternehmen

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Am 20. April 2023 findet in der VELTINS-Arena auf Schalke der NRW-ASEAN Summit 2023 statt. Unternehmen erfahren, wie der Markteinstieg in Südostasien gelingen kann und welche Chancen die Staaten Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam bieten. Wirtschaftsspiegel-Redakteurin Britta Zurstraßen hat aus diesem Anlass ein Interview mit Dr. Tim Philippi geführt. Philippi ist Executive Director der Auslandshandelskammer Singapur.
Wirtschaftsspiegel:
Die ASEAN-Staaten gelten als wichtige Alternative, um die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China zu verringern. So waren Kanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck im November 2022 auf der Asien-Pazifik-Konferenz (APK), um die Bedeutung der Region hervorzuheben. Welche wirtschaftliche Rolle spielen die ASEAN-Staaten und vor allem Singapur denn mittlerweile weltweit?
Dr. Tim Philippi:
Eine sehr wichtige Rolle! ASEAN hatte zwischen 2012 und 2022 eine durchschnittliche jährliche BIP-Wachstumsrate von über vier Prozent und mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 670 Millionen Einwohnern liegt das BIP der ASEAN heute bei über drei Billionen US-Dollar. Wenn wir ASEAN als eine Einheit betrachten, ist sie die drittgrößte Volkswirtschaft in Asien und die fünftgrößte der Welt nach den USA, China, Japan und Deutschland. Dementsprechend spielen die ASEAN-Staaten und Singapur als der Hub ASEANs weltweit eine große wirtschaftliche Rolle. Singapur ist eines der Gründungsmitglieder der ASEAN. Der Stadtstaat ist seit langem für seine wirtschaftliche Stabilität und sein unternehmensfreundliches Umfeld bekannt, was ihn zu einem strategischen Tor für Mittelständler und multinationale Unternehmen macht, wenn diese ihre Position in der ASEAN-Region aufbauen oder stärken wollen. Mit einem erstaunlichen BIP pro Kopf von über 75.000 US-Dollar im Jahr 2022 ist Singapur zudem eine der am weitesten entwickelten Volkswirtschaften der Welt.
Wirtschaftsspiegel:
Welche Bedeutung hat Deutschland, haben deutsche Unternehmen und Produkte „Made in Germany“ in Singapur generell?
Philippi:
Heute sind über 2000 deutsche Firmen in Singapur tätig, darunter namhafte Großunternehmen wie Siemens, BASF, Deutsche Bank, Continental und Bosch, aber auch viele Mittelständler wie HIMA, ZwickRoell, Reifenhäuser oder Hengst. Sie haben den Stadtstaat als regionale Basis genutzt, um in andere südostasiatische Märkte zu expandieren. Deutsche Unternehmen sind besonders von der strategischen Lage Singapurs, der guten Erreichbarkeit der Region, und dem stabilen politischen und unternehmensfreundlichen Umfeld überzeugt.
Wirtschaftsspiegel:
Singapur galt immer als Sprungbrett für die ASEAN-Staaten: Gilt das auch weiterhin und wie kann der Markteinstieg in Singapur gelingen?
Philippi:
Ganz klar ist Singapur das Sprungbrett für ASEAN! Dies lässt sich auf mehrere Standorteigenschaften zurückführen. Strategische Lage und Infrastruktur: Singapur hat sich seine vorteilhafte geografische Lage zunutze gemacht und ist zu einem der wichtigsten Handels- und Verkehrsknotenpunkte der Welt geworden. Singapur verfügt über eine hervorragende Anbindung und Nähe zu den großen asiatischen Volkswirtschaften. Und der Flughafen Changi Airport erhält jährlich sogar mehrere Auszeichnungen als bester Flughafen der Welt. Außerdem hat Singapur den zweitgrößten Hafen der Welt, mit weitreichenden Verbindungen.
Wirtschaftsspiegel:
Welche Chancen bieten die ASEAN-Staaten für die hiesigen Unternehmen. Gibt es Branchen, die zurzeit und künftig besonders von Beziehungen zu Singapur profitieren können?
Philippi:
Die ASEAN-Staaten zeichnen sich durch wirtschaftliche Stärke, regionale Arbeitsteilung, und den großen Verbrauchermarkt aus. Dies ist für deutsche Unternehmen interessant.
In diesem Kontext spielt Singapur ebenfalls als Drehscheibe für Investitionen und Handel sowie als Anbieter eine herausragende Rolle. Vielversprechende Sektoren der Zukunft in Singapur sind: Automatisierung und Produktionstechnologie zur Verbesserung der Produktivität in der Industrie (Industrie 4.0), Smart City Development, Green City und Urban Solutions. Überdies innovative Projekte hinsichtlich autonomen Fahrens, E-Mobility, Smart Logistics, Public Transport, Sustainability, nachhaltige Energie & Energieeffizienz, sowie Recycling und Urban Farming.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass jedes Unternehmen seine eigenen Bedürfnisse und Anforderungen hat, wenn es darum geht, in die ASEAN-Staaten zu expandieren. Eine gründliche Marktforschung und eine sorgfältige Planung sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Geschäftstätigkeit in der Region erfolgreich ist. Da kommen dann die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) ins Spiel, die in den Ländern entsprechende Dienstleistungen anbieten.
Wirtschaftsspiegel:
Und welche Mehrwerte bietet Singapur? Sollten deutsche Unternehmen auch auf Know-how aus Singapur setzen?
Philippi:
Singapur zeichnet sich durch hochqualifizierte Arbeitskräfte aus, von denen mehr als 30 Prozent über einen Hochschulabschluss verfügen. Die Tatsache, dass in Singapur alle Englisch sprechen, und somit sämtliche Geschäftsabläufe auf Englisch stattfinden, beseitigt sprachliche Barrieren und ist daher ein großer Standortvorteil gegenüber manch anderen asiatischen Ländern. Mit fast 1,5 Millionen ausländischen Arbeitskräften, bietet sich zudem die Möglichkeit, Spezialisten aus Deutschland und anderen Ländern hinzuzuziehen. Allerdings: Löhne, Mieten und Lebenshaltungskosten sind hoch. Und selbst wenn es ausgezeichnete Fachkräfte vor Ort gibt, bestimmte Experten sind auch hier manchmal rar.
Wichtig ist überdies, dass sich Unternehmen aus Deutschland, die sich in Singapur niederlassen, in einem Land mit einem ausgesprochen dynamischen und innovativen Umfeld bewegen. Sei es beim Entwickeln neuer Ideen, oder beim Umsetzen neuester Trends. Singapur ist ein „Living Laboratory“, und will immer einen Schritt voraus zu sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. Und das ist vor allem für Mittelständler eine große Chance, sich in Asien schnell weiterzuentwickeln und von hier zu wachsen.
Wirtschaftsspiegel:
Wie sieht das Unterstützungsprogramm der Auslandshandelskammer in Singapur für Unternehmen aus?
Philippi:
Wir bereiten die Unternehmen vor, wir begleiten sie, und wir helfen, wenn es einmal schwierig wird. Gerade für mittelständische Unternehmen können unsere guten Kontakte vor Ort von großem Nutzen sein, etwa wenn es darum geht, geeignete Geschäftspartner und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Unternehmen zu finden. Oft nachgefragt werden auch individuelle Marktstudien zu bestimmten Sektoren und Ländern. Und dabei hilft uns auch unsere gute Vernetzung mit unseren AHK-Kolleginnen und Kollegen aus der Region. Wir arbeiten eng zusammen, sei es bei Marktstudien, Delegationsreisen oder sonstigen Dienstleistungen.
Wirtschaftsspiegel:
Welchen Mehrwert versprechen Sie sich vom NRW-ASEAN Summit, der am 20. April in Gelsenkirchen stattfindet und was bietet das Event für deutsche Unternehmen?
Philippi:
Der Mehrwert ist offensichtlich: Unternehmen, Spezialisten, Fachleute und meine Kolleginnen und Kollegen der AHKs aus der Region sind alle in Gelsenkirchen vor Ort. Man kann direkt miteinander sprechen, ohne jegliche Umwege, Informationen aus erster Hand!

Markteinschätzung von Dr. Tim Philippi (Executive Director, AHK Singapur)

Informationen zu Singapur

Einbindung in die Weltwirtschaft

Singapur verfügt über das umfangreichste Netz von Freihandelsabkommen in Asien und über ein breites Netz von mehr als 25 Freihandelsabkommen weltweit. Unternehmen, die ihren internationalen Hauptsitz hier ansiedeln, profitieren zudem von Singapurs Netz aus über 80 umfassenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Politische und wirtschaftliche Stabilität

Singapur gilt als eines der politisch stabilsten Länder in Asien, dessen effiziente Verwaltung, Abwesenheit von Korruption und starke Rechtsstaatlichkeit international anerkannt sind.