IHK-Nachhaltigkeitsforum

Ökologie zahlt sich aus

In Nachhaltigkeit zu investieren, zahlt sich aus: „Neun von zehn unserer Maßnahmen haben sowohl einen ökologischen als auch einen ökonomischen Vorteil“, rechnete Dr. Günter Schweitzer von Schmitz Cargobull beim Forum „Nachhaltigkeit durch Innovation“ vor. (von Tobias Hertel)
Das Vorstandsmitglied ist beim Hersteller von Aufliegern und Anhängern aus Altenberge für Nachhaltigkeit zuständig. Er hatte einige Beispiele dafür mit ins IHK-Bildungszentrum nach Münster mitgebracht, wie sein Unternehmen mit dem Thema umgeht. So entwickelte Schmitz Cargobull einen Kühlanhänger, bei dem ein vollelektrisches Kühlgerät das Dieselaggregat ersetzt. „Die Batterie wird während der Fahrt aufgeladen“, berichtete er. Dafür gab es schon den „Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte“. Auch aerodynamische Trailer helfen, Sprit zu sparen. Die einfachste Lösung sei es, ganz einfach zwei Anhänger hinter eine Zugmaschine zu spannen. „In Skandinavien und Spanien ist das zugelassen, in Deutschland nicht“ – eine Frage der Regulatorik also.

Wirtschaft steht hinter Nachhaltigkeitszielen

Über Politik und ihre Vorgaben wurde folglich auch gesprochen beim Nachhaltigkeitsforum, das die IHK Nord Westfalen gemeinsam mit der Handwerkskammer Münster sowie den Wirtschaftsförderungen der Stadt Münster und des Kreises Borken organisiert hatte. „Die regionale Wirtschaft steht hinter den umfassenden Nachhaltigkeitszielen“, unterstrich IHK-Präsident Dr. Benedikt Hüffer.
Ökologische Nachhaltigkeit könne aber nicht losgelöst gesehen werden von ökonomischer Nachhaltigkeit, gerade in der aktuell schwachen Konjunkturlage. Zu einem durchschlagenden Erfolg könne der Ökologie hierzulande nur eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft verhelfen, mahnte er. Für eine Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft bräuchten die Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen „und nicht zusätzliche bürokratische Berichtspflichten“.

„Die Industrie mal machen lassen”

Von passenden Rahmenbedingungen sprach auch Dr. Schweitzer, eine „sinnvolle und faire CO2-Besteuerung“ gehört für ihn dazu. Und „dann sollte man den Markt und die Industrie mal machen lassen“. Für Schmitz Cargobull sei das klare Ziel definiert worden: „Wir wollen in unserer Branche eine führende Rolle in Sachen Nachhaltigkeit spielen.“ Die Einstellung: Es ist an der Zeit, etwas zu tun, sich der Verantwortung angesichts steigender CO2-Emissionen im Bereich schwerer Nutzfahrzeuge zu stellen. Dazu braucht es Erfindungsgeist und Innovation. „Das kriegen wir hin“, zeigte er sich optimistisch und fügte hinzu: „Wenn nicht wir, wer denn dann?“
Das Publikum verfolgte interessiert die Ausführungen der Referenten auf dem IHK-Nachhaltigkeitsforum. © Busch/IHK
Dass es Unternehmen hinkriegen, dafür gibt eine Fülle von Beispielen. Diese Praxis-Impulse standen im Mittelpunkt des Forums. Wolfgang Büscher vom Betonwerk Büscher zum Beispiel wandelt Bauschutt in neue Betonfertigteile um. Abbruchmaterial kann dabei Naturstein komplett ersetzen. Acht Jahre forschte das Unternehmen, ein erstes Mehrfamilien-Recyclinghaus steht zu Demonstrationszwecken in Heek. Sollte dieses eines Tages abgerissen werden, könnte daraus ein neues Haus gebaut werden. „Multirecycling“ nannte Büscher das, „Bauschutt wird der Baustoff der Zukunft“.

Eine Millionen Liter Wasser gespart

Petra Buschbacher von der GEA Westfalia Separator aus Oelde stellte eine „Water Saving Unit“ für die Motorkühlung vor. 2,5 Liter Frischwasser würden üblicherweise zur Kühlung benötigt – pro Minute. Der Spezialist für Zentrifugen und Trenntechnik entwickelte eine Zusatzeinheit, die ohne Frischwasser auskommt. Dadurch wiederum entfallen die Kosten fürs Abwasser. „Einer unserer Kunden, eine Privatmolkerei, spart mehr als eine Millionen Liter Wasser pro Jahr ein“, berichtete sie.
Eine große Rolle bei der Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft kommt der Forschung zu. Auch hier gab es Erfolge zu vermelden. Die Leistung von Batterien und Akkus zum Beispiel leidet unter extrem hohen oder niedrigeren Temperaturen. E-Lyte Innovations aus Münster, eine Ausgründung aus dem Batterieforschungszentrum MEET, sucht und findet Wege, das zu ändern. Den Grund für die schwache Performance sieht Dr. Joshua Helmer in den in Batterien verbauten Standard-Elektrolyten. Denn eigentlich gebe es keine Universallösung. „Die Einsatzbedingungen sind für jede Batterie anders. Deshalb entwickeln und produzieren wir für jedes Energiespeichersystem den passenden Elektrolyten“, erläuterte er. Wie unterschiedlich die Anforderungen sind, ließ sich an einer Zahl ablesen: Schon 1.500 Elektrolyt-Rezepturen sind bei E-Lyte zusammengekommen.

Mitarbeiter von Routine entlasten

Doch was braucht es für ein innovatives Klima? Prof. Markus G. Schwering vom Institut für Technische Betriebswirtschaft der FH Münster sah es als eine der wichtigsten Voraussetzungen an, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den notwendigen Freiraum zu geben. „Entlasten Sie sie von Routinen“, appellierte er. Dann könnten Unternehmen über das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich zu neuen Geschäftsmodellen wie auch zu kleinen und großen Innovationen kommen.
Dabei war für die Flender Group in Bocholt zunächst der Plan, an die Börse zu gehen, der Auslöser, sich systematischer mit der Nachhaltigkeit des Unternehmens auseinanderzusetzen.  Das betonte CEO Andreas Evertz in einer Diskussionsrunde. Als Ziel für die angestrebte Zertifizierung nach EcoVadis wurde eine Gold-Medaille vorgegeben. „Das hat die Mitarbeiter motiviert“, erklärte er. „Und es hat sie sehr stolz gemacht“, als das Ziel erreicht wurde. Ihm ist wichtig, die Beschäftigten einzubinden und Initiativen für Nachhaltigkeit transparent zu machen. Einen Antrieb zu entwickeln, der 1,5 Prozent Strom spart, höre sich nach wenig an. „Aufs Jahr gerechnet entspricht das 700 Vierpersonen-Haushalten“, stellte er fest – was schon beeindruckender klingt.

Nachhaltigkeit als Selbsterfahrung

Auf flache Hierarchien setzt Hase Bikes aus Waltrop, ausgezeichnet mit dem Nachhaltigkeitspreis des Handwerks im Kreis Recklinghausen. „Wir übertragen unseren 100 Mitarbeitern sehr viel Verantwortung“, erklärte Kirsten Hase. Durch pfiffige Ideen versucht der Hersteller von Spezial- und Lastenfahrrädern auch, die Kunden vom Gedanken der Nachhaltigkeit zu überzeugen. Mit „Pino statt Pkw“ hatte Kirsten Hase die „Waltroper Selbsterfahrungs-Wochen“ überschrieben, mit denen sie den Beweis antreten wollte: Ein E-Bike kann, zumindest in der Stadt, ein Auto ersetzen. Die Teilnehmer probierten es, sie bekamen für drei Wochen den Pino und gaben für diesen Zeitraum ihre Autoschlüssel ab.
Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur eine Option – sie ist ein Muss, verdeutlichte der Innovationsforscher Prof. Schwering. Nicht nur, weil die Politik es vorgibt, auch weil Krisen Schritte zu mehr Nachhaltigkeit erfordern, die Kunden und Geschäftspartner sie erwarten und junge Nachwuchskräfte sie einfordern. Er empfahl auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft, kleinteilige Verbesserungen zu erzielen: Ein wenig mehr Ressourcen-, Energie- oder Lieferketteneffizienz erzielten schon Wirkung. Das gilt nicht nur für Konzerne. Handwerkskammer-Präsident Hans Hund sah in den vielen Praxis-Beispielen des Nachhaltigkeitsforums ohnehin den Beleg dafür, dass nicht nur die Großen Innovation vorantreiben: „Es sind gerade kleine Betriebe, die Mut haben und Chancen nutzen.“