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Karriere mit Ausbildung starten
Wer sich für eine betriebliche Ausbildung entscheidet, dem stehen viele Karrierewege offen, sagt Stefan Brüggemann. Im Interview spricht der Leiter der Abteilung Berufsbildung bei der IHK Nord Westfalen über Jobchancen, Verdienstmöglichkeiten und über die Lage auf dem Ausbildungsmarkt.
Ausbildung oder Studium? Das fragen sich viele Schulabgänger. Was spricht für eine Ausbildung?
Stefan Brüggemann: Eine Ausbildung bietet jungen Menschen feste Strukturen und ein verlässliches Umfeld beim Berufsstart. Sie ermöglicht praktische Mitarbeit und wird mit einer Ausbildungsvergütung entlohnt. Ausbildung und Studium sollten aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beide Bildungswege sind wichtig. Schulabgänger sollten ihre Entscheidung auf Basis ihrer Interessen und Stärken treffen. Sie sollten dabei wissen, dass für leistungsbereite Azubis eine verkürzte Ausbildung möglich ist. Und sie sollten die Möglichkeit kennen, Ausbildung und Studium in einem dualen Studium zu verbinden. Viele Unternehmen in der Region bieten das an.
© IHK Nord Westfalen
Wie ist allgemein die Lage auf dem Ausbildungsmarkt?
Brüggemann: Für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, sind die Chancen ausgezeichnet: Auf 100 Ausbildungsplätze kommen im Münsterland aktuell 70 Bewerberinnen und Bewerber. Für Betriebe ist die Situation eine Herausforderung. Sie können nicht alle Stellen besetzen. Wir stellen aber fest, dass die betriebliche Ausbildung wieder beliebter wird. 2023 wurden bundesweit knapp eine halbe Million Ausbildungsverträge neu abgeschlossen – ein Plus drei Prozent im Vergleich zum Jahr davor.
Heute sind kreative Ansätze gefragt, um Jugendliche für eine Ausbildung zu begeistern. Was sollen Unternehmen also tun?
Brüggemann: Es ist wichtig, direkt auf die Jugendlichen zuzugehen und dort präsent zu sein, wo sie sich aufhalten. Wir initiieren darum Partnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen für die Berufsorientierung und zum Kennenlernen. Wir organisieren auch den Einsatz von Ausbildungsbotschaftern. Das sind Azubis von Unternehmen aus der Region, die vor Schulklassen aus erster Hand berichten, was Ausbildung bedeutet. Zudem unterstützt die IHK Betriebe mit der bundesweiten Kampagne Jetzt #könnenlernen. Auf TikTok geben dabei Azubis zum Beispiel Einblicke in ihren Arbeitsalltag und stellen ihre Berufe vor. Es geht darum, das „Lebensgefühl Ausbildung“ zu vermitteln.
© kucherav/AdobeStock
Brüggemann: Die kaufmännischen Ausbildungsberufe für Büromanagement, Einzelhandel und Industrie stehen nach wie vor hoch im Kurs. Aber auch Fachinformatiker und Kfz-Mechatroniker sind bei Jugendlichen beliebt. Ich kann Schulabgängern nur empfehlen, sich auch mal weniger bekannte Ausbildungsberufe anzuschauen. Hier bieten sich oft die größeren Aufstiegs- und Entwicklungschancen.
In welchem Bereichen gibt es nach wie vor großen Bedarf?
Brüggemann: In Hotellerie, Gastronomie, Logistik, Einzelhandel und besonders im Transportgewerbe ist der Bewerbermangel besonders groß. Tatsächlich melden aber alle Branchen großen Bedarf. Wer sich jetzt kurzentschlossen für einen Ausbildungsplatz bewirbt, hat darum sehr gute Erfolgschancen. In der IHK-Lehrstellenbörse gibt es aktuell viele offene Ausbildungsplatzangebote.
Arbeitsplatzsicherheit und Übernahmechancen sind wichtige Kriterien bei der Berufswahl. Wie sieht es damit aktuell für Azubis aus?
Brüggemann: Die Übernahmechancen sind sehr gut. Denn Unternehmen bilden ja gerade deswegen aus, um Fachkräfte zu gewinnen. Drei Viertel aller Auszubildenden erhalten ein Übernahmeangebot. Aufgrund der guten Marktlage entscheiden sich einige davon für einen Wechsel des Arbeitgebers oder beginnen ein Studium. Mit einer Berufsausbildung stehen jungen Menschen viele Wege offen.
Brüggemann: Die Ausbildungsvergütung ist berufsübergreifend in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Sie liegt im ersten Ausbildungsjahr durchschnittlich bei 1.066 Euro brutto im Monat. In vielen Berufen werden sogar höhere Ausbildungsvergütungen gezahlt. Immer mehr Arbeitgeber locken zudem mit Zusatzleistungen – mit Smartphones, Laptops oder sogar Prämien.
Der Fachkräftemangel hat die Position von betrieblich Ausgebildeten bei Gehaltsverhandlungen spürbar gestärkt. Und wer nach der Ausbildung eine Fortbildung zum Beispiel zum Fachwirt oder Industriemeister anschließt, erarbeitet sich Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, die sich nicht hinter denen eines Studiums zurückstehen. Laut einer bundesweiten Umfrage lohnt sich die Fortbildung für die meisten Absolventen finanziell: Drei von fünf Absolventen, die durch die Weiterbildung finanzielle Verbesserungen erfahren haben, konnten ihr Brutto-Monatsgehalt um mindestens 500 Euro steigern, ein Viertel davon sogar um 1.000 Euro oder mehr.
Anmerkung: Das Interview ist zuerst erschienen in den Westfälischen Nachrichten von Sa., 7. September 2024.
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