Praxis & Ratgeber

Digital Service Act

Das Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act, DSA) ergänzt und aktualisiert seit November 2022 die E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG). Das Gesetz sieht einheitliche Regeln zu Sorgfaltspflichten und Haftungsausschlüssen für Vermittlungsdienste (wie etwa Online-Plattformen) in der EU vor und soll damit zu einem sicheren, vorhersehbaren und vertrauenswürdigen Online-Umfeld und einem reibungslosen Funktionieren des EU-Binnenmarktes für Vermittlungsdienste beitragen.

Anwendungsbereich

Der DSA gilt für Anbieter folgender Dienste:
  • reine Durchleitungsdienste, wie zum Beispiel Internet-Austauschknoten, Wireless Access Points (drahtlose Zugangspunkte), virtuelle private Netze und DNS-Dienste,
  • Caching-Dienste wie zum Beispiel Content Delivery Networks, Reverse Proxies und Content Adaptation Proxies,
  • Hosting-Dienste wie zum Beispiel Cloud Computing und Webhosting,
  • Online-Plattformen wie zum Beispiel soziale Netzwerke und Online-Marktplätze
und
  • Online-Suchmaschinen.
Zudem müssen die Dienstleister eine wesentliche Verbindung zur EU vorweisen. Eine wesentliche Verbindung ist anzunehmen, wenn
  • der Dienstleister über eine Niederlassung in der EU verfügt.
  • die Zahl von Nutzern des Dienstes in einem oder mehreren Mitgliedstaaten im Verhältnis zu dessen oder deren Bevölkerung erheblich ist.
  • der Dienstleister seine Tätigkeiten auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten ausgerichtet hat.
Soweit eine lediglich technische Zugänglichkeit einer Website in der EU vorliegt, genügt dies nicht als Indiz für eine wesentliche Verbindung.

Regulierungssystem

Das Regulierungssystem des DSA teilt sich in allgemeine und besondere Pflichten ein. Allen Vermittlungsdiensten gegenüber gelten die in Art. 11 bis 15 festgelegten allgemeinen Pflichten. Der allgemeine Pflichtenkatalog wird je nach Art und Klassifizierung des jeweiligen Vermittlungsdienstes durch spezifische Pflichten ergänzt.
Die besonderen Pflichten für Hosting-Dienste finden sich in Art. 16 bis 18, die für Online-Plattformen in Art. 19 bis 32. Darüber hinaus werden Anbietern von sehr großen Online-Plattformen (engl.: very large online platform, VLOP) und sehr großen Online-Suchmaschinen (engl.: very large online search engine, VLOSE) mit jeweils mehr als 45 Millionen durchschnittlich monatlich aktiven Nutzern in der EU zusätzliche weitreichende Pflichten auferlegt, vgl. Art. 33 bis 43.

Haftungsfreistellungen

In den Art. 4 bis 10 wurden die aus der E-Commerce-Richtlinie bekannten Haftungsfreistellungen hinsichtlich der Haftung für rechtswidrige Inhalte übernommen und aktualisiert.
Hände liegen auf einem Laptop. Darüber sieht man Icons von Dokumenten abgebildet.
© Song_about_summer/AdobeStock
Das Konzept des Melde- und Abhilfeverfahrens bleibt erhalten. Unter einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne des DSA fallen sämtliche Informationen und Tätigkeiten, die nicht im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedstaates stehen. Jeder Dienstleister ist selbst dafür verantwortlich, zu beurteilen, ob ein Inhalt als rechtswidrig zu qualifizieren ist oder nicht. Darüber hinaus wird den Dienstleistern jedoch keine Pflicht auferlegt, Inhalte proaktiv auf deren Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. Art. 8).
Nach Art. 7 (sog. „Good Samaritan“-Klausel) tritt nun auch eine neue Regelung hinzu. Danach schließen freiwillige, auf Eigeninitiative veranlasste Untersuchungen oder andere Maßnahmen, die auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften abzielen, die Haftungsprivilegien eines Dienstleisters nicht aus. Soweit Online-Plattformen Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Unternehmen ermöglichen, ist zudem der Privilegierungsausschluss nach Art. 6 Abs. 3 zu beachten. Hierbei muss bei einem durchschnittlichen Verbraucher der Eindruck erweckt werden, dass das Produkt oder die Dienstleistung entweder vom Anbieter selbst oder von einem Unternehmer, der unter seiner Kontrolle handelt, bereitgestellt wurde.

Sorgfaltspflichten im Überblick

Allgemeine Pflichten

  • Nach Art. 11 und 12 sind sämtliche Vermittlungsdienste dazu verpflichtet, eine zentrale elektronische Kontaktstelle für die Kommunikation mit nationalen und europäischen Behörden bzw. Gerichten sowie Nutzern zu benennen.
  • Vermittlungsdienste, die in einem Drittstaat ansässig sind, haben zudem nach Art. 13 einen gesetzlichen Vertreter in einem der Mitgliedstaaten, in denen sie ihre Dienste anbieten, zu bestimmen.
  • In Art. 14 finden sich Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Danach müssen die AGB insbesondere Angaben zu allen Leitlinien, Verfahren, Maßnahmen und Anwendungen enthalten, die zur Moderation von Inhalten eingesetzt werden. Des Weiteren muss auch das jeweilige Beschwerdemanagementsystem sowie die Möglichkeit, die Nutzung des Dienstes zu beenden, in die AGB mitaufgenommen werden.
  • Nach Art. 15 Abs. 1 müssen alle Vermittlungsdienstleister einmal jährlich in öffentlich zugänglicher Weise über die Inhaltsmoderation Bericht erstatten. Hiervon ausgenommen sind gemäß Art. 15 Abs. 2 Kleinst- und Kleinunternehmer.

Besondere Pflichten

  • Hosting-Anbieter sind nach Art. 16 zur Einrichtung eines zugänglichen und benutzerfreundlichen elektronischen Melde- und Abhilfeverfahren verpflichtet. Zum einen soll es Dienstleistern dabei ermöglicht werden, die gemeldeten Inhalte einer Prüfung zu unterziehen und zum anderen müssen Hosting-Anbieter die Nutzer unverzüglich über ihre zu begründende Entscheidung informieren sowie die betreffenden Inhalte gegebenenfalls den zuständigen Strafverfolgungsbehörden melden.
  • Art. 21 verlangt von Online-Plattformanbietern ein internes Beschwerdemanagementsystem einzurichten, das den Nutzern ermöglichen soll, Entscheidungen und Maßnahmen des Anbieters zu beanstanden. Hierfür müssen qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt werden, um sich der Überprüfung einer Beschwerde anzunehmen und die getroffene Entscheidung auch zu begründen. Daher ist ein rein automatisiertes Überprüfungsverfahren als unzulässig anzusehen. Darüber hinaus besteht die Pflicht, eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle zu benennen.
  • Nach Art. 25 ist die Gestaltung von irreführenden Benutzeroberflächen verboten, da eine autonome und informierte Entscheidung der Nutzer dann nicht mehr möglich ist bzw. verhindert wird. Beispielsweise zählen darunter verdeckte Abonnements oder unklare Opt-Out-Optionen.
  • Online-Plattformen, die sich der Online-Werbung bedienen, müssen ihren Nutzern Informationen über die Parameter zugänglich machen, die entscheidend zur Auswahl der Werbung für den jeweiligen Nutzer sind, vgl. Art. 26.
  • Online-Plattformen, die einen Marktplatz für Nutzer und Unternehmen bieten, müssen die Voraussetzungen nach Art. 30 erfüllen, um die Vertragsanbahnung zwischen Nutzern und Unternehmern vertrauenswürdiger und sicherer zu gestalten.
  • Die Art. 33 ff. befassen sich mit den besonderen Pflichten von VLOPs und VLOSEs, worunter eine jährliche Risikobewertung, Maßnahmen zur Risikominderung, regelmäßige Compliance-Prüfungen sowie die Einrichtung einer Compliance-Abteilung fallen.

Ausnahme für Kleinst- und Kleinunternehmer

Ein Paragrafenzeichen hebt sich rosa von einem rosanen Hintergrund ab.
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Kleinst- und Kleinunternehmer mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro sind von den Pflichten in den Abschnitten 3 und 4 (Art. 20 bis 32) größtenteils ausgenommen. Dies betrifft insbesondere die Transparenzberichtspflichten. Diese Ausnahme gilt nicht, wenn Unternehmen trotz ihrer geringen Größe als Anbieter von VLOPs oder VLOSEs eingestuft werden, vgl. Art. 19 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 2.

Durchsetzung des DSA

Die Mitgliedstaaten haben bis 17. Februar 2024 Zeit, einen Koordinator für digitale Dienste als zuständige Behörde zur Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung der DSA zu ernennen. Die zuständige Behörde für VLOPs und VLOSEs ist die Europäische Kommission selbst. Aber auch eine privatrechtliche Durchsetzung ist im Hinblick auf die Anforderungen des DSA an die AGB der Dienstleister im Rahmen einer national-rechtlichen AGB-Kontrolle denkbar.
IHK-Ansprechpartner ist Monika Santamaria, Tel. 0251 707-299, E-Mail: monika.santamaria@ihk-nordwestfalen.de