Praxis & Ratgeber

CBAM: Start mit Hindernissen

Welche  Angaben zu CO₂-Emissionen sollen Unternehmen bei Importwaren aus Drittländern angeben? Die ersten sogenannten CBAM-Berichte haben bei den betroffenen Betrieben einen extrem hohen Arbeitsaufwand verursacht. | Text: Melanie Rübartsch
Und täglich grüßt das Murmeltier. Bei dem Versuch, die gewünschten Daten für den aktuellen CBAM-Bericht in die vorgegebene elektronische Maske einzutragen, erschien wieder und wieder dieselbe Fehlermeldung. Eine nähere Erläuterung blieb aus. Irgendwann gab Gabriele Schmidtke auf. Die 60-Jährige ist bei dem Emsdettener Sanitär- und Installationsspezialist TECE für alle regulatorischen Fragen rund um Zoll und Außenhandel zuständig. Zugleich ist sie seit Mitte vergangenen Jahres Ansprechpartnerin für die Umsetzung des neuen EU-Grenzausgleichsmechanismus CBAM im Unternehmen. CBAM steht für Carbon Border Adjustment Mechanism (Mechanismus zur Anpassung des Kohlenstoffgrenzwertes). Unternehmen, die emissionsintensive Waren in die EU importieren, sind ab 2026 verpflichtet, CBAM-Zertifikate zu erwerben (siehe Infokasten). Bereits jetzt müssen sie vierteljährlich einen Bericht darüber abgeben, in welchem Umfang sie betroffene Waren aus Drittländern importieren und welche Emissionen damit verbunden sind.

Regeln vereinfachen 

„Vereinfachte Regeln und bessere Anleitungen würden helfen, diese Berichte zur Transparenz zu erstellen“, wünscht sich Schmidtke. Bei TECE sind rund 20 Produkte CBAM-berichtspflichtig. Dazu zählen etwa metallene Verbindungsstücke, die die Tochter in China produziert. „Wir haben relativ schnell, nachdem wir von der Verordnung erfahren haben, eine Projektgruppe aus Einkauf, Zoll und IT gebildet“, berichtet sie. Zwischen Verabschiedung im Sommer 2023 und Inkrafttreten blieb indes nicht viel Zeit. Hinzu kam: Dass in Deutschland die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHST) für CBAM zuständig sein soll, wurde erst kurz vor Abgabe des ersten Quartalsberichts Mitte Dezember bekannt gegeben.  
„In der Umsetzung haben wir dann gemerkt, dass das EU-Meldeportal bislang alles andere als ausgereift für diese Aufgabe ist“, so Schmidtke. Bei einigen abgefragten Daten war ihr nicht klar, was konkret eingetragen werden soll. Oder es war nicht möglich, die konkrete Produktkombination richtig abzubilden. „Für den ersten Bericht habe ich schließlich nach dem Prinzip Trial and Error gehandelt, um überhaupt eine Meldung abgeben zu können“, erinnert sich die Referentin für Außenhandel.  

Ziel wichtig, Weg kompliziert 

Der Tenor ist bei vielen Unternehmen gleich: Das Ziel, CO2 Emissionen global zu verringern, ist wichtig. Der Weg, den die EU mit der CBAM-Regulatorik gerade einschlägt, aber ineffizient und zu bürokratielastig. „Insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe stehen Aufwand und Wirkung nicht im Verhältnis“, meint Gerhard Laudwein, Abteilungsleiter International bei der IHK Nord Westfalen. So umfasst der CBAM-Bericht zum Beispiel pro Produkt 200 Datenfelder. „Erfasst werden damit Importe, für die zum Teil später noch nicht einmal ein dreistelliger Eurobetrag im Quartal an Ausgleichszertifikaten fällig würde.“  

Meldegrenze anheben 

Regelmäßig trägt der IHK-Spitzenverband DIHK über Gespräche und Positionspapiere Forderungen nach Erleichterung an die EU heran. Neben einer Entbürokratisierung des Prozesses und Verbesserung der IT  gehört die Anhebung des Schwellenwerts für die Meldung dazu. „Die derzeitige Freigrenze, unter der Einfuhren von der Melde- oder Berichtspflicht befreit sind, ist mit 150 Euro sehr niedrig. Damit kann schon der Import von drei bis vier Spezialschrauben betroffen sein“, sagt Laudwein. Er hält eine Grenze von mindestens 5000 Euro für sinnvoller.  

IHK-Vorschläge für Erleichterungen  

Die IHK Nord Westfalen hat zahlreiche Anregungen für das DIHK-Positionspaper geliefert, das den politischen Prozess begleitet – unter anderem: 
  • Die Anhebung der Meldeschwelle. Eine Erhöhung von 150  auf 5000 Euro würde die mittelständischen Unternehmen entlasten, hätte aber keine größeren Auswirkungen auf CBAM Leakage. 
  • Wesentliche Vereinfachungen bei den Meldepflichten, da das hochkomplexe CBAM-System besonders für KMU eine große administrative Belastung darstellt. 
  • Der bei CBAM verpflichtende „Zugelassene Anmelder“ entspricht in großen Teilen dem „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO)“, ein Status, den Unternehmen beim Zoll erlangen können und der Vorteile bei der Zollabwicklung garantieren soll. Unternehmen mit Status AEO sollten beim Antrag zum „Zugelassenen Anmelder“ nur einen geringeren Datensatz melden müssen. 

Kaum Hilfestellung 

Auch BU Power Systems muss seit 2023 CBAM-Berichte abgeben. Das Ibbenbürener Unternehmen ist als Distributor verantwortlich für den Vertrieb und den After-Sales-Service von Diesel- und Gasmotoren des britischen Herstellers Perkins. Geschätzt waren für das vierte Quartal 2023 etwa 175 aus England eingeführte Artikel berichtspflichtig, für Q1 2024 rund 300. „Wir haben uns frühzeitig mit den neuen Regeln auseinandergesetzt – auch, weil wir als Zwischenhändler diese Bürokratie von unseren Kunden fernhalten möchten“, sagt Pascal Engel, Zollverantwortlicher und Einkäufer im Unternehmen. Aber auch er und das vierköpfige Projektteam sind schnell mit ihren Fragen an Grenzen gestoßen. „Auf der Internetseite der DEHST stand nur der Hinweis, dass man von Rückfragen bitte absehen sollte. Und der FAQ der Behörde hat leider nur sehr grundsätzliche Aspekte behandelt,“ so Engel. Ein Help Desk für technische Fragen oder ein CBAM Self-Assessment Tool? Bisher ebenfalls Fehlanzeige.  
„Letztlich liegen die Daten, die man für die Berechnung der CO2-Emissionen braucht, bereits zu einem großen Teil mit der Zollanmeldung vor. Es wäre doch einfach, hier eine vernünftige Schnittstelle zu bauen, um den Unternehmen doppelte Arbeit zu ersparen“, überlegt der Fachmann.  
Alle notwendigen Daten hat BU Power Systems sorgfältig ermittelt und aufbereitet. „Alles liegt uns vor – aber wir scheitern am System, dass das Hochladen immer wieder abbricht“, berichtet Engel.  Zurzeit bleibt Unternehmen in solchen Fällen kaum etwas anderes übrig, als immer wieder zu versuchen, in das System hereinzukommen und die Daten zu versenden.„Um möglichen mit einer Nichtanmeldung verbundenen Strafen zu entgehen, sollten sie ihre Versuche zum Beispiel über Screenshots dokumentieren“, empfiehlt Gerhard Laudwein. 

Zähe Infos von Lieferanten 

Die bisherigen Anlaufschwierigkeiten sind erst das Vorspiel. Der Prozess wird mit dem Bericht für das 3. Quartal 2024 nochmals komplexer. „Bislang konnten die Unternehmen für die Berechnung der direkten und indirekten Emissionen auf Standardwerte der EU zurückgreifen. Ab jetzt müssen sie die grauen Emissionen, also den Energieaufwand, der über den gesamten Lebenszyklus der eingesetzten Materialien benötigt wird, selbst errechnen“, begründet der IHK-Experte. Dafür sind sie auf Informationen ihrer Lieferanten angewiesen. Aus Laudweins Sicht eine riesige Herausforderung: „Zum einen müssen die Unternehmen ihre gesamte Lieferkette nachverfolgen, zum anderen müssen sie ihren Lieferanten überhaupt erst einmal erklären können, was die EU fordert und wie diese Werte genau berechnet werden“. Die DIHK fordert entsprechend, die Standardwerte übergangsweise länger verwenden zu können, insbesondere wenn die Daten der Zulieferer nicht zu ermitteln sind. 
Gabriele Schmidtke steht bereits im Austausch mit der TECE-Tochter in China. Diese muss nun auch ihre Lieferanten kontaktieren. „Wir tun, was wir können. Aber es ist zäh.“ Zugleich befürchtet sie, dass diese zusätzliche Bürokratie EU-Unternehmen am Ende auf die Füße fällt.  
„Es wäre schade, wenn die CBAM-Regulatorik, die eigentlich etwas Gutes bringen soll, am Ende bewirkt, dass Drittländer einen Bogen um Wirtschaftspartner aus der EU machen.“  

Gabriele Schmidtke 

In die gleiche Richtung geht auch ein aktuelles Positionspapier von DIHK und BDI: Beide Verbände fordern ausdrücklich Absicherungsmechanismen von der EU, die Störungen komplexer Lieferketten vermeiden. Der vermehrte Import von verarbeiteten Waren, die nicht CBAM-relevant sind, oder das Verlagern der Produktion ins Nicht-EU-Ausland wären genau das Gegenteil dessen, was mit dem CBAM erreicht werden soll, so die Stellungnahme.  
Gerhard Laudwein
Raum: 1.009