Praxis & Ratgeber

Geschäfte im Westen

Grüne Technologie aus Deutschland ist auch in den USA gefragt. Die Marktchancen in diesem Bereich loteten Unternehmen aus der Region auf einer IHK-Delegationsreise im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten aus.
Saredin Seine ist immer noch tief beeindruckt: von dem positiven Bild, das US-Amerikaner vom Green-Tech-Standort Deutschland haben, von den vielen Gesprächen mit Unternehmensvertretern und Experten vor Ort und von der enormen Aufbruchstimmung, die in den Staaten im Bereich Erneuerbare Energien herrscht. Knapp eine Woche war der Geschäftsführer des Dülmener Batteriesystemspezialisten Albert Seine GmbH Ende März gemeinsam mit Kollegen von vier weiteren Unternehmern aus Nord-Westfalen sowie Vertretern verschiedener Forschungs- und staatlichen Einrichtungen auf einer Delegiertenreise in Minneapolis und Chicago. Organisiert wurde diese von der IHK Nord- Westfalen, der AHK USA Chicago und NRW Global Business. Im Fokus standen die Märkte für Erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft.

Bewegung in der „Green Technology“

M4 Factory in Woodstock
Die M4 Factory in Woodstock, Illinois, stellt Produkte aus Granulat von recyceltem Material her. Die Mitglieder der Unternehmerreise informieren sich vor Ort. © AHK USA-Chicago
„Insbesondere der im vergangenen Jahr in Kraft getretene Inflation Reduction Act (IRA) hat in den Staaten sehr viel in Bewegung gebracht“, hat Seine gelernt. Der IRA enthält unter anderem ein milliardenschweres Subventionsprogramm für die Förderung CO2-sparender Technologien und der Energiesicherheit (siehe auch Infokasten). Einer der Hauptpartner von Albert Seine, ein slowenischer Batteriehersteller, plant bereits konkret, ein Werk in den USA zu bauen, um von dieser Entwicklung zu profitieren. „Für mich war die Reise daher sehr wertvoll, um mir ein eigenes Bild der Situation zu machen“, sagt Seine. Denn die tatsächliche Stimmung vor Ort verrate oft mehr als die reinen Zahlen und Fakten. Zurückgekommen ist der Unternehmer mit einem riesigen, neuen Netzwerk und sehr positiven Feedbacks: „Wir haben mit Unternehmern, Politikern, Wissenschaftlern und Studierenden gesprochen – und viele der Ansprechpartner vor Ort waren sehr interessiert an grüner Technologie und Know-how aus NRW. Das hat mir gezeigt, dass wir offenbar doch eine Menge richtig machen in diesem Bereich“, so der Geschäftsführer. Ob und wie Seine nun die eigenen Aktivitäten in den USA aufbauen möchte, sondiert er gerade. Über den slowenischen Partner und die neuen Kontakte hat er auf jeden Fall einen Fuß in der Tür.

Viel Potenzial aus Nord-Westfalen

Die US-Delegationsreise hatte verschiedene Ziele. „Wir wollten einerseits möglichen Partnern aus Wirtschaft und Forschung in den USA zeigen, dass unsere Region ein bedeutender Green-Tech-Standort ist“, sagt Sebastian van Deel, Leiter des Geschäftsbereichs Digitalisierung, Industrie und International
Windräder in der Prärie vor einem rosanen Sonnenuntergang
© Ramon Cliff/AdobeStock
der IHK Nord Westfalen. „Gerade in punkto Batterien, Wasserstoff, Windkraft und Recycling bietet der US-Markt ein umfassendes Potenzial.“ Die Destination im Norden der USA war dabei sehr bewusst gewählt. „Die Region ist historisch sehr deutsch geprägt. Außerdem ähnelt Minnesota von der Struktur her dem Münsterland und Chicago ist Sitz von zahlreichen Industriezweigen, ähnlich wie im Ruhrgebiet. Für Partnerschaften also ideal“, so van Deel.

Riesiger Absatzmarkt in den USA

Umgekehrt wollten die Organisatoren auch deutschen Unternehmen die Möglichkeiten und Chancen für Auslandsaktivitäten im Norden der USA nahebringen.
„Auf allen Ebenen – auf Bundes-, Bundesstaaten oder kommunaler Ebene – wird in den USA der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien gerade extrem vorangetrieben“, berichtet Britta Schneider von der AHK USA Chicago. Zwar knüpft insbesondere der IRA zusätzliche Subventionen und Steuergutschriften vor allem für E-Mobilität daran, dass profitierende Unternehmen zu einem bestimmten Anteil US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. Das ändere aber nichts daran, dass in den Staaten zurzeit im Bereich Grüne Technologien ein riesiger Absatzmarkt für alle Lösungen inklusive der Zulieferindustrien auch aus Deutschland bestehe. „Der Mittlere Westen ist mit den Märkten Solar, Wind, Elektromobilität, Batterie, Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie ganz vorne mit dabei“, bekräftigt Schneider. In Zusammenarbeit mit der IHK unterstützt die AHK deutsche Firmen, die einen Markteintritt in den Staaten planen, unter anderem bei der Markterkundung vor Ort, bei der Firmengründung bis hin zur Geschäftspartnersuche und beim Marketingsupport.

Neue Entwicklungen ausgelotet

Die August Friedberg GmbH ist bereits seit 1992 im Bereich Windkraft aktiv, auch in den USA. Seitdem beliefert der Gelsenkirchener Spezialist für Verschraubungen im industriellen Bereich dortige Windradbauer. „Für mich waren die Informationen zum IRA von besonderem Interesse“ sagt Geschäftsführerin Beatrix Brand. „Durch die Steuererleichterungen erhalten amerikanische Unternehmen unmittelbar freie Finanzmittel, die sie reinvestieren können. Sie werden ihre Produktion also ausbauen. Darauf müssen wir uns frühzeitig als Zulieferer einstellen“, sagt sie. Auch mit der Möglichkeit, eine eigene Produktionsstätte vor Ort zu gründen, beschäftigt sich die Unternehmerin. „Das hängt aber von sehr vielen Faktoren ab, die wir gut abwägen müssen.“ Wichtig war die Reise aus ihrer Sicht auch, damit die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder stärker belebt werden. „Wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, dass wir auf dem Weg in eine grüne Zukunft nur global agieren können, um wirklich etwas zu bewegen.“

Stichwort: Inflation Reduction Act

Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) haben die USA im August 2022 ein milliardenschweres Investitionsprogramm aufgesetzt, das neben Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und einer Neuausrichtung der US-amerikanischen Wirtschaft auf erneuerbare Energien auch umfassende steuerliche Neuregelungen vorsieht. Das Gesetz sieht unter anderem eine zehnjährige Verlängerung der bestehenden Steuergutschriften für Wind- und Solarenergie sowie für autonome Energiespeicher, Dachsolaranlagen und Wärmepumpen vor. Außerdem Steueranreize für Technologien wie sauberer Wasserstoff und fortschrittliche Kernkraft. Auf Kritik aus Europa stießen insbesondere Steueranreize im Bereich der Elektromobilität. So wird eine zusätzliche Förderung von E-Fahrzeugen und ihren Batterien nur dann gewährt, wenn eine Endmontage in den USA und zu einem bestimmten Anteil eine Verwendung von US-amerikanischen Batterierohstoffen erfolgt.