Praxis & Ratgeber

ADR-Verfahren: Konfliktlösung außerhalb staatlicher Gerichte

Nicht jeder Rechtsstreit muss durch staatliche Gerichte entschieden werden. Denn es gibt zahlreiche Alternativen zum klassischen Zivilrechtsweg: die sogenannten ADR-Verfahren („Alternative Dispute Resolution“).
Ausgangspunkt für die Erwägung einer alternativen Form der Streitbeilegung ist die Tatsache, dass Verfahren vor den staatlichen Gerichten unter Umständen sehr langwierig und kostspielig sein können und lediglich eine hoheitliche Entscheidung von „oben herab“ getroffen wird. Augenmerk der ADR-Verfahren ist dagegen die Schaffung eines Rahmens, der es den streitenden Parteien ermöglicht, sich auf Augenhöhe zu begegnen und eine einvernehmliche Lösung zu finden, die von beide Seiten als (interessen-)gerecht empfunden wird.
Außer in gesetzlich geregelten Fällen, wie zum Beispiel in Wettbewerbssachen, kommen diese Verfahren in der Regel nur zum Tragen, wenn eine entsprechende Vereinbarung darüber getroffen wurde, die Vertragsparteien also ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung in ihren Vertrag aufgenommen haben. Wichtig ist dabei, das gewünschte Verfahren korrekt zu benennen. Denn nur so können auch diejenigen Vorteile zum Tragen kommen, die man für die eigenen Zwecke als wichtig erachtet.

Übersicht über die Varianten der außergerichtlichen Streitbeilegung

Die Verfahren lassen sich ganz grundliegend in zwei Gruppen ordnen: Auf der einen Seite gibt es die Mediation, die Schlichtung und das Privatgutachten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Parteien selbst – unterstützt durch einen neutralen Dritten – eine einvernehmliche Lösung erarbeiten. Auf der anderen Seite sind das Schiedsgutachten, das Schiedsgericht sowie der Sonderfall der Adjukation zu nennen, welche dadurch geprägt sind, dass ein neutraler Dritter die Sache für die Parteien entscheidet.

Mediation

Die Mediation ist ein Verfahren, bei dem die Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren selbst an einer einvernehmlichen und interessengerechten Beilegung ihres Konfliktes arbeiten. § 5 Mediationsgesetz enthält Anforderungen an Mediatoren, welche eine sachkundige Unterstützung durch sie sicherstellen sollen; eine eigene Entscheidungskompetenz haben Mediatoren im Verfahren allerdings nicht inne. Sie werden lediglich vermittelnd und unterstützend tätig.

Schlichtung

Eine Schlichtung ist ein Verfahren, das von einem neutralen Dritten geleitet und auf einen konsensualen Interessenausgleich zwischen den Parteien ausgerichtet ist. Anders als ein Mediator hat der Schlichter in seiner Rolle als neutraler Dritter die Befugnis, in den Einigungsprozess einzugreifen und eine eigene Bewertung abzugeben. Finden die Parteien nicht zu einer Einigung, die den Abschluss eines Vergleichs ermöglicht, kann der Schlichter den Parteien einen Lösungsvorschlag unterbreiten. Dieser Schlichterspruch ist jedoch nicht rechtsverbindlich, sondern wird den Parteien lediglich als Inspiration bzw. Werkzeug an die Hand gegeben.

Privatgutachten

Das Privatgutachten nimmt in erster Linie Feststellungen oder Bewertungen zu einzelnen streitigen Tatsachen, Auslegungsfragen etc. vor. Es entfaltet aber keine Bindungswirkung für die Parteien. Es dient vielmehr in der Regel dazu, den Parteien in einem frühen Konfliktstadium eine unverbindliche Empfehlung oder einen Vorschlag zum fairen Ausgleich zu unterbreiten.

Schiedsgutachten

Im Gegensatz zum Privatgutachten sind die Feststellungen oder Bewertungen eines Schiedsgutachtens rechtsverbindlich, aber unter Umständen einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zugänglich. An eine gerichtliche Überprüfung sind jedoch hohe Anforderungen geknüpft: Eine schiedsgutachterliche Entscheidung kann gemäß § 319 Abs. 1 BGB nur erfolgreich gerichtlich angefochten werden, wenn ihr der Vorwurf offenbarer Unbilligkeit oder offenbarer Unrichtigkeit gemacht werden kann.

Schiedsgericht

Bei einem Schiedsgerichtsverfahren verzichten die Parteien auf ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht und wählen stattdessen ein privates Schiedsgericht zur Lösung ihres Rechtsstreits. Das Ergebnis des Verfahrens ist rechtsverbindlich und wirkt wie ein staatliches Gerichtsurteil.

Adjukation

Schließlich gibt es für Baustreitigkeiten die sogenannte Adjukation. Es handelt sich um ein Verfahren britischen Ursprungs, das speziell zur Beschleunigung von Baustreitigkeiten entworfen wurde. Die Rolle der sog. Adjukatoren nehmen regelmäßig erfahrene Bausachverständige und Baujuristen ein, welche eine zügige grobe Prüfung der Rechtslage vornehmen. Die Parteien vereinbaren vorher die vertragliche Verpflichtung, die künftige Entscheidung umzusetzen. Diese Entscheidung der Adjukatoren ist für sie verbindlich, sodass für die Parteien ein hohes Maß an Planungssicherheit resultiert.
Das Verfahren ist bisher in Deutschland nicht gesetzlich geregelt, so dass die Adjukationsvereinbarung sorgfältig zu formulieren ist, damit sie rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt.
Vertiefende Einblicke in die ADR-Verfahren, die von der IHK Nord Westfalen betreut werden, finden Sie auf der offiziellen IHK-Website.