Wachsen im Ausland

Chancenlos ohne Auslandsaktivitäten

Der Spezialist für Klebe- und Dichtstoffe Weicon aus Münster hat in neun Staaten Niederlassungen sowie Mitarbeitende und Handelspartner in vielen Ländern. Geschäftsführer Ralph Weidling ist auch stellvertretender Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses und erklärt, warum die internationale Aufstellung für sein Unternehmen so wichtig ist. (Interview: Britta Zurstraßen)
 
Flugzeug
© Heider/IHK

Herr Weidling, waren Sie von vornherein auch international ausgerichtet?   
Weidling: Im Bereich der Werkzeuge waren wir von Anfang an international vertreten. Die chemischen Produkte sind erst später hinzugekommen. Das lag daran, dass die umfangreiche Dokumentation, die bei Chemieprodukten notwendig ist, noch nicht in anderen Sprachen vorlag.
Warum ist die Internationalisierung mit Ihren Spezialprodukten wichtig, um erfolgreich zu sein?
Weidling: Nehmen wir den Maschinenbau. Wenn man Produkte zur Reparatur und Wartung für diesen Bereich anbietet, muss man sie auch weltweit verfügbar machen. Die deutsche Industrie ist international ausgerichtet und das müssen wir als Anbieter von Hilfsprodukten dementsprechend auch sein. Ansonsten suchen sich die Hersteller eben Lieferanten, deren Produkte überall erhältlich sind. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, weltweit präsent zu sein.

Wie war der erste Schritt auf einen ausländischen Markt bei Weicon?
Weidling: Da waren internationale Messen der Türöffner. Mein Vater war schon in den 1950er Jahren in Moskau, um dort Kontakte mit Unternehmen vor Ort zu knüpfen. Messen waren lange Zeit die beste Möglichkeit, um sich auf den Märkten zu präsentieren und bekannter zu werden. Das hat sich stark verändert, inzwischen knüpfen wir viele neue Kontakte über das Internet.

Wie nutzen Sie bei welchen internationalen Schritten die Angebote der IHK und AHK?
Weidling: Jede IHK in Deutschland hat ein Schwerpunktland, auf das sie spezialisiert ist. Hier in Münster ist das zum Beispiel Singapur. Bevor wir dort unsere Niederlassung gegründet haben, wurden wir intensiv von Spezialistinnen und Spezialisten der IHK über den Aufbau von Geschäften in Südostasien beraten. Bei unserer Niederlassung in der Türkei war es die IHK in Köln und bei Kanada hat uns die IHK in Hannover unterstützt. Im Anschluss ist die jeweilige AHK unsere Anlaufstelle. Bei all unseren Niederlassungen haben wir die AHK zu Rate gezogen und uns Informationen geholt. Dort bekommt man zum Beispiel Kontakte für Rechtsberatung, geeignete Mietobjekte oder die Buchhaltung. Manche AHKs bieten auch die Möglichkeit, Mitarbeitende direkt über sie anzustellen. Die IHK und die AHK stehen uns immer sehr partnerschaftlich zur Seite – sei es bei der Suche nach Unterstützung oder als wertvolle Vermittlungsbörse für seriöse Kontakte.

Sie setzen auf eigene Niederlassungen und viele Handelsvertretungen. Warum ist die Präsenz vor Ort wichtig? Und produzieren Sie auch im Ausland?
Weidling: Nur vor Ort kann man erfolgreich sein. Nur wenn ich vor Ort bin, kann ich dem/der Kund*in direkt helfen und beratend zur Seite stehen. Wir können uns gemeinsam Produktionsprozesse und Anwendungen ansehen und analysieren. Dieser Service ist bei unseren erklärungsbedürftigen Produkten ein großer Vorteil. Auch verkürzt sich die Lieferzeit für Produkte durch einen Partner oder eine Partnerin oder eine Niederlassung vor Ort erheblich.
Bisher haben wir zum großen Teil in Deutschland gefertigt. Wir planen jedoch einige Fertigungsprozesse ins Ausland an unsere Standorte zu verlagern, weil die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland immer schwieriger werden. Wir möchten weiterhin an unserem Hauptsitz in Münster wachsen, aber das wird immer komplizierter. Auch beschäftigen uns Themen wie der Mangel an Fachkräften und die steigenden Produktionskosten in Deutschland. Um international weiter expandieren zu können, müssen wir also in Zukunft auch auf die Produktion im Ausland setzen.

Können Sie Tipps geben, was wichtig ist beim Einstieg in ausländische Märkte und wie dabei die IHK helfen kann?
Weidling: Am Anfang steht eine intensive Marktrecherche. Welche Industriebereiche sind in dem jeweiligen Land wichtig? Welche potenziellen Kunden gibt es vor Ort? Gibt es interessante Projekte, bei denen unsere Produkte zum Einsatz kommen können? Das alles gibt einen guten ersten Eindruck.
Aus unserer Erfahrung ist es durchaus sinnvoll, sich im Anschluss einen Handelspartner im Land zu suchen. Wenn das gut funktioniert, wären eigene Mitarbeitende im Außendienst eine sinnvolle Weiterentwicklung. Vor der Gründung der Niederlassung sollten dann die jeweilige IHK und die AHK im Land kontaktiert werden. Man kann sich aber auch direkt im ersten Schritt an die AHK zu wenden, die auch bei der Marktrecherche unterstützt und beim Aufbau der ersten Kontakte hilft.

In welchen Ländern sind Sie vertreten? In welchen davon sind Handelsbeziehungen eher einfach und in welchen kompliziert und was sollten Unternehmen beim Markteintritt beachten?
Weidling: Wir haben eigene Niederlassungen in Dubai, Kanada, der Türkei, Rumänien, Südafrika, Singapur, der Tschechischen Republik, Spanien und in Italien. Wir haben Mitarbeitende in Australien, Belgien, Polen und in Frankreich und arbeiten mit Handelspartnern in mehr als 120 Ländern zusammen.
In aller Regel ist es einfacher, einen eigenen Standort in einem EU-Land zu gründen. In Europa gibt es zwar viele kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen und die wirtschaftliche Denkweise sind schon miteinander vergleichbar.
In anderen Ländern ist es zum Teil komplizierter. Beispielsweise unterscheiden sich die Mentalitäten in Nordamerika oder in Asien deutlich von der in Europa. Die jeweiligen gesetzlichen Rahmenbedingungen und auch Sprachbarrieren sind hier ebenfalls zu beachten. Hier ist für uns von Vorteil, dass unser Team in Münster mehr als 20 unterschiedliche Sprachen spricht – was die weltweite Kommunikation deutlich vereinfacht.

Wie sollte ein Unternehmen aufgestellt sein, damit es auch international erfolgreich ist?
Weidling: Ein Unternehmen sollte zukunftsorientiert und ganzheitlich handeln. Das fängt schon im Inland an. Wenn ich Fachkräfte gewinnen und auch halten möchte, muss ich für mein Team ein möglichst guter Arbeitgeber sein. Die Mitarbeitenden müssen gern bei der Arbeit sein – dann sind sie motivierter und machen auch das Unternehmen erfolgreich. Das gilt natürlich auch weltweit. National wie auch international ist Marketing sehr wichtig, um als Marke präsent zu sein und die Bekanntheit zu erhöhen. Man muss sich vom Wettbewerb abheben, um wahrgenommen zu werden. Bei uns sind der Schlüssel unsere umfangreichen Serviceleistungen, die wir weltweit bieten. Hinzu kommt eine professionelle Online-Präsenz. Ohne die ist es heute nicht mehr machbar, national oder international erfolgreich zu sein. Wenn wir unsere Niederlassungen und Auslandsaktivitäten nicht hätten, wären wir heute am Markt chancenlos und unser Unternehmen würde nicht Jahr für Jahr erfolgreich wachsen.

Weicon – Zahlen und Fakten

Der Hauptsitz der Weicon GmbH & Co. KG liegt in Münster. Das Unternehmen wurde 1947 gegründet. Es ist auf die Herstellung von Spezialkleb- und Dichtstoffen, technischen Sprays, Hochleistungsmontagepasten und Fetten für alle Bereiche der Industrie und Abisolierwerkzeuge spezialisiert. Weltweit gibt es über 300 Mitarbeiter. Geführt wird Weicon von Ralph Weidling und Ann-Kathrin Weidling. Im Jahr 2022 betrug der Umsatz rund 60 Millionen Euro.