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In Teilzeit ausbilden
Eine Ausbildung in Teilzeit kann ein Lösungsweg sein – für junge Familien, Alleinerziehende oder Menschen, die Angehörige pflegen – und für Unternehmen. Denn sie schöpfen aus einem Pool an künftigen Fachkräften, der für viele Unternehmen noch keine Rolle spielt, und steigern gleichzeitig ihre Attraktivität als Arbeitgeber. (Von Mareike Scharmacher-Wellmann)
Ein Lösungsweg, den das Textilunternehmen Ernsting’s family aus Coesfeld-Lette bereits geht: Eine Teilzeit-Ausbildung ist in fast allen der 14 Ausbildungsberufe möglich. Die Ausbildung der Einzelhandelskaufleute findet ausschließlich in Teilzeit statt. „Die Möglichkeit ist einfach perfekt für uns und unsere Hauptzielgruppe, Mütter mit Kindern“, erklärte Janin Swigoniak, Ausbildungskoordinatorin der Ernsting’s family Unternehmensgruppe.
Wirtschaftsspiegel: Frau Swigoniak, warum bildet Ernsting’s family in Teilzeit aus?
Janin Swigoniak, Ausbildungskoordinatorin der Ernsting’s family Unternehmensgruppe: „Die Ausbildung in Teilzeit ist ein Punkt gegen den Fachkräftemangel, aber kein Allheilmittel. Unser Unternehmen profitiert von den hoch motivierten und engagierten Auszubildenden, die wissen, wofür sie eine Ausbildung machen. Die Auszubildenden wiederum erhalten eine Möglichkeit, die sie in Vollzeit so gar nicht nutzen könnten. Das passt perfekt.”
Wirtschaftsspiegel: Führt das Modell Teilzeit messbar dazu, dass die Auszubildenden ihre Ausbildung erfolgreich beenden und dem Unternehmen danach zur Verfügung stehen?
Swigoniak: „Definitiv ja. Ich bin beeindruckt von der Leistung der Frauen. Sie Ausbildungsbotschafterschaffen es, eine Ausbildung zu machen und gleichzeitig ihre Familie zu organisieren. Sie erbringen gute bis sehr gute Noten und glänzen durch ihren Einsatz – egal ob im Alltagsgeschäft oder bei der Inventur. Extra-Aufgaben zu übernehmen, gehört für sie dazu. Sie sind im Schnitt Mitte bis Ende 20 Jahre alt und bringen mehr Lebenserfahrung mit. Die Ausbildung in Teilzeit ist aus Unternehmenssicht sehr erfolgreich.”
Wirtschaftsspiegel: Was unternimmt das Unternehmen außerdem, um Fachkräfte zu gewinnen?
Swigoniak: „Das kommt ganz auf die Zielgruppe an. Wir schauen strategisch auf das Thema. Natürlich setzen wir auch auf Fachkräfte von außen. In diesem Zusammenhang ist Bekanntheit für uns wichtig und die erzielen wir über unsere Social-Media-Accounts wie LinkedIn. Zudem sind wir im Hochschulbereich aktiv und bieten Praktika und Werkstudierendentätigkeiten während des Studiums oder ein Traineeprogramm nach erfolgreichem Abschluss an. Aber wir legen den Fokus auch auf das Innere und wollen begeisterte Mitarbeitende binden und weiterentwickeln.”
Wirtschaftsspiegel: Und wie geht das?
Swigoniak: „Wir bieten zum Beispiel die Möglichkeit an, berufsbegleitend zu studieren, Zertifikatslehrgänge und Weiterbildungen der IHK Nord Westfalen zu absolvieren oder über interne Trainings die Soft Skills zu verbessern. In jedem Fall schauen wir uns die Mitarbeitenden, ihre Stärken und Ziele immer individuell an – mit dem Gießkannenprinzip funktioniert das nicht.”
Wirtschaftsspiegel: Ernsting’s family engagiert sich auch im IHK-Projekt Ausbildungsbotschafter. Was nutzt es dem Betrieb?
Swigoniak: „Wir sind seit 2015 dabei. Damals war ich selbst noch Auszubildende. Man kommt super nah ran an die Zielgruppe Schüler*innen und an die unterschiedlichen Schulformen. Natürlich ist es immer noch viel Arbeit, aber ohne Unterstützung der IHK wäre es nicht zu stemmen. Unsere Azubis gehen in die achten, neunten und zehnten Klassen und die Jugendlichen lassen sich von deren Begeisterung für die Ausbildung anstecken. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sich im Nachgang von Ausbildungsbotschafter-Einsätzen Jugendliche bei uns gemeldet haben, die gern ein Praktikum machen wollten oder sich für eine Ausbildung interessierten. Wir hinterlassen so einen bleibenden Eindruck und begegnen den Jugendlichen auf Augenhöhe. Und unsere eigenen Auszubildenden reifen auch: sie tragen Verantwortung, bereiten die Präsentationen allein vor und sind stolz, für ihr Unternehmen im Einsatz zu sein.”
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Redaktion Wirtschaftsspiegel