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Ein Plan für sauberes Papier
Für diese Notizblöcke und Briefumschläge muss kein Baum gefällt werden: Aus alten Plänen und frischem Zuckerrohr wird in zwei Unternehmen im Münsterland nachhaltiges Papier. (Von Tobias Hertel)
Bei DRP in Havixbeck stapeln sich alte, ausgediente Landkarten. Nordseeküste, Franken und das deutschtschechische Grenzgebiet sind aktuell vertreten. DRP, das steht für „Direkt Recycelte Papierprodukte“. Was Geschäftsführer Olaf Hagedorn knapp als „Direktrecycling“ zusammenfasst: Denn aus den Plänen werden ohne Umwege unter anderem Briefumschläge produziert, denen man ihre ursprüngliche Nutzung deshalb noch
deutlich ansieht. Außen sind sie weiß, innen ist die ursprüngliche Karte erkennbar – umgekehrt ist auf Wunsch ebenfalls möglich. Vor 25 Jahren gründete er sein Unternehmen, das zunächst alte Plakate und unverkaufte Zeitungen einem neuen Zweck zuführte und heute vor allem Landkarten ein zweites Leben einhaucht. Das ist deutlich umweltfreundlicher als das Papier zu recyceln. Denn dafür müsste viel Energie eingesetzt werden. „Wir sparen dagegen Wasser, Bindemittel, Bleichmittel und Frischfaser ein“, erklärt er. Einfach, indem der Plan direkt zurechtgeschnitten, gefaltet und geklebt wird. „Das sind die umweltfreundlichsten Briefumschläge überhaupt“, betont er. Auch Geschenk- und Briefpapier, Schulhefte, Notizblöcke und Schachteln werden im Onlinevertrieb an Kunden vor allem aus Deutschland, aber auch weltweit verkauft. „Japaner haben besonderen Spaß an deutschen Produkten“, erzählt Angelo Amadeus Walpuski, der sich als Fachkraft für Lagerlogistik um den Warenein- und -ausgang kümmert. Papier mit deutschen Plänen auf der Rückseite gelten in Ostasien als besonders exotisch. Aber auch heimische Arztpraxen, Kirchengemeinden oder Umweltverbände nutzen die Umschläge gerne. DRP arbeitet dabei mit mehreren Produzenten zusammen. Wichtig ist, dass die Karten flach auf Paletten angeliefert werden – gefaltetes Material können die Maschinen nicht verarbeiten. Die weiteren Arbeitsschritte führt Walpuski beispielhaft in Havixbeck vor: Er schneidet die Pläne auf das gewünschte Format zurecht, wobei ihm eines wichtig ist: „Bloß nichts verschwenden“. Selbst kleine Ausschnitte, kaum größer als fünf Zentimeter, verwertet er zu Blöcken. „Ich will das Maximale herausholen“, betont er. Auch im Sinne des Umweltschutzes.
Der Wunsch, seinen Heimat- oder Urlaubsort im Umschlag wiederzufinden, ist allerdings angesichts der Mengen an Karten eher nicht erfüllbar. Den „Rohstoff“ für die Produkte bekommt DRP aus ganz Deutschland. Zum Beispiel von Behörden, die alte Straßenkarten ausmustern. Reste aus Überproduktionen oder auf Vorrat gedruckte Karten lagerten manchmal schon über Jahrzehnte in Behördenkellern. „Da wurden die Kosten fürs Recycling gescheut“, berichtet Walpuski. Unter den Verwaltungen hat es sich aber mittlerweile herumgesprochen, dass sich mit den übrig gebliebenen Plänen dank DRP sogar noch etwas Geld verdienen lässt. Die Zeiten, in denen Hagedorn die Bestände von Altpapierhändlern durchforstet hat, um an Material zu kommen, sind deshalb lange vorbei. „Die Behörden melden sich längst bei uns“, betont Hagedorn.
Ganz andere Quellen für ihr Produkt hat colonia2go: Die Papierrollen im Lager des Coesfelder Unternehmens, aus denen Kartons, Notizbücher oder Verpackungen entstehen sollen, sind komplett aus kolumbianischem Zuckerrohr, genauer gesagt aus Bagasse. Das ist ein Nebenprodukt aus ausgepresstem Zuckerrohr. Und den gibt es in rauen Mengen. „Weltweit 650 Millionen Tonnen Bagasse könnten vom Reststoff zum Wertstoff werden“, rechnet Filip Vidovic vor, Geschäftsführer von colonia2go. Denn
aus dem vermeintlichen Abfall, welcher in der Regel nur verbrannt wird, lässt sich Zellulose für Papier gewinnen.
© Colonia2Go
2013 hatte er das Unternehmen mit einem Freund aus Kölner Studienzeiten gegründet – daher das „Colonia“ im Namen der Firma, die um den Jahreswechsel vom Industriepark Nord.Westfalen an einen größeren Standort im Coesfelder Ortsteil Lette wechselte. Nach dem Studium hatten beide zunächst bei einem amerikanischen Papiergroßhändler gearbeitet, der unter anderem die Coffee2-Go-Industrie mit plastikbeschichteten Bechern beliefert – woher das „2Go“ in der Firmierung rührt. Denn darauf basiert die ursprüngliche Geschäftsidee der beiden Start-up-Gründer: Sie wollen Einwegbecher deutlich umweltfreundlicher machen. Bei der Suche nach Lösungen dafür stießen sie auf einer Messe in New York auf einen kolumbianischen Papierhersteller, der komplett auf Zuckerrohrfaser setzt. So forscht zwar colonia2go in Zusammenarbeit mit BASF und weiteren Unternehmen, die sich mit nachhaltigen Papierbeschichtungen befassen, weiterhin an umweltfreundlichen Kaffee-Bechern. Der heutige Schwerpunkt liegt allerdings darin, dass das Unternehmen „baumfreies Papier“ importiert und Serviceleistungen übernimmt. So werden die Rollen passend zurechtgeschnitten oder bestimmte Bogenformate vorgehalten. Abnehmer sind diverse papierverarbeitende Unternehmen, darunter Hersteller von Faltschachteln, Broschüren, Kartons und Tragetaschen. Die Kunden kommen aus Europa und immer häufiger auch aus den USA. Teils werden sie von Coesfeld aus versorgt, teils erhalten sie, wie Kunden aus Italien und Spanien, ihre Ware direkt aus Kolumbien. Mit „Calima“ hat colonia2go zudem eine Eigenmarke entwickelt, unter der das Unternehmen den kompostierbaren Becherkarton, Kopierpapier, Notizbücher, Briefumschläge, Blöcke und Tüten anbietet. Entwickelt werden diese Produkte mit Partnern, teils in Kolumbien und teils in Europa, die diese dann auch produzieren.
Monatlich vertreibt colonia2go etwa 150 bis 200 Tonnen Papier aus Zuckerrohr. „Das sind noch minimale Mengen“, sieht Vidovic Luft nach oben, vor allem im Vergleich zum Großhandel. In den kommenden zwei Jahren peilt er eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Umsatzes an. Allein in dem Tal in Kolumbien, in dem das Zuckerrohr geerntet und die Fabrik die Bagasse direkt verarbeitet, wird erst ein kleiner Teil der Pflanzen für die Papierproduktion genutzt. Dass dieses Papier aus umweltfreundlichen Rohstoffen besteht, darf der Kunde ihm gern ansehen. „Wenn er zwischen weißem und naturfarbenem Kopierpapier die Wahl hat, entscheidet er sich meist für den ungebleichten Naturton“, stellt Vidovic fest. Der Transport aus Südamerika trübt die gute Ökobilanz nicht: Gemeinsam mit der Stiftung „Plant for the Planet“ pflanzt er zur Kompensation Bäume an. Das Ergebnis: „Wir sind sogar klimapositiv.“
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Redaktion Wirtschaftsspiegel