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Best Practice - apetito
Das Comeback des Windrads
Aller Anfang ist schwer – vor allem für jene, die ihrer Zeit ein paar Ideen voraus sind. So hat sich 1992 das Bio-Menü von apetito mangels Nachfrage noch nicht durchgesetzt. Auch ein Windrad wurde am Hauptsitz des Anbieters von tiefgekühlten Menüs und Verpflegungskonzepten in Rheine aufgebaut, aber schließlich wieder zurückgebaut. Es war noch keine echte Alternative im Energiemix, aber ein starkes Symbol: Dem Familienunternehmen ist schon damals bewusst, dass sich etwas drehen muss im Umgang mit Ressourcen. Somit ist die apetito AG von der Pole-Position ins nachhaltige Wirtschaften gestartet.
Die Berichterstattung orientiert sich an den Leitlinien der „Global Reporting Initiative (GRI)“, an den Prinzipien des „UN Global Compact“ und an den „UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Goals – SDG). Zudem stellt sich das Unternehmen seit mehr als 20 Jahren regelmäßig den Zertifizierungen nach der europäischen EMAS-Verordnung und nach dem Standard des ZNU (Zentrum für Nachhaltige Unternehmens
führung). Der härteste Prüfstein jedoch sind die Ansprüche, die das Unternehmen an sich selbst stellt. „Wir müssen lernen, noch systematischer mit dem Thema umzugehen, denn die Anforderungen sind gestiegen“, sagt Thomas Reich, Geschäftsleiter und Nachhaltigkeitsmanager der apetito AG. Gemeinsam mit den Nachhaltigkeitsverantwortlichen bei apetito entwickelt er Maßnahmen, um „Scope-3-Emissionen“ zu senken. Die Aufgabe ist ambitioniert, denn es geht um indirekte Emissionen in der vor- und nachgelagerten Liefer- und Wertschöpfungskette, die außerhalb des eigentlichen Handlungsbereichs des Unternehmens liegen. Wichtigstes Werkzeug bei dieser Mission: Überzeugungsarbeit. Reich hat einige Tipps für einen Einstieg ins Thema parat. Der erste Schritt sei immer, den Standort zu bestimmen und sich den Schwächen zu stellen. Der zweite: „Einfach mal anfangen, und zwar genau an diesen Punkten“, empfiehlt Reich, der keinen Hehl daraus macht, welche Stellschrauben er bei apetito am liebsten ganz zudrehen würde: den Diesel- und den Gashahn.
„Doch wir müssen auch den wirtschaftlichen Aspekt sehen und die Balance finden zwischen Ökologie und Ökonomie.“ So hat die apetito AG Klimaneutralität am Standort Rheine auch deshalb erreicht, weil sie CO2-Kompensationsprojekte gekauft hat. Ist das Greenwashing? Nein, meint Reich. „Ich glaube, der Atmosphäre ist es egal, wo wir das CO2 einsparen“, sagt er. Doch steuert apetito dem Klimawandel auch in Deutschland gegen: „Wir werden im kommenden Jahr in mehreren Pilotprojekten E-Mobilität in der Auslieferung, Distribution und bei der Dienstwagenflotte einsetzen, um zu sehen, wie es funktioniert“, erläutert Reich und ist somit bei den Schritten drei bis fünf seiner Nachhaltigkeits-Roadmap angekommen: messen, messen, messen. Einmal jährlich wird kontrolliert, was die Maßnahmen bringen, im Bedarfsfall werden sie angepasst oder Ziele neu formuliert.
Dabei gibt es Ansätze, die für den niederschwelligen Einstieg bestens geeignet sind. Mit Digitalisierung etwa könne, bei geringem Kostenaufwand, der CO2-Fußabdruck geschmälert werden – auch in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten, die so wichtig sind für die Senkung der Scope-3-Emissionen. „Wir versenden Rechnungen nicht mehr auf Papier und schlagen vor, die gesamte Kommunikation so digital wie möglich zu gestalten“, berichtet Reich. Eine andere Maßnahme, die er empfiehlt: Wo immer möglich, Lieferintervalle vergrößern, weil das Emissionen und Kosten reduziert. Viele Kunden hat er mit diesen Ideen überzeugt. „Sie wollen ja ihre eigenen Nachhaltigkeitsstorys“, erklärt der Manager. Seine Belegschaft schwört apetito auf Ressourcenschonung ein, ruft zu Verbesserungsvorschlägen auf.
Das Unternehmen manage Nachhaltigkeit in sechs Handlungsdimensionen, darunter beispielsweise „Aktiver Umweltschutz“ und „Nachhaltigere Lieferkette“. Ihnen sind Themen zugeordnet, etwa „Betriebliche Abfälle“ und „Wassermanagement“. Jeder Handlungsdimension stehen mindestens zwei Nachhaltigkeitsverantwortliche vor. Werden Ziele nicht erreicht, wirkt sich das auf den Bonus der Manager aus. Ideen, um die CO2-Bilanz zu verbessern, hat apetito auch auf dem Rezeptblock notiert. „Wir müssen den Fleischkonsum deutlich reduzieren“, sagt der Geschäftsleiter. Im eigenen Betriebsrestaurant hat das Unternehmen längst bewiesen, wie lecker Nachhaltigkeit sein kann. Täglich wird eine vegetarische Alternative angeboten. Reich glaubt nicht, dass apetito bei den Marktanteilen abspecken muss, wenn das vegetarische Angebot ausgebaut wird. „Wir gehen davon aus, dass die Kunden Nachhaltigkeit wollen“, sagt er.
Und weil auch die Technik sich gewandelt hat, wird bei apetito gerade das Comeback des Windrads geprüft. Vielleicht kann Thomas Reich sie eines Tages eigenhändig abmontieren: den Diesel- und den Gashahn. «
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Redaktion Wirtschaftsspiegel