IHK-Jahresbericht 2022

Wirtschaftsklima in Nord-Westfalen

Die konjunkturelle Lage in Nord-Westfalen war im Jahr 2022 stark geprägt von dem Krieg in der Ukraine, der zu einem massiven Energiepreisschock in der gesamten Wirtschaft geführt hat. Doch trotz hoher Belastungen und großer Unwägbarkeiten hat sich die Wirtschaft im Münsterland und in der Emscher-Lippe als widerstandsfähig erwiesen und sich im dritten Jahr der Corona-Pandemie vor allem in der ersten Jahreshälfte weiter erholt. Die Wirtschaftsleistung lag insgesamt wieder höher als im Jahr 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie.
Mit der Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2022 haben Nachholeffekte die wirtschaftliche Aktivität insbesondere in den Dienstleistungsbereichen stimuliert. Im Baugewerbe hingegen, das vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen war und eine längere Phase der Hochkonjunktur hatte, bremsten Material- und Fachkräftemangel, hohe Baukosten und restriktivere Finanzierungsbedingungen die weitere Expansion. Im Handel ist es bei einer Zweiteilung zwischen Onlinehandel und stationärem Handel mit eher gedämpfter Entwicklung geblieben. In Teilen des Handels konnte noch nicht wieder an das frühere Niveau angeknüpft werden.
Die Industrie war in hohem Maße betroffen von dem starken Anstieg der Energiepreise, der sich mit dem Kriegsbeginn beschleunigt hat, sowie der immer noch eingeschränkten Verfügbarkeit von Vorprodukten. Die energieintensiven Wirtschaftszweige – darunter Chemische Industrie, Metallverarbeitung, Glas-, Keramik-, Zementindustrie - sind besonders unter Druck geraten. Ihr Ausstoß ist ab Mitte des Jahres deutlich zurückgegangen und hat sich damit von der Industrie insgesamt entkoppelt.
Die durch den Krieg ausgelöste angespannte Versorgungslage verursachte enorme Preisanstiege, erhöhte damit die Kosten der Unternehmen und reduzierte die Kaufkraft der Verbraucher wie selten zuvor. Der Preisdruck in der gesamten Wirtschaft hat merklich zugenommen, mit leicht verminderter Dynamik zum Jahresende. Im Oktober lag die Inflationsrate, gemessen am Verbraucherpreisindex für Deutschland, mit plus 10,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf einem historischen Höchststand, im Dezember noch bei 8,6 Prozent. Die jahresdurchschnittliche Inflationsrate belief sich auf 7,9 Prozent.
Die konjunkturelle Entwicklung stand auf sehr unsicherem Grund. Die geopolitische Lage und damit auch das außenwirtschaftliche Umfeld blieben bis zum Jahresende äußerst angespannt. Das regelmäßig mit den IHK-Konjunkturumfragen erhobene Stimmungsbild hat sich im Herbst massiv eingetrübt. Die mit hohen Abwärtsrisiken belasteten Aussichten für die nächsten Monate bereiteten vielen Unternehmen Sorge. Der Konjunkturklimaindikator war erneut auf ein Allzeittief gesunken, ähnlich wie zuletzt im Frühjahr 2020 bei Ausbruch der Corona-Pandemie oder wie früher schon in der Finanzkrise 2009. Gleichwohl dürfte die Konjunktur in der Gesamtbilanz für das Jahr 2022 etwas besser gelaufen sein, als es die nord-westfälischen Unternehmen noch im Herbst erwartet hatten.
Eine stabile Größe ist und bleibt der Arbeitsmarkt. Er hat sich trotz der konjunkturellen Abkühlung robust gezeigt – auch, weil mittlerweile flächendeckend Fachkräftebedarf besteht. Bis zur Jahresmitte 2022 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Nord-Westfalen auf insgesamt 982.000 und damit auf einen neuen Höchststand gestiegen. Die Zahl der Arbeitslosen lag im November 2022 bei knapp 88.000. Kurzzeitig, Mitte des Jahres 2020, war die Marke von 100.000 überschritten worden, seitdem hat sich die Arbeitslosigkeit wieder zurückgebildet und ist im Laufe des Jahres 2022 insbesondere durch die Registrierung ukrainischer Geflüchteter gestiegen.