Nachhaltigkeit

Eckpunktebeschluss Unternehmensverantwortliche Nachhaltigkeit

Die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen hat „Grundsätze für eine nachhaltige Wirtschaft im IHK-Bezirk Nord Westfalen“ beschlossen.

Handlungsdruck, Chancen und Risiken

Ökologische Herausforderungen wie der Klimawandel, der weiter fortschreitende Verlust der Biodiversität sowie ein wachsender Ressourcenverbrauch im Gegensatz zum zirkulären Ressourcengebrauch rücken im IHK-Bezirk, aber auch bundes-, europa- und weltweit immer stärker in den Fokus von Gesellschaft und Politik. Ohne progressive und proaktive Beiträge der Wirtschaft droht ein erheblicher Verlust von Akzeptanz durch Politik und Bevölkerung, der mittel- und langfristig nachteilige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im IHK-Bezirk bewirkt. Je später die Wirtschaft wirksame und sichtbare Beiträge leistet, desto wahrscheinlicher werden dabei umso einschneidendere gesetzliche Maßnahmen zu Lasten der Unternehmen. Diese treffen eine unvorbereitete Wirtschaft umso härter. Die Betriebe im IHK-Bezirk sind überdurchschnittlich exportorientiert. Langfristige Festlegungen etwa durch das Ziel der Klimaneutralität der EU bis 2050 oder das angekündigte gleichlautende Ziel Chinas bis 2060 werden zunehmend Auswirkungen auf Handelsabkommen und nationale Bestimmungen entfalten. Eine ökologisch nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft fördert Innovationen für eine Vorreiterrolle auf den nationalen und internationalen Zukunftsmärkten sowie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und erhöht die Attraktivität des Standortes Nord-Westfalen. In der Unternehmensfinanzierung gewinnen Nachhaltigkeitskriterien zudem an Bedeutung und können in der Zukunft ein entscheidender Differenzierungsfaktor sein.

Verantwortung und Nachhaltigkeit

Die IHK Nord Westfalen bekennt sich in einem Leitbild zum Grundsatz des verantwortungsvollen und nachhaltigen Wirtschaftens. Wie die Umbrüche in der Textilindustrie oder im Bergbau sowie durch die Digitalisierung führen ökologische Themen wie der Klimawandel, endliche Ressourcen und der weiter fortschreitende Verlust der Biodiversität zu geänderten Rahmenbedingungen und einem Strukturwandel, den die nord-westfälische Wirtschaft aktiv aufgreifen und gestalten kann. Resilienz gegenüber Herausforderungen wie diese erfordert nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der Grundsätze des ehrbaren Kaufmannes in seiner heutigen Ausprägung. Erst durch verantwortungsvolles, nachhaltiges Wirken sichern Unternehmen in Handel, Industrie und Dienstleistung ihre eigene Zukunft und das notwendige Vertrauen in die gewerbliche Wirtschaft insgesamt. Verantwortungsvolles Wirtschaften wird dabei geprägt durch die drei sich gleichermaßen bedingenden Aspekte der ökonomischen, sozialen sowie ökologischen Nachhaltigkeit. Letztere, d. h. die ökologische Nachhaltigkeit, ist aus heutiger Sicht in den vergangenen Dekaden zu wenig beachtet worden und bedarf nun durch den gestiegenen Handlungsdruck besonders intensiver Impulse durch die IHK.

Leitlinien

Die IHK beschließt die Grundlagen eines Leitbildes für eine nachhaltige Wirtschaft im IHK-Bezirk.

Sein Schwerpunkt liegt auf dem Wandel hin zu ökologischer Nachhaltigkeit, wobei insbesondere die notwendige ökonomische, aber auch die soziale Nachhaltigkeit weiterhin in gleicher Weise von Bedeutung bleiben. Das Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Ausgangspositionen der Betriebe, Branchen und Geschäftsmodelle wird aufgezeigt.
1. Eine zukunftsfähige regionale Wirtschaft beruht auf Nachhaltigkeit.
Die Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit, wie z. B. der Klimaneutralität, der Umwelt- und Ressourcenschutz sowie der sozialen Nachhaltigkeit stehen nicht im Widerspruch zum Gesamtinteresse der Wirtschaft.
Je schneller die Wirtschaft die sich aus diesen Zielen ergebenden Anforderungen bewältigt, umso besser wird sie sich langfristig im Wettbewerb positionieren und ihre eigene Zukunft sichern.
2. Nicht jedes Unternehmen und jede Branche befindet sich in einer Ausgangslage, die das Erreichen anspruchsvoller Nachhaltigkeitsziele ohne Weiteres ermöglicht. Schneller Wandel zu ökologischer Nachhaltigkeit kann z. B. im Widerspruch zur unmittelbaren Verantwortung des ehrbaren Kaufmanns etwa für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen. Hier braucht es Unterstützung, die eine schrittweise Neuausrichtung ermöglicht und über Herausforderungen hinweghilft. Generell gilt: Erfolgreicher Wandel zu wirklicher Nachhaltigkeit kann nur Schritt für Schritt gelingen. Hierzu gehören Transparenz und Akzeptanz hinsichtlich der Kosten, die auch die Allgemeinheit und den Endkunden berühren werden.
3. Um staatliche Nachhaltigkeitsziele mit Hilfe der Wirtschaft zu erreichen, bedarf es gesetzlicher Rahmenbedingungen und langfristig geltender Leitplanken, um Investitions- und Planungssicherheit zu gewährleisten. Gesetzliche Vorgaben sollten dabei vorrangig Zielcharakter aufweisen und weniger bürokratische Nachweispflichten aufbauen. Wirksame marktwirtschaftliche Anreizsysteme sollten dabei Vorrang vor Verbotsregelungen haben. Sinnvoll sind nationale und internationale Regelungen, die Wettbewerbsnachteile durch regionale und betriebliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen verhindern. Grundlegende Voraussetzung für Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit sind hierauf ausgerichtete Innovationsbedingungen und Fördermaßnahmen, zu denen alle Unternehmen gleichberechtigten Zugriff haben sollten.
4. Die Mitgliedsbetriebe der IHK Nord Westfalen sind gefordert, ambitionierte Schritte hin zu - insbesondere auch ökologisch - nachhaltigem Wirtschaften zu unternehmen. Helfen können hierbei u. a. betriebsindividuelle Ressourcenschonungs- und Decarbonisierungsstrategien sowie ein konsequenter Wandel hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Auf diesem Weg entwickelt sich Nord-Westfalen weiter in eine wirtschaftliche Zukunftsregion

Handlungsschwerpunkte der IHK Nord Westfalen

Die IHK Nord Westfalen wird einen unmittelbaren und langfristigen Handlungsschwerpunkt auf ökologisches Handeln setzen, sowohl für die Organisation selbst wie auch als Unterstützung für die angeschlossenen Unternehmen. Sie setzt dabei folgende Schwerpunkte:

1. Leitlinien/Positionen

Die IHK lässt die oben skizzierten Grundsätze für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Wirtschaft in entsprechenden Leitlinien und grundlegende Positionen durch einen Ausschuss weiter ausarbeiten. Auf dieser Grundlage wirkt die IHK auf unterstützende Rahmenbedingungen hin. Indem die IHK Nord Westfalen ihr eigenes Handeln diesen Maßgaben verpflichtet, übernimmt sie eine Vorbildfunktion und baut auch aus eigener Praxis Wissen und Kompetenz auf.

2. Impuls in die Wirtschaft zur nachhaltigen Ausrichtung

Durch aktive Öffentlichkeitsarbeit auf allen verfügbaren Kanälen werden die Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit entsprechender transformativer Schritte tiefer im Bewusstsein der Betriebe verankert. Best Practices und eine aktive Kommunikation des Themas Nachhaltigkeit sensibilisieren die Wirtschaft für die Möglichkeiten und machen die Beiträge der Wirtschaft im politischen Diskurs sichtbar.
Ziel ist es, der regionalen Wirtschaft Hilfestellungen zu geben und so gerade kleinere Unternehmen ohne eigene Expertise unterstützen zu können. Es werden Weiterbildungsformate zum Thema CSR/Nachhaltigkeit entwickelt und angeboten.

3. Unterstützung der Betriebe bei nachhaltiger Ausrichtung

Die IHK lernt aus Best Practices und baut eigenständig Wissen und Expertise rund um Gesetze, Fördermöglichkeiten sowie betriebliche Nachhaltigkeitslösungen aus.

4. Akzeptanz, Regionenmarketing und Netzwerkbildung

Um die Zielsetzung der IHK im gesamten IHK-Bezirk zu stärken, wird angestrebt der Region im Bereich Nachhaltigkeit eine besondere Strahlkraft zu verleihen. Dazu werden erfolgreiche Best-Practices gebündelt und offensiv vermarktet sowie Netzwerke von Gleichgesinnten und ein Bündnis mit anderen wichtigen regionalen Playern wie der Bezirksregierung, der Handwerkskammer, den Landräten und Wirtschaftsförderern, dem Münsterland e.V. und den Gewerkschaften angestrebt. Die IHK verfolgt damit das Ziel einer oder mehrerer wirtschaftlichen Modellregionen, die sich durch besondere Nachhaltigkeit auszeichnen und dadurch Anziehungskraft für entsprechende Betriebe und Fachkräfte entwickeln.

5. Institutionalisierung in der IHK

Die IHK beruft einen Ausschuss für unternehmensverantwortliche Nachhaltigkeit. Aufgabe des Ausschusses ist es, unter breiter Beteiligung der Mitgliedsunternehmen eine Vision im Sinne eines langfristig orientierten Zielbildes zu entwerfen, das eine zukunftsfähige – nachhaltige – regionale Wirtschaft skizziert, die auch die Interessen zukünftiger Generationen berücksichtigt.
Er passt dieses Zielbild regelmäßig an und schlägt der IHK Zwischenschritte sowie hierauf abgepasste Maßnahmen und Handlungsschwerpunkte vor. Er schlägt der Vollversammlung grundlegende Positionen vor, um im Sinne des Leitbildes sprachfähig zu sein und Voraussetzungen einer wirtschaftsbezogenen Nachhaltigkeitspolitik formulieren zu dürfen. Die Mitglieder des Ausschusses sollten die Vielfalt der Mitgliedsbetriebe repräsentieren und aus interessierten Personen und/oder Experten der Mitgliedsunternehmen bestehen. Mit den anderen Ausschüssen der Vollversammlung soll er in einem engen Austausch stehen, wozu Mitgliederüberschneidungen mit den Regional- und Fachausschüssen angestrebt werden.
Verabschiedet von der Vollversammlung der IHK Nord Westfalen am 17.6.2021.