18. Dezember 2024

„Betriebe stellen täglich die Vertrauensfrage“

IHK-Spitze zum Jahreswechsel: 2025 wird entscheidend
Münsterland/Emscher-Lippe-Region. - „Ein Jahr voller Herausforderungen“ steht den Unternehmen im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region nach Einschätzung der IHK Nord Westfalen bevor. Und das liegt für die IHK weniger an der bevorstehenden US-Präsidentschaft von Donald Trump und seiner Ankündigung, Zölle einzuführen. Die grundlegenden Wirtschaftsprobleme sind laut IHK über Jahre gewachsen und allergrößtenteils „Made in Germany“. Angesichts der seit fünf Jahren anhaltenden Wirtschaftsflaute fordern IHK-Präsident Dr. Benedikt Hüffer und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel deshalb von der zukünftigen Bundesregierung, „das Ruder herumzureißen“. Das sei nicht leicht, aber keineswegs unmöglich. 2025 werde das Jahr, in dem sich auch die mittel- und langfristige wirtschaftliche Entwicklung des Münsterlandes und der Emscher-Lippe-Region entscheide.
Für Hüffer und Jaeckel ist es die wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung, schnell das Vertrauen der Unternehmen in den Wirtschaftsstandort wiederherzustellen. Ein realistischer wirtschafts- und energiepolitischer Kurs und Entscheidungen mit langfristiger Geltungsdauer sind aus Sicht der IHK die Voraussetzungen dafür, den Unternehmen wieder Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Welche konkreten Maßnahmen damit verbunden werden sollten, hatte die IHK bereits im März 2024 in einem „Leitfaden zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit“ zusammengefasst.
„Unternehmen investieren nur dort, wo sie verlässliche und wettbewerbsfähige Standortbedingungen vorfinden“, betont Hüffer. Es gehöre aber zu den Realitäten, mit denen Unternehmen konfrontiert seien, dass die Unternehmensbesteuerung wie auch die Arbeits- und Energiekosten in Deutschland höher seien als in vergleichbaren Ländern. Das gelte ebenso für die Belastung durch Bürokratie, die trotz aller Ankündigungen weiter steige, nur nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren.
Die Standortnachteile, mit denen sich die Unternehmen im internationalen Wettbewerb behaupten müssten, seien hinlänglich bekannt. Der Analyse müssten nun schnell grundlegende Weichenstellungen folgen, forderte Hüffer. „Viele Betriebe in unserem Land stellen täglich die Vertrauensfrage“, verdeutlichte der IHK-Präsident den Ernst der Lage, der durch die beinahe täglichen Meldungen über Stellenabbau offenkundig werde: „Viele Unternehmen können nicht auf das Ende politischer Debatten warten.“
Die Verunsicherung insbesondere durch den energiepolitischen Kurs sei enorm hoch. „Die Zweifel an der grundlegenden Sicherheit der Energieversorgung sind groß, die Hoffnung auf wettbewerbsfähige Energiepreise gering“, skizzierte der IHK-Präsident den Kern des Problems für viele Unternehmen. Wie stark die Energiefragen insbesondere Industriebetriebe belasten, zeigt das DIHK-Energiewende-Barometer. Nach der IHK-Umfrage bei bundesweit 3.300 Unternehmen, deren Antworten in das Barometer einfließen, wirkt sich die Energiewende für 29 Prozent der Betriebe negativ, für weitere 15 Prozent sogar sehr negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit aus. Mit minus 20 hat das Energiewende-Barometer den zweitschlechtesten Wert seit 2012.
Die Zahl der Industriebetriebe, die aufgrund veränderter energiepolitischer Rahmenbedingungen Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung ins Ausland erwägen, steigt laut dieser IHK-Umfrage kontinuierlich. Überdurchschnittlich stark ist diese Tendenz bei Industriebetrieben mit hohen Stromkosten (2022: 25 Prozent – 2023: 38 Prozent – 2024: 45 Prozent) sowie bei Industrieunternehmen mit 500 oder mehr Beschäftigten. Unter Letzteren hat sich der Anteil der Betriebe mit Produktionseinschränkungen und Abwanderungsplänen von 37 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell 51 Prozent erhöht.
Diese Umfrageergebnisse decken sich mit dem sinkenden Energieverbrauch der Industrieunternehmen in Deutschland. Er ist nach den aktuell für 2023 verfügbaren Zahlen zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Im IHK-Bezirk Nord Westfalen fiel der Rückgang nach fünf Prozent im Vorjahr mit aktuell fast zehn Prozent noch stärker aus als im bundesweiten Durchschnitt (- 7,9).
Wie der Energieverbrauch ist auch der Gesamtumsatz der Industrie weiter rückläufig. Nach den aktuell verfügbaren Zahlen von IT.NRW für Januar bis September 2024 ist der Umsatz 3,4 Prozent niedriger als in den ersten neun Monaten des Vorjahres. Landesweit ging der Umsatz sogar um 4,8 Prozent zurück.


Industrieumsätze

Industrieumsatz im IHK-Bezirk sowie in den Kreisen und Kreisfreien Städten von Januar bis September 2024 (Veränderung gegenüber 2023):
  • IHK-Bezirk Nord Westfalen: 34,5 Milliarden Euro (- 3,4 Prozent)
  • Stadt Bottrop: 0,7 Milliarden Euro (+ 11,2 Prozent)
  • Stadt Gelsenkirchen: 2,5 Milliarden Euro (- 3,5 Prozent)
  • Stadt Münster: 2,1 Milliarden Euro (+ 3,7 Prozent)
  • Kreis Borken: 6,4 Milliarden Euro (- 7,4 Prozent)
  • Kreis Coesfeld: 3,6 Milliarden Euro (-1,8 Prozent)
  • Kreis Recklinghausen: 6,7 Milliarden Euro (+ 2,8 Prozent)
  • Kreis Steinfurt: 7,5 Milliarden Euro (- 8,2 Prozent)
  • Kreis Warendorf: 5,0 Milliarden Euro (- 4,1 Prozent).
Internet-Tipp: Weitere regionale Daten zur Industrieentwicklung im IHK-Wirtschaftsatlas.