Steuerrecht - Merkblätter

Steuerschuldumkehr bei Bauleistungen und Gebäudereinigungs-Leistungen

Merkblatt. Stand: 1. Januar 2017 

1. Allgemeines

Das Prinzip der Steuerschuldumkehr ist vielen bei der Erbringung von Dienstleistungen ins Ausland bekannt. Die steuerlichen Regelungen sehen aber auch für bestimmte inländische Sonderfälle dieses Prinzip vor, beispielsweise bei Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen. Hintergrund war, dass für diese Bereiche besondere Missbrauchsanfälligkeit zur Umsatzsteuerhinterziehung festgestellt wurde. Um zu verhindern, dass die Umsatzsteuer zwar an den Leistenden bezahlt, jedoch vom Leistenden nicht ans Finanzamt entrichtet wird, verlagert sich daher in bestimmten Konstellationen die Steuerschuld grundsätzlich auf den in der Regel inländischen und vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger. Folge hiervon ist, dass der leistende Unternehmer eine Nettorechnung ausstellt und der Leistungsempfänger den Leistungsbezug in eigener Steuerschuld versteuert. Hierzu hat er den entsprechenden Steuerbetrag in seiner Umsatzsteuervoranmeldung anzumelden und kann bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen diesen gleichzeitig als Vorsteuer geltend machen.
Beispiel: Bauunternehmer A aus Stuttgart errichtet für Generalunternehmer B aus Frankfurt den Rohbau einer Werkshalle in Stuttgart. Das Entgelt für die Leistung des A beträgt 100.000 Euro. Nach der Regelung rechnet A an B netto 100.000 Euro ab. B schuldet für den Leistungsbezug 19 Prozent Umsatzsteuer, das heißt 19.000 Euro. Diese meldet er im Rahmen seiner Umsatzsteuervoranmeldung in eigener Steuerschuld an. Den entsprechenden Betrag kann er als Vorsteuer geltend machen. 

2. Anwendungsbereich

Die Steuerschuldumkehr bei Bau- und Gebäudereinigungsleistungen ist grundsätzlich nicht neu. Sie wurde für Bauleistungen bereits zum 1. April 2004 und für Gebäudereinigungsleistungen zum 1. Januar 2011 eingeführt.  Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mussten Teile der gesetzlichen Regelung jedoch neu gefasst werden. Die hier dargestellten Regelungen gelten für nach Inkrafttreten dieser Neuregelung ausgeführte Umsätze ab dem 1. Oktober 2014. 
Werden Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist und selbst Bauleistungen bzw. Gebäudereinigungsleistungen nachhaltig erbringt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmer diese Leistungen selbst für eine Bauleistung oder Gebäudereinigungsleistung verwendet. 

a. Bauleistungen

Als Bauleistung gelten im Bereich des § 13 b UStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, wobei der Begriff des Bauwerks nicht nur Gebäude, sondern sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (Brücken, Straßen) umfasst.
Planungs- und Überwachungsleistungen sind ausgenommen. Leistungen von Architekten, Laboren, Ingenieuren, Statikern, Rechnungsprüfern, Ausschreibungen u. ä. fallen damit nicht unter den Begriff der Bauleistung.
Die Einordnung als Bauleistung setzt voraus, dass die Leistung sich unmittelbar auf die Substanz eines Bauwerks auswirkt, das heißt Substanz erweitert, verbessert, erhält oder beseitigt. Hierzu zählen Erhaltungsaufwendungen (zum Beispiel Reparaturleistungen), künstlerische Leistungen und Reinigungsleistungen mit Substanzveränderung (beispielsweise Sandstrahlen), der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen sowie die Errichtung von Dächern und Treppenhäusern. Außerdem zählen hierzu Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Bauwerks, die Installation einer EDV- oder Telefonanlagen, die fest mit dem Bauwerk verbunden sind, in das sie eingebaut werden oder die Dachbegrünung eines Bauwerks; dagegen zählen dazu beispielsweise keine Reinigungsleistungen oder Wartungsarbeiten ohne Substanzveränderung, ebenso nicht das Aufstellen von Messeständen und der Gerüstbau sowie keine reinen Lieferungen.
Eine hilfreiche Auflistung in tabellarischer Form, was als Bauleistung einzustufen ist, gibt die Verfügung der OFD Karlsruhe. Mit Steueränderungsgesetz 2015 ist der Begriff der Bauleistung mit Wirkung ab 6. November 2015 nochmals präzisiert worden. Gesetzlich geregelt sind nunmehr auch Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück, wenn sie der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Als Grundstücke gelten dabei auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Damit werden auch Betriebsvorrichtungen erfasst, die nach bisheriger BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 28. August 2014, V R 7/14) nur dann als Bauleistung zu werten waren, wenn sie eine Funktion für das Gebäude an sich oder einen eigenen Zweck hatten.

b. Gebäudereinigungsleistungen

Unter die Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen fällt insbesondere
  1. die Reinigung sowie die pflegende und schützende (Nach-)Behandlung von Gebäuden und Gebäudeteilen (innen und außen),
  2. die Hausfassadenreinigung (einschließlich Graffitientfernung),
  3. die Fensterreinigung,
  4. die Reinigung von Dachrinnen und Fallrohren,
  5. die Bauendreinigung,
  6. die Reinigung von haustechnischen Anlagen, soweit es sich nicht um Wartungsarbeiten handelt und
  7. die Hausmeisterdienste und die Objektbetreuung, wenn sie auch Gebäudereinigungsleistungen beinhalten.
Nicht hierunter fallen insbesondere 
  1. die Schornsteinreinigung,
  2. die Schädlingsbekämpfung,
  3. der Winterdienst, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt,
  4. die Reinigung von Inventar, wie Möbel, Teppiche, Matratzen, Bettwäsche, Gardinen und Vorhänge, Geschirr, Jalousien und Bilder, soweit es sich um eine eigenständige Leistung handelt.

c. Nachhaltigkeit

Ein Unternehmer erbringt dann nachhaltig Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen, wenn er mindestens zehn Prozent seines Weltumsatzes (Summe seiner im Inland steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze) als Bauleistungen beziehungsweise Gebäudereinigungsleistungen erbringt.
Von dieser Voraussetzung ist auszugehen, wenn das zuständige Finanzamt dies bescheinigt. Hierfür ist ein Vordruckmuster (USt 1 TG) vorgesehen. Die Bescheinigung muss im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültig sein. Bei Erteilung dieser Bescheinigung wird aus Vereinfachungsgründen auf den Weltumsatz des im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung abgelaufenen Besteuerungszeitraums abgestellt.
Hat der Leistungsempfänger bisher noch keine Bauleistungen ausgeführt bzw. nimmt er die Tätigkeit in diesem Bereich erst auf, stellt das Finanzamt dem Unternehmer die Bescheinigung aus, wenn er nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat und die Bauleistungen voraussichtlich mehr als zehn Prozent seines Weltumsatzes betragen werden.
Sowohl die Bescheinigung für Bauleistungen als auch die für Gebäudereinigungsleistungen sind auf längstens drei Jahre befristet, um dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger Rechtssicherheit zu gewährleisten. Aus Rechtsschutzgründen können sie zudem nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen werden. Wenn die Bescheinigung durch das Finanzamt widerrufen oder zurückgenommen wurde, darf sie der Unternehmer nicht mehr verwenden. Wurde die Bescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen oder zurückgenommen und erbringt der Leistungsempfänger nicht nachhaltig Bauleistungen oder Gebäudereinigungsleistungen, schuldet der leistende Unternehmer dann die Steuer, wenn er hiervon Kenntnis hatte oder hätte haben können.
Der Leistungsempfänger ist auch dann Steuerschuldner, wenn ihm das Finanzamt eine Bescheinigung ausgestellt hat, er diese aber gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet.
Unternehmer, die eine Bauleistung für Dritte besorgen, erbringen selbst eine Bauleistung, es sei denn, es handelt sich um eine reine Bauträgerträgerleistung, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt. Diese Unternehmer werden zum nachhaltig Bauleistenden im Sinne der Regelung, wenn ihre Umsätze zu mehr als zehn Prozent aus besorgten Bauleistungen bestehen oder sie eine Freistellungsbescheinigung vorlegen.
Wohnungseigentümergemeinschaften werden nicht zum Steuerschuldner, wenn sie Bauleistungen als nach § 4 Nr. 13 UStG steuerfreie Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaften an die einzelnen Wohnungseigentümer weiter geben.
Auch tritt die Steuerschuldumkehr in den Fällen nicht ein, in denen der leistende Unternehmer die Kleinunternehmerregelung des § 19 Absatz 1 UStG anwendet. Ein Leistungsempfänger, der eine Bauleistung von einem Kleinunternehmer bezieht, bei dem keine Umsatzsteuer erhoben wird (vergleiche § 19 Abs. 1 UStG), schuldet demnach keine Umsatzsteuer nach § 13b UStG Hingegen kann ein Kleinunternehmer, der Bauleistungen bezieht, Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulden.

d. Bagatellgrenze

Nicht unter den Begriff der Bauleistung fallen nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums an sich als Bauleistung einzuordnende Reparatur- und Wartungsarbeiten an Bauwerken, wenn das (Netto-)Entgelt für den einzelnen Umsatz nicht mehr als 500 Euro beträgt. Die Bagatellregelung soll der Erleichterung der Abgrenzungsfragen bei Wartung und Reparaturen dienen. Sie ist grundsätzlich nicht anwendbar bei Anbauten, Neubauten, Erweiterungen, Abriss, das heißt Leistungen, die der Herstellung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Die Anwendung der Bagatellregelung ist nach Punkt 13b.2 Abs. 7 Nr. 15 UStAE zwingend. Damit soll es nicht möglich sein, aus Vereinfachungsgründen bei der Abrechnung an Bauleistende auch unterhalb der Bagatellgrenze bei Reparatur- und Wartungsleistungen die Regelungen zur Steuerschuldumkehr in Anspruch zu nehmen. Da der Gesetzeswortlaut die beschriebene Bagatellregelung nicht vorsieht, ist die Auffassung der Finanzverwaltung, die von der zwingenden Anwendung der Bagatellregelung ausgeht, jedoch zweifelhaft.

3. Zweifelsfälle

Soweit im Einzelfall Zweifel bei der Abgrenzung der Leistung und der Einordnung als Steuerschuldner entstehen, wird die einvernehmliche Anwendung der Steuerschuldumkehr nicht beanstandet, sofern die Leistung zutreffend versteuert wird.

Hinweis:

Die vorstehende Informationen wurden mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit kann dennoch nicht übernommen werden.
Wir danken der IHK Region Stuttgart für die Überlassung und freundliche Erlaubnis zur Wiedergabe