Interview

„Auch die inter­natio­nalen Mit­ar­bei­ten­den sollen sich bei uns wohl­füh­len“

IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub im Gespräch mit
Dirk Vialkowitsch, Geschäftsführer vacos GmbH

Herr Vialkowitsch, Sie führen erfolgreich zwei Unternehmen. Was treibt Sie an?

Aus meinem Studium hat sich ein aus geprägtes technisches Interesse entwickelt. Meine Vision ist, ein gesundes, nachhaltiges Unternehmen zu führen. Ich möchte, dass unsere Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen, denn Arbeitszeit ist Lebenszeit. Wir arbeiten viel für Großkunden. Da hängt es auch davon ab, wie sich unsere Mitarbeitenden wertgeschätzt fühlen. Also muss man als Unternehmer empathisch sein. Als Chef versuche ich jeden da abzuholen, wo er steht. Denn ich möchte, dass meine Leute mitdenken.

Sie rekrutieren Mitarbeitende aus aller Welt. Wie lässt sich da eine Kultur der Innovation fördern?

Auch Menschen aus anderen Kulturen sollen sich bei uns wohlfühlen. Innovationen hängen eher von der fachlichen Qualität ab. Meistens kristallisieren sich die, die vorangehen, von ganz alleine heraus. Sie setzen sich mit den aktuellen Anforderungen auseinander, recherchieren im Internet und achten auf Trends, ohne gleich jedem hinterherzurennen. Das ist ein Balanceakt zwischen Vision und Stabilität. Unsere Kunden sind eher funktionsgetrieben. Die wollen schlicht, dass es läuft.

Sie haben umfangreiche Erfahrungen mit ausländischen Fachkräften. Was können Sie anderen mit auf den Weg geben?

Wir haben einen Ausländeranteil von zehn Prozent. Das funktioniert gut, weil wir keine Unterschiede machen. Wichtig ist, dass man diese Leute im deutschen Bürokratiedschungel an die Hand nimmt. Manche kommen vom anderen Ende der Welt nur mit einem Koffer zu uns. Besonders gute Erfahrungen haben wir mit Kümmerern gesammelt, die ihre Kolleginnen und Kollegen betreuen.

Wie fügen sich unterschiedliche Geschäftszweige in Ihre Strategie ein? Profitieren sie voneinander?

Gerade die verschiedenen Themen machen unseren Alltag spannend. Da muss man permanent am Ball bleiben. Natürlich profitieren die Firmen voneinander. Bei beiden ist zum Beispiel elektrotechnische Erfahrung gefragt. Für uns ist es relativ einfach, Kapazitäten zu verschieben und bei Bedarf Personal auszutauschen. Auch die Administration nutzen wir gemeinsam.

Wie erleben Sie die schnelle Transformation der Automobilindustrie?

Die Transformation ist bei uns ein großes Thema. Auch wir waren mit der Werkstatt-Software in der Verbrennungstechnologie unterwegs. Da keine neuen Verbrennungsmotoren auf den Markt kommen, fällt bei uns viel Arbeit weg. Deshalb ist es eine große Herausforderung, in den neuen Technologien Fuß zu fassen. Vor Jahren war das autonome Fahren ein großer Hype. Jetzt konzentriert sich wegen des Klimawandels alles auf die E-Mobilität. Dem müssen wir uns anpassen.

Sie bieten Lösungen mit ERP-Systemen und Zeiterfassungssoftware. Ist die Zusammenarbeit mit Kunden da anders?

Unser Ziel ist, uns breit aufzustellen und unabhängiger von der Automotive-Branche zu werden. Der Bedarf für die Zeiterfassung hat zugenommen. Momentan arbeiten wir daran, die Software zu verfeinern. Letztendlich geht es aber nicht um die Überwachung am Arbeitsplatz, sondern um die faire Abrechnung von Arbeitszeiten beim Kunden. Das Thema ist auch für Handwerker interessant.

Mittelständler stehen vor der Herausforderung, digitale Technologien zu adaptieren. Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen dabei?

Die digitale Transformation ist unser Business. Die Großkonzerne tun sich leichter, der Mittelstand hingegen steht mehr unter Druck. Genau da setzt unsere Software ein.

Wie integrieren Sie Künstliche Intelligenz in Prozesse? Ermöglicht KI Verbesserung und Innovation?

Wir setzen KI mit Bedacht ein. Aktuell ist sie eher bei der Recherche und für die Erstellung kreativer Inhalte hilfreich. Mit der KI geht die ständige Angst einher, den Anschluss zu verpassen. Grundsätzlich wird sie Innovationen beschleunigen. Wobei die Kreativen als erstes von dem Strukturwandel betroffen sein werden.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von KI in Ihre Prozesse? Wie begegnen Sie diesen?

Ich werfe schon ein sehr kritisches Auge darauf, auch wenn ich primär technikaffin bin. Mit KI bedienen wir natürlich Monopolisten, deren Informationsvorsprung wir weiter anfüttern. Da muss der Mittelstand besonders aufpassen, weil er von der Bürokratie so geflutet wird, dass er zu viel mit anderen Dingen als der Wertschöpfung beschäftigt ist. Ich habe das Gefühl, dass der Politik gar nicht bewusst ist, was immer neue Vorschriften für den Mittelstand bedeuten.

Gibt es neue Märkte oder Geschäftsbereiche, denen Sie sich widmen?

Wir erweitern uns ständig, weil wir einem permanenten Wandel unterliegen. Momentan befinden wir uns jedoch in einer Phase, wo wir unsere Produkte verstärkt an den Markt bringen müssen, weil sich alles so rasant verändert.

Wie halten Sie sich über die Entwicklungen Ihrer Branche auf dem Laufenden und welche Rolle spielt lebenslanges Lernen für Sie?

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen heutzutage vor allem in die Tiefe lernen. Das geht in der Regel übers Netz. Als Chef muss ich mich breiter aufstellen. Ich sehe da eine gewisse Tendenz, weil immer mehr Menschen unter Depressionen leiden.

Wie blicken Sie auf den Standort Deutschland und wo sehen Sie Änderungsbedarf?

Ich bekenne mich zum Standort Deutschland, auch wenn wir durchaus offshore in Ostländern oder China arbeiten könnten. Aber ich hatte von Anfang an nicht den maximalen Gewinn im Sinn, sondern wollte in unserer Region etwas aufbauen. Die deutsche Politik sollte mehr auf die Stimme der Pragmatiker hören. Wer was zu entscheiden hat, müsste meiner Meinung nach zu einem Praktikum in der Wirtschaft verpflichtet werden. Dann wüsste er auch, warum es nervt, wenn bei uns alles so kompliziert gehandhabt wird.

Welche Ratschläge würden Sie jemanden geben, der sein eigenes Technologie-Start-up gründen möchte?

Er sollte zunächst herausfinden, ob er als Unternehmer für seine Sache brennt und den fachlichen Background hat. Statt aufs Geld zu schielen, muss er sich fragen, ob er bereit ist, Risiken in Kauf zu nehmen. Ein wenig Glück und der richtige Zeitpunkt können außerdem hilfreich sein.
Dirk Vialkowitsch
war nach dem Studium der Elektrotechnik als Softwareentwickler im Automotive-Bereich angestellt, bis er vor 24 Jahren die Einzelfirma vacos in seinem Privathaus gründete.
Von Werner Klein-Wiele