Jour-Fixe-Interview

Innovation ist ein Prozess und passiert nicht auf Knopfdruck

IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub im Gespräch mit
Norbert Weckerle und Tobias Marks, Geschäftsführer der apollon GmbH + Co. KG
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Herr Weckerle, Herr Marks, was muss sich der Laie unter Ihrem Geschäftsmodell vorstellen?

Norbert Weckerle: Wir sind eine Softwareschmiede. Im größeren Leistungsfeld entwickeln wir die Standardsoftware „Online Media Net“ (OMN), die unseren Kunden hilft, ihre Produkte optimal zu verkaufen. Aus unserer Plattform heraus werden die angereicherten und veredelten Produktinformationen für Webshops, Onlinemarktplätze, Preisportale, den Point-of-Sale und Printwerbemittel kanalspezifisch bereitgestellt. Nur mit hervorragenden Produktinformationen kann für den Verbraucher eine gute Customer Experience im Onlineshop und auf anderen Plattformen realisiert werden. Wir sind branchenübergreifend tätig. Unsere Kunden nutzen die Software, um ihre Produktdatenqualität zu erhöhen, die Time-to-Market durch Automatisierung zu verkürzen und um Zeit und Kosten zu sparen. Im zweiten Leistungsbereich realisieren wir E-Commerce-Projekte. Vorrangig werden Standardshopsysteme für Kunden implementiert, inklusive Analyse und Beratung. 

Im Juni werden Sie von Ranga Yogeshwar und Prof. Dr. Nikolaus Franke mit dem Award „TOP 100 der innovativsten Unternehmen“ ausgezeichnet. Ist dieser Erfolg ein Ergebnis systematischen Innovationsmanagements? 

Tobias Marks: Um diese Auszeichnung muss man sich bewerben. Wir haben schon immer sehr viel in Innovation investiert. Da bei unseren Kunden stets neue Themen anstehen, müssen wir immer auf aktuellstem Stand sein. Nur so können wir uns von unseren Mitbewerbern abheben. 
Norbert Weckerle: Innovation passiert nicht auf Knopfdruck. Das ist ein Prozess. Für uns ist besonders wichtig, dass uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen. Deshalb fördern wir in unserem Haus bewusst eine Innovationskultur. Wir schaffen zum Beispiel Möglichkeiten, dass sich Teams in Workshops damit auseinandersetzen. Teilweise beziehen wir sogar unsere Kunden in die Ideenfindung ein. Die besten Ergebnisse fließen dann in die Roadmap unserer Produktentwicklung ein, die wir in der Regel rund 18 Monate im Voraus planen. 
Tobias Marks: Es gibt keine schlechten Ideen! Alles kommt auf den Prüfstand und wird mit dem Markt abgeglichen. 

Künstliche Intelligenz und Chat GPT sind in aller Munde. Wie setzen Sie KI in Ihren Kundenlösungen ein? 

Norbert Weckerle: Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger und integraler Baustein in unserer OMN-Software. Endlich beschäftigen sich immer mehr Unternehmen mit dieser Thematik. Wir setzen bereits über 40 KI-Services ein: Das fängt bei automatischer Textgenerierung an, geht weiter zur automatischen Übersetzung in 160 Sprachen und reicht bis zur automatisierten Bilderkennung. Wir gehören quasi zu den Pionieren, auch wenn dafür viel Überzeugungsarbeit nötig war. Damit erschließt sich apollon neue Märkte, und es werden erhebliche Kosten auf Kundenseite gespart. KI ist für alle Kunden interessant, die Automatisierung in den Contenterstellungsprozessen haben wollen. 

Wie werten Sie den Digitalisierungsgrad in Deutschland? 

Norbert Weckerle: Da ist schon großer Nachholbedarf vorhanden. Unsere Behörden und Bildungseinrichtungen sind meilenweit von der Digitalisierung entfernt. Die Kunden im E-Commerce sind da viel weiter. Mit unserer Software setzen wir an der Basis an. Durch die Möglichkeit zur Automatisierung erreichen unsere Kunden einen enormen Geschwindigkeitszuwachs. 
Tobias Marks: Man muss dazu sagen, dass sich unser typischer Kunde schon länger als andere mit Digitalisierung beschäftigt. Da ist unser Kundenfeld dank E-Commerce sicher deutlich besser aufgestellt als der deutsche Durchschnitt.

Erleben Sie den Datenschutz wie viele Unternehmen auch als Bremsklotz? 

Norbert Weckerle: Manchmal hat man schon das Gefühl, dass Politiker weit weg von der Praxis sind. Es ist immens, welche Auswirkungen der Datenschutz auf den Unternehmensalltag haben kann. Den Unternehmen werden immer mehr Möglichkeiten genommen, das Verhalten ihrer Kunden zu analysieren. Und im Vergleich zu den USA schaffen wir uns in Europa durch Datenschutzverordnungen Wettbewerbsnachteile.

Wie steht’s dabei um die Cybersicherheit?

Tobias Marks: Am Ende ist eigentlich der Mensch die Schwachstelle im System. Wenn da Fehler gemacht werden, sind Unternehmen häufig wochen- oder monatelang nicht mehr arbeitsfähig. 

Sie bilden selber aus und bieten sogar einen dualen Studienplatz an. Spüren Sie dennoch den Fachkräftemangel? 

Norbert Weckerle: Wir betreuen im Schnitt zwischen 8 und 12 Auszubildende. Das ist eine Quote von über zehn Prozent. Darauf sind wir stolz. Ausbildung ist für uns ein extrem wichtiges Mittel gegen den Fachkräftemangel. Im Prinzip übernehmen wir alle jungen Leute, die wir ausgebildet haben. 
Tobias Marks: Das Problem ist doch, dass heutzutage jeder studieren möchte. Damit sind sie vom Ausbildungsmarkt verschwunden. Deshalb steuern wir mit unserem Angebot des dualen Anschlussstudiums dagegen, um die jungen Leute halten zu können. Meistens können wir sie sogar davon überzeugen, dass sie in einem kleineren Unternehmen mit familiärem Umfeld viel mehr bewegen können als in einem großen Konzern. 

Ist für Sie auch die Weiterbildung ein Thema? 

Norbert Weckerle: Weiterbildung ist zwingend notwendig, denn die Technologien ändern sich ständig. Für Informatiker ist lebenslanges Lernen ohnehin Grundvoraussetzung. 

Wie binden Sie die jungen Leute nach Ausbildung und Studium an Ihr Unternehmen?

Tobias Marks: Dazu muss man eine gewisse Struktur schaffen. Trotz Homeoffice gilt es, Angebote über den Arbeitsalltag hinaus zu bieten. Wir unternehmen zum Beispiel mehrere Ausflüge übers Jahr, gehen zum Skifahren, besuchen interessante Veranstaltungen und Unternehmen, treffen uns zum gemeinsamen Grillen oder Zocken und organisieren eigene Events. Bei den Aktivitäten sind häufig sogar Familienmitglieder dabei. Das wird sehr gerne angenommen. Unsere Auszubildenden werden schon früh in die Kundenbesuche eingebunden. Das gilt auch für die Kollegen, die bereits ausgelernt haben. Wir engagieren uns außerdem ganz bewusst in der Pforzheimer Medien- und IT-Initiative. 
Norbert Weckerle,

Geschäftsführer bei Meyle+Müller GmbH+Co. KG und bei der apollon GmbH+Co. KG, trägt als CEO die strategische und operative Verantwortung für die apollon GmbH+Co. KG. Er absolvierte eine Ausbildung zum Verlagskaufmann und arbeitete nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften zunächst als Consultant und Projektleiter.
Tobias Marks

ist Geschäftsführer bei der apollon GmbH+Co. KG. Er verantwortet als CCO Vertrieb und Marketing. Marks studierte Betriebswirtschaft in Stuttgart, Berlin und Brasilia und sammelte Erfahrungen in mehreren Unternehmen im Bereich IT, ehe er 2012 nach Pforzheim wechselte.
Werner Klein-Wiele