Internationale Handelpolitik

Handelsabkommen RCEP

Hintergrund

Das Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement (kurz RCEP) ist ein ASEAN-getriebenes Abkommen, das 15 Mitgliedstaaten umfasst und auf fast 30 Prozent der Weltwirtschaftsleistung, -handel und -bevölkerung entfallen. Mitgliedstaaten sind die zehn ASEAN-Länder (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) sowie Australien, China, Japan, Neuseeland und Südkorea.
Ziel des Abkommens ist primär der Abbau von tarifären Handelshemmnissen. Etwa 90 Prozent aller Zölle sollen in den kommenden 20 Jahren abgebaut werden.
Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen mindestens sechs ASEAN-Staaten und drei weitere Unterzeichnerstaaten ihre Ratifizierungs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde beim ASEAN-Sekretariat hinterlegen. Neun der 15 Verhandlungspartner haben bisher das Abkommen ratifiziert. Indien, das zu Beginn bei den Verhandlungsrunden dabei war, hat sich im Jahr 2019 aufgrund innenpolitischer Gründe gegen eine Teilnahme entschieden.
Nach 31 Verhandlungsrunden und acht Jahren Vorbereitung wurde das Abkommen am 15. November 2020 unterzeichnet: das größte Freihandelsabkommen der Welt ist entstanden. Am 01. Januar 2022 trat RCEP in Kraft und gilt erstmal nur für die Unterzeichnerstaaten. Für die restlichen Vertragsstaaten Indonesien, Malaysia, Myanmar, die Philippinen sowie für Südkorea wird das Abkommen 60 Tage nach deren Ratifizierung in Kraft treten.

Freihandelsabkommen und Zollabbau

Beim RCEP handelt es sich um eine Freihandelszone und nicht um eine Zollunion. Daher bleiben die jeweiligen nationalen Zolltarife der Teilnehmerstaaten erhalten. Die bestehenden Zölle zwischen den RCEP-Ländern werden für Ursprungserzeugnisse dieser Länder abgebaut. Die Zollhöhe ist dabei sehr unterschiedlich: Zwischen den ASEAN-Staaten gibt es bereits bislang fast keine Zölle, auch deren Zolltarife gegenüber Drittstaaten sind niedrig. Die größten Ersparnisse wird es im Handel zwischen China und Japan sowie zwischen Japan und Südkorea geben. Die Zölle entfallen nicht sofort, sondern sind jeweils im bilateralen Verhältnis in Tarifvereinbarungen festgelegt. Die Zollabbaustufen können sich bei sensiblen Erzeugnissen auf bis zu 20 Jahre erstrecken. Die Einzelheiten finden sich in Kapitel 2, Sec. A, Art. 2.4 (1) RCEP, die Zeitpläne und -abbaustufen in Anhang I „Schedules of Tariff Commitments“)

Ursprungsregeln und Ursprungsnachweise

Die bereits bestehenden Ursprungsregeln und Nachweise der RCEP-Staaten (unter anderem zwischen den ASEAN-Staaten) sollen harmonisiert und zusammengefasst werden. Kapitel 3 „Rules of Origin“ legt u.a. fest, welche Waren vom Abkommen erfasst werden und daher für eine Zollpräferenzbehandlung in Frage kommen. Anhang 3A enthält produktspezifische Regeln ( Product-Specific Rules – PSR , vgl.), die die Anforderungen zur Bestimmung der Ursprungseigenschaft von Waren festgelegen. Bei der Ermittlung des Warenursprungs dürfen Vorleistungen aus allen 15 RCEP-Staaten verwendet werden (Diagonale Kumulation). Der präferenzielle Ursprung muss mit einem RCEP-Ursprungszeugnis nachgewiesen werden. Abschnitt B des Kapitels 3 beinhaltet die technischen Einzelheiten des Verfahrens.

Nichttarifäre Maßnahmen und Zollverfahren

In den Kapiteln 2 und 4 werden verwaltungstechnische Erleichterungen und Harmonisierungen festgelegt. Dazu gehören insbesondere Erleichterungen bei Importlizenzen, eine Obergrenze von Gebühren und Lizenzkosten sowie ein harmonisiertes Antragsverfahren. Zollverfahren und Formalitäten werden ebenfalls transparenter gestaltet, die Abfertigung und Freigabe der Waren muss innerhalb festgelegter Fristen von 6 bzw. 48 Stunden erfolgen.

Handel mit Dienstleistungen

Diese Bestimmungen zielen darauf ab, den Handel mit Dienstleistungen innerhalb der Region zu verbessern, indem sie Regeln zum Marktzugang, zur Inländerbehandlung sowie zur Meistbegünstigung festlegen. Sie konzentrieren sich jedoch hauptsächlich auf den Handel mit Finanz, Telekommunikations- und professionellen Dienstleistungen. Konkret verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Umsetzung der Erleichterungen durch sogenannte Negativlisten.

Investitionen

Das RCEP enthält ein Kapitel über den Schutz gegenseitiger grenzüberschreitenden Investitionen. Konkret sind dies Regelungen zum Schutz vor Enteignung, vor unfairer Behandlung und vor Diskriminierung von Investoren. Etwas auffällig ist, dass der Investitionsschutz nicht in den Bereich der Streitbeilegung des Abkommens fällt.

Geistiges Eigentum

Die RCEP-Länder sind eine wichtige Quelle für geistiges Eigentum. Im Jahr 2019 kamen nach Informationen der WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) von den über drei Millionen weltweiten Patentanmeldungen mehr als zwei Drittel aus RCEP-Ländern. Damit war es nur konsequent, dass Schutzrechte zum geistigen Eigentum auch im Abkommen verankert wurden, mit dem Ziel eine wirksame regionale Zusammenarbeit, ein gemeinsames Schutzniveau und Durchsetzungsmöglichkeiten zu schaffen. Konkret enthält das Abkommen ein recht umfangreiches Kapitel mit Regelungen insbesondere zu Urheberrechten, Marken, geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen, Gebrauchsmustern und Designs, Patenten und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Das TRIPS-Abkommen der WTO (Trade Related Aspects of Intellectual Property) dient dem RCEP dabei als Minimalstandard; an einigen Stellen geht das RCEP jedoch über das Schutzniveau von TRIPS hinaus, beispielsweise im Bereich des digitalen Urheberrechts. Das Schutzniveau ist insgesamt recht beachtlich, wenngleich die Durchsetzungsanforderungen viel Spielraum für die nationale Umsetzung der Regeln lassen - so gibt es hier beispielsweise relative großzügige Übergangsfristen.

Elektronischer Handel

Die Bestimmungen in diesem Bereich ermutigen die Mitgliedsländer, elektronische Mittel für Handelsverfahren einzuführen und diese parallel zum traditionellen Rechtsrahmen zu nutzen. Sie bieten weiteren Schutz für personenbezogene Daten von Anbietern und Verbrauchern, die den elektronischen Handel nutzen, und behandelt verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Datentransfer. Konkret werden die Vertragsparteien aufgefordert, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der ein günstiges Umfeld für die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs schafft, einschließlich des Schutzes der persönlichen Daten der Nutzer des elektronischen Geschäftsverkehrs, und der den Schutz der Verbraucher beim elektronischen Geschäftsverkehr gewährleistet. Das Kapitel über den elektronischen Geschäftsverkehr behandelt auch einige datenbezogene Fragen durch Bestimmungen über den Standort von Datenverarbeitungsanlagen und die grenzüberschreitende Übermittlung von Informationen auf elektronischem Wege.

Öffentliches Beschaffungswesen

Das Abkommen enthält ein separates Kapitel zum öffentlichen Beschaffungswesen. Hier gibt es jedoch keine konkreten Marktzugangsregelungen und es ist eher allgemein gehalten. Immerhin enthält es jedoch wechselseitige Verpflichtungen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens die jeweiligen nationalen Gesetze und Vorschriften zu veröffentlichen und sicherzustellen, dass die nationalen Verfahren im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens öffentlich zugänglich gemacht werden. Jede Vertragspartei ist außerdem angehalten, die Veröffentlichungen im Interesse der Transparenz nach Möglichkeit elektronisch und in englischer Sprache vorzunehmen. Etwas weniger Gewicht erhalten diese Verpflichtungen, weil die Regelungen des Abkommens zur Streitbeilegung nicht für die Bestimmungen des Kapitels zum öffentlichen anwendbar sind.

Arbeitnehmerschutzrechte

Das Thema der Arbeitnehmerschutzrechte ist komplett aus dem Abkommen ausgeklammert. Hier muss jedoch erwähnt werden, dass auch andere Handelsabkommen wie zum Beispiel CETA sich in der Regel nur mit einem Verweis auf allgemeine Standards und Prinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) begnügen und mit eher weicheren Formulierungen wie "verstärkten Anstrengungen" arbeiten.

Beilegung von Streitigkeiten

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung des RCEP oder über die Nichtübereinstimmung oder Nichterfüllung der in diesem Abkommen festgelegten Verpflichtungen können nach den üblichen Auslegungsregeln des Völkerrechts beigelegt werden. Das Verfahren wird dabei nur in englischer Sprache geführt. Das Verfahren wird von einem dreiköpfigen Panel geführt und ist grundsätzlich abschließend. Auffallend ist, dass zahlreiche Kapitel des RCEP-Abkommens vom Streitschlichtungsmechanismus ausgeschlossen sind, so zum Beispiel das Kapitel zum Öffentlichen Beschaffungswesen.

Bedeutung für deutsche/europäische Unternehmen

Die RCEP-Staaten sind für die EU wichtige Handelspartner. Im Jahr 2019 betrugen die Importe aus den RCEP-Mitgliedsländern in die EU 31.5 Prozent. 20 Prozent der EU-Exporte gingen in RCEP-Länder. Der asiatisch-pazifische Raum war bisher ein wichtiger Absatzmarkt für technisch anspruchsvolle Güter. Für die EU könnte das RCEP-Abkommen eine Herausforderung in ihrer bisher wettbewerbsstarken Position technischer Güter bedeuten, da mit reduzierten Handelsbarrieren zwischen den RCEP-Mitgliedsländern Handelsströme umgelenkt werden können. Die Produktion und der Handel innerhalb der RCEP-Region würde im Gegensatz zum Import in die RCEP-Länder günstiger werden.
Robin Hoenig, Bereichsleiter der AHK Singapur für das Kompetenzzentrum Handelspolitik in Asien/ASEAN, erwartet zwei Effekte bei baden-württembergischen Unternehmen:
  • mithilfe des RCEP können deutsche Unternehmen zollfrei in die Region exportieren. Voraussetzung ist, dass Unternehmen im Hoheitsgebiet der Vertragspartner produzieren und die Ursprungsvorschriften einhalten.
  • RCEP dient als zusätzliches Instrument im internationalen Handel. Sollten Unternehmen aufgrund komplizierter Wertschöpfung nicht in der Lage sein, regionale Freihandelsabkommen wie etwa das ASEAN-China Freihandelsabkommen anwenden können, so können sie auf RCEP zurückgreifen.
Auch auf Bundesebene wird das neue Abkommen grundsätzlich als positive Entwicklung angesehen. In einem offiziellen Schreiben wird berichtet, dass die Stärkung der regionalen Integration durch RCEP ein Beitrag zur international regelbasierten Wirtschaftsordnung sei. Das sei gerade in der jetzigen Zeit, die von Handelskonflikten und protektionistischen Tendenzen geprägt ist, besonders wichtig. An und für sich können auch europäische Unternehmen, die im Indo-Pazifischen-Raum tätig sind, von RCEP profitieren. Zollabbau und der Abbau von regulatorischen Handelshemmnissen könne ihnen erlauben, Produktion und Lieferketten zu diversifizieren, was den Konsumenten in Europa zugutekäme.
Ebenso wurde jedoch unterstrichen, dass Unternehmen, die nicht in Asien produzieren, sondern nur dorthin exportierten, mit dem Abkommen Nachteile erfahren könnten, falls europäische Exportprodukte durch Erzeugnisse aus der neuen Freihandelszone ersetzt würden.
Auch wenn nur geringfügige Zollsenkungen zu erwarten sind, da der Handel durch bereits bestehende Handelsabkommen weitestgehend liberalisiert wurde, wird das RCEP-Abkommen handelsschaffende Effekte haben. Experten gehen davon aus, dass Indien und die USA am stärksten von diesen Handelsumlenkungseffekten betroffen sein werden.

Der DIHK hat eine Informationsseite erstellt, die Zahlen und Fakten zu den Handelsbeziehungen der deutschen Wirtschaft mit den RCEP-Mitgliedern darstellt.

Quelle: IHK Stuttgart