Bundesliga-Ball aus Goch

„Das hat der Region gutgetan"

Joachim Böhmer (62), COO des Sportartikelherstellers Derbystar, spricht im Interview über Traumtore mit dem Produkt vom Niederrhein, Freudentränen in seinem Unternehmen und Ziele bis zum Firmenjubiläum im Jahr 2028.

Herr Böhmer, haben Sie ein Lieblingstor, das mit einem Derbystar-Ball erzielt worden ist?
Schwierige Frage, die Fußballer haben mit unseren Bällen schon viele Traumtore erzielt. Spontan fällt mir ein Treffer von Cristian Gamboa für den VfL Bochum ein. Der ist vor zwei Jahren beim Sieg gegen Bayern München von außen in den Strafraum gezogen und hat den Ball in den linken Winkel genagelt. Das hat mich als Bochum-Fan natürlich richtig gefreut. Und dem Brasilianer Diego ist für Werder Bremen gegen Alemannia Aachen mal das Tor des Jahres gelungen – aus mehr als 60 Metern. Ein Foto von der Szene habe ich mir als Poster eingerahmt.
Sprechen wir über Ihren Start bei Derbystar. 1984 haben Sie in Goch begonnen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Das ist mit heute gar nicht zu vergleichen. Damals lagen wir bei vier Millionen D-Mark Jahresumsatz. Und die Abläufe waren auch anders. Wir haben damals Aufträge noch per Postkarte bestätigt. Der Kauf eines Faxgerätes war für uns eine technische Revolution. Die Anfangszeit war für mich aber sehr spannend. Ich hatte zuvor meine Ausbildung bei Elefanten-Schuhe in Kleve gemacht und wollte mal was Neues sehen. Derbystar hat per Annonce einen Mitarbeiter für den Verkauf gesucht, ich habe mich vorgestellt – und dann hat es gepasst.
Wie sah das Sortiment damals aus?
Wir haben unseren Umsatz fast ausschließlich durch den Verkauf von Fußbällen gemacht. Und die Auftragsmengen waren noch überschaubar. Wenn ein Kunde mal 100 Bälle bestellt hat, war das schon sensationell für uns.
Wie hat es Ihr Unternehmen in die Bundesliga geschafft?
Wir standen immer für gute Qualität und konnten deshalb Verträge mit einzelnen Klubs abschließen – wie dem MSV Duisburg oder Borussia Mönchengladbach. Nach der Jahrtausendwende war der Markt sehr undurchsichtig. Elf verschiedene Hersteller haben die Profiklubs damals mit Bällen versorgt. Deshalb hat die Deutsche Fußball-Liga beschlossen, ab 2010 einen Einheitsball einzuführen. Wir haben zunächst an der Ausschreibung teilgenommen, aber dann befürchtet, dass uns die Sache über den Kopf wächst. Deshalb haben wir unser Angebot zurückgezogen.
Was hat das für Folgen gehabt?
Wir waren auf einmal nicht mehr in den Bundesliga-Stadien präsent. Die Umsatzzahlen passten noch, aber im Laufe der Jahre ist unsere Markenbekanntheit zurückgegangen. Unser Wunsch war deshalb die Rückkehr in die Bundesliga. An der dritten Ausschreibung haben wir dann wieder teilgenommen, wohlwissend, dass wir als Außenseiter nur geringe Chancen auf den Zuschlag hatten. Da ging es darum, den Einheitsball ab dem Sommer 2018 zu produzieren.
Und im Frühjahr 2017 gab es den Zuschlag für Derbystar. Was war in Goch los, als die Entscheidung verkündet wurde?
Hier herrschte Ausnahmezustand. Einige Kollegen haben vor Glück geweint. Dann kamen die schönen Zitate der Profis. Ein Bundesliga-Torwart hat gesagt, dass wir einen ehrlichen Ball produzieren. Das macht einen stolz. Überhaupt finde ich die Geschichte sensationell: Wir als Mittelständler vom Niederrhein haben uns gegen die Global Player unserer Branche durchgesetzt. Die Nachricht hat auch der gesamten Region gutgetan. Viele Einwohner aus dem Kreis Kleve sind stolz darauf, dass der Bundesliga-Ball aus der Nachbarschaft kommt.
Welche Rolle spielt der Standort in dieser Erfolgsgeschichte?
Für uns passt es in Goch. Wir finden hier gutes Personal, und das ist auch ein Grund des Erfolges. Ein Unternehmen ist immer nur so gut wie seine Mitarbeiter es sind. Wir wissen, wo wir herkommen. Deshalb suchen wir auch den ständigen Austausch mit den Klubs aus der Region. Wir laden ortsansässige Vereine in unsere Firma ein und sprechen mit den Verantwortlichen über Partnerschaften. Und wenn ein Fußballteam mal kurzfristig was benötigt, ist das kein Problem: Wir sind ja hier – und haben die ganzen Produkte auf Lager.
Derbystar wird mit handgenähten Bällen in Verbindung gebracht. Die Firma steht aber für mehr.
Wir sind mittlerweile ein Vollsortimenter für den Teamsportbereich, vertreiben auch umfassende Textil-Kollektionen und Zubehör. Selbstverständlich bringt man uns in erster Linie mit Bällen in Verbindung, damit machen wir immer noch 80 Prozent unseres Umsatzes. Aber wir haben uns im Laufe der Zeit breiter aufgestellt und legen künftig verstärkt einen Fokus auf den Textilbereich.
Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft noch gesteckt?
Wir sind 2018 in die Bundesliga zurückgekehrt und haben uns auch bei der darauffolgenden Ausschreibung durchgesetzt. Den Status wollen wir gerne behalten. Außerdem haben wir noch unsere Aufgaben im Ausland: Wir liefern seit 2006 die Bälle für die Eredivisie, die höchste Liga in den Niederlanden. Zur kommenden Saison geht es in der österreichischen Bundesliga los. In vier Jahren wird Derbystar dann 60 Jahre alt: Ich fände es toll, wenn wir bis zum Jubiläum eine Partnerschaft mit einem deutschen Profiklub als Textilausstatter vereinbart hätten.

Vom Reitsattel zum Fußball
Das Unternehmen Derbystar hat seine Wurzeln in einer Lederfabrik in Goch. Dort wurden unter anderem Reitsättel hergestellt, ab 1963 dann auch Fußbälle. Im Jahre 1968 kam es zur Gründung der eigenständigen Firma Derbystar, die derzeit 54 Mitarbeiter beschäftigt.

Interview: Denis de Haas, Redaktionsbüro Ruhr.
Foto: Derbystar
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