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Wirtschaft und Europa – zwischen Bürokratiebelastung und gemeinsamer Stärke
Sitzung der IHK-Vollversammlung mit Europapolitiker Manfred Weber (07.03.2024)
Manfred Weber hielt bei der IHK-Vollversammlung ein Plädoyer für Europa.
Einen Schwerpunkt auf Europa hat die Vollversammlung der IHK Niederbayern bei ihrer vergangenen Sitzung in Passau gelegt. Den Grund dafür machte IHK-Präsident Thomas Leebmann gleich zu Beginn klar: „Jeder Unternehmer weiß um den Einfluss der EU auf unsere regionale Wirtschaft und kennt die große Bedeutung von Europa als Wirtschaftsraum. Was aber an Gesetzen, Regeln und Vorschriften aus Brüssel kommt, ist für uns Unternehmer oftmals belastend, schafft noch mehr Bürokratie und hält uns von der produktiven Arbeit im Betrieb ab.“ Leebmann verwies in diesem Zusammenhang auf die bundesweite IHK-Umfrage „Going International“. Die Betriebe wurden hier nach ihrer Lage und ihren Aussichten im internationalen Geschäft gefragt, nach den größten Herausforderungen und den drängendsten Baustellen in diesem Bereich. „Gerade die Unternehmen in Niederbayern, mit ihrem starken Fokus auf Industrie und Export, gaben Bewertungen ab, die teilweise unter dem Bundesschnitt lagen. Sie beklagen bürokratische Hürden, langsame und komplizierte Verfahren und nicht zuletzt eine intransparente Gesetzgebung. Das bezieht sich keineswegs nur auf ferne Märkte, sondern insbesondere auf die Eurozone“, berichtete der IHK-Präsident.
Europaabgeordneter Manfred Weber: EU-Binnenmarkt muss weiter gestärkt werden
Um diese und weitere Punkte direkt anzubringen, hatte sich die Vollversammlung den Europapolitiker Manfred Weber als Gast geladen – den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und „sicherlich profiliertesten Vertreter unserer Region zu dem Thema“, wie Leebmann betonte. Weber zeigte zunächst großes Verständnis für die geäußerte Kritik. Das in der EU-Gesetzgebung angestrebte Ziel „One-in-one-out“ habe das Europäische Parlament in der vergangenen Legislaturperiode verpasst. Gemeint ist damit der Anspruch, für jede neue Regelung eine alte abzuschaffen. „Stattdessen haben wir 3,5 in und 1 out. Es wurde also Bürokratie auf-, statt abgebaut“, erläuterte Weber. Den Grundgedanken, im Wirtschaftsraum EU auch gemeinsame europäische Standards zu setzen, verteidigte der Europapolitiker aber: „Im Idealfall ersetzt ein europäischer Standard 27 nationale Einzelregelungen. Wir schaffen damit Wettbewerbsgleichheit und stärken den EU-Binnenmarkt, wovon gerade die exportorientierte niederbayerische Wirtschaft massiv profitiert.“ In den kommenden Jahren gelte es, diesen weltweit größten Binnenmarkt mit seinen 450 Millionen Verbrauchern weiter zu festigen und Themen wie Dienstleistungsfreiheit, Kapitalmarktunion oder neue Handelsabkommen entschlossen anzugehen. Nur so könne man im internationalen Wettbewerb bestehen. Weber bekannte sich ebenso zum Ziel Europas, bis 2050 klimaneutral zu werden. Entscheidend sei hier jedoch das „Wie?“. Man müsse technologieoffen bleiben und dürfe nicht ideologisch handeln, begründete Weber etwa seine Haltung gegen das Verbrenner-Aus in der EU. Hier wie in anderen Fragen müsse gelten: Die Politik kann Ziele setzen, aber den Weg dorthin muss die Wirtschaft selbst bestimmen und in eigener Verantwortung umsetzen. Daneben hielt Weber ein flammendes Plädoyer dafür, dass sich Europa in einer zunehmend unsicher werdenden Welt selbstbewusster präsentiert und die gemeinsamen Interessen mit starker Stimme vertritt.
Energiewende stellt Netzbetreiber vor große Herausforderungen
Ein weiterer Schwerpunkt auf der Tagesordnung der Vollversammlung war die Energieversorgung. Markus Leczycki, Leiter Kommunalmanagement des Bayernwerks und selbst Mitglied der Vollversammlung, berichtete in der Sitzung aus erster Hand über den Um- und Ausbau des Stromverteilnetzes in der Region. Deutlich wurde dabei, vor welch große Aufgaben die Energiewende nicht nur die Wirtschaft, sondern speziell auch einen Netzbetreiber stellt: Dies bedeute, dass das Bayernwerk bis 2030 tausende Kilometer Hoch-, Mittel- und Niederspannungsleitungen sowie 270 Umspannwerke bauen müsse. Der Zubau von erneuerbarer Erzeugung müsse von 21 Gigawatt installierter Leistung auf 59 Gigawatt gesteigert werden, wolle man die politisch gesteckten Ziele erreichen, verdeutlichte Leczycki. Auch er sprach in diesem Zusammenhang die bürokratischen Hürden oder die langwierigen Genehmigungsverfahren an und forderte von der Politik Planungssicherheit als Grundlage für strategische Entscheidungen in seinem Unternehmen. Bei den Mitgliedern der Vollversammlung traf er dabei auf breite Zustimmung – denn genau diese Kritikpunkte äußern Vertreter aller Branchen mit Blick auf die aktuelle Energiepolitik in Bund, Land und der EU. Die Unternehmer sehen es als eine fehlgeleitete Energiepolitik, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mit dem Ausbau der dafür notwendigen Netze synchron geht oder – Beispiel Solarenergie – besonders viel Strom an Orten und zu Zeiten produziert wird, an denen er nicht ausreichend genutzt werden kann.