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ifo-Studie: Mobilitätswende setzt Niederbayerns Industrie unter Druck

Immer strengere Vorgaben für Abgaswerte, die anhaltende Diskussion um Dieselfahrverbote und viele ungeklärte Fragen zur Zukunft der Mobilität in den Städten, aber auch in ländlichen Regionen – das alles sorgt für Verunsicherung in der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. Eine Studie des ifo-Instituts im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags hatte dazu Auswirkungen und Herausforderungen zusammengetragen. „Die Automobilwirtschaft ist eine Leitbranche in Bayern, noch deutlicher sogar im Wirtschaftsraum Niederbayern. Die geforderte Technologiewende setzt eine ganze Industrie stark unter Druck, was letztlich Arbeitsplätze gefährdet. Die Mobilität der Zukunft muss gemeinsam mit der Wirtschaft entwickelt und gestaltet werden, nicht gegen sie“, sagt dazu Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern. Erhebungen der IHK zufolge lässt sich im IHK-Bezirk Niederbayern nahezu jeder zweite Beschäftigte dem Wertschöpfungsbereich „Mobilität“ zuordnen. „Wenn wir allein Betriebe mit zehn und mehr Mitarbeitern anschauen, sind in Niederbayern etwa 54.000 Mitarbeiter aus 251 Unternehmen direkt in den Bereichen Transport und Mobilität beschäftigt. Nur im Fahrzeugbau sind es gut 33.000 Mitarbeiter in 41 Betrieben. Diese Angaben stammen aus dem Jahr 2015, angesichts der bis dato sehr positiven Konjunkturentwicklung dürften die Zahlen seither noch deutlich gestiegen sein. Diese Entwicklung steht jetzt in Frage“, erläutert Schreiner.

Ergebnisse der Studie

Die Ergebnisse der ifo-Studie (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 2406 KB) decken sich zudem mit den Ergebnissen einer Umfrage, die die IHK bereits 2018 unter niederbayerischen Betrieben durchgeführt hatte. „Die Wirtschaft sieht in der Mobilitätswende durchaus eine Chance. Gerade für die kleineren, oft hoch spezialisierten Unternehmen ist es aber eine große Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle kurzfristig umzustellen und sich neue Produktfelder zu erschließen“, meint Schreiner. Seine Forderungen sind daher klar: „Wer Innovation will, muss diese auch zulassen und vorantreiben. Die Wirtschaft benötigt dafür die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa mit Blick auf Förderungen und Steuerrecht. Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft muss sich noch viel deutlicher auf die Anwendung in der unternehmerischen Praxis orientieren. Und vor allem der Fachkräftemangel muss stärker angegangen werden, denn die Unternehmen benötigen nicht nur kluge Entwickler, sondern insbesondere hochqualifizierte Facharbeiter, die den Technologiewandel umsetzen und letztlich auch auf die Straße bringen.“

Elektrofahrzeuge

Haupttreiber für Elektrofahrzeuge sind die Klimaziele und die Entscheidung von Leitmärkten wie China für die offensive Förderung der E-Mobilität. Die Autobauer stellt dies vor eine doppelte Herausforderung: Sie müssen in den nächsten 5 bis 10 Jahren den Umstieg auf Elektrofahrzeuge meistern, ohne das heutige Kerngeschäft mit effizienten und sauberen Verbrennungsmotoren zu vernachlässigen. Dabei wird es auch Verlierer geben: Firmen, die Teile und Komponenten für herkömmliche Antriebsstränge herstellen, werden mit fortschreitenden Marktanteilen reiner E-Fahrzeuge zunehmend unter Druck geraten. Hiervon sind nach Schätzung des ifo rund 55.000 Beschäftigte betroffen. Dieser Abbau von Arbeitskräften sollte allerdings durch altersbedingte Fluktuation zu bewältigen sein. Auch Werkstätten und Reparaturbetriebe betrifft der Wandel: Sie müssen in die nötigen Kompetenzen, Infrastruktur und Schnittstellen investieren, um mit zunehmend vernetzten Hybridfahrzeugen und BEVs arbeiten zu können. Gleichzeitig droht ein Umsatzverlust, denn die E-Fahrzeuge sind einfacher gebaut und haben weniger Verschleißteile als die traditionellen Autos.

Autonomes Fahren

Das Autonome Fahren (AF) bietet Zulieferern im Bereich Sensorik erhebliches Marktpotenzial. Wie hoch es sein wird, hängt von der Durchdringung der autonomen Fahrzeuge im Markt ab. Einer der Treiber des Fortschritts war im vergangenen Jahrzehnt die Entwicklung hoch leistungsfähiger Prozessoren. Hierbei sind allerdings mit Intel, Nvidia und der Google-Schwester Waymo drei amerikanische Chip- und Internetkonzerne führend. Zudem dürfen die Unternehmen beispielsweise in den USA ihre autonomen Fahrzeuge schneller testen – auch im urbanen Umfeld. Die deutschen Automobilhersteller müssen in Anbetracht der Fortschritte bei Prototypen und Testfahrten in den USA achtgeben, nicht den Anschluss in dieser Technologie zu verlieren.

Vernetztes Fahren

Das Automobil der Zukunft ist vernetzt und digitalisiert. Die Hardware für die Vernetzung sowie die verbundenen Dienstleistungen bieten Marktchancen, verschieben aber auch die Wahrnehmung dessen, was die Qualität von Fahrzeugen ausmacht. Das Open-Source Auto-Betriebssystem "Android Automotive OS" läutet endgültig den Einstieg von Google als Softwareplattformanbieter im Automobilbereich ein. Der Bedarf an cloudbasierten Lösungen zur Speicherung und Analyse von Fahrzeugdaten nimmt rapide zu. In diesem Bereich sind deutsche Hersteller weitestgehend auf die Zusammenarbeit mit großen, etablierten Anbietern wie Microsoft, IBM oder Amazon angewiesen – die teilweise eigene Ambitionen im Automobilbereich hegen. Die Daten werden auch andere Branchen unter Zugzwang setzen: Tesla hat angekündigt, eigene Versicherungsprodukte auf den Markt zu bringen.