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(Schein-)Selbstständigkeit
Auch wenn die Beschäftigung dieser "Selbstständigen" in Zeiten des allgemeinen Fahrermangels vor allem zur Abdeckung von Auftragsspitzen sehr reizvoll ist, werden derart eingesetzte Kraftfahrer von den Rentenversicherungsträgern und Krankenkassen bislang in nahezu allen Fällen wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer behandelt. Pauschale Aussagen können dabei aber nur eingeschränkt getroffen werden - die Einzelfallumstände sind jeweils zu berücksichtigen, was eine fundierte Beratung (durch einen Fachanwalt) sinnvoll erscheinen lässt. Allgemein kann festgehalten werden, dass jedes Vertragsverhältnis für sich betrachtet wird. Das Argument, der "Selbstständige" arbeite doch für x Auftraggeber und sei außerdem noch in anderen Branchen tätig, entpuppt sich folglich als wirkungslos.
Fällt ein solches Beschäftigungsverhältnis beispielsweise bei einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund auf, so ergeben sich in aller Regel folgende Rechtsfolgen für den Auftraggeber:
- Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmeranteil)
- Strafverfahren wegen des Veruntreuens oder Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen
- Nachentrichtung der Lohnsteuer
- Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, gegebenfalls auch in Bezug auf die Umsatzsteuer
- sowohl in Sachen Sozialversicherungsbeiträge als auch Steuer kommen Säumniszuschläge und Zinsen hinzu
- "Selbstständige" werden zu Arbeitnehmern mit allen Rechten und Pflichten, gegebenenfalls wird die bisherige Brutto-"Entlohnung" zum neuen Nettolohn des Mitarbeiters
Der Auftragnehmer beziehungsweise der Arbeitnehmer kann für diese Nachzahlungen nur in sehr geringem Umfang zur Verantwortung gezogen werden. Sofern eine Zusammenarbeit nach Aufdeckung der Scheinselbstständigkeit überhaupt noch besteht, kann bei den nächsten drei Gehaltszahlung nur soviel einbehalten werden, wie die Pfändungsfreigrenzen zulassen.
Darüber hinaus unterliegen auch selbstständige Kraftfahrer ab dem 1. November 2012 der Arbeitszeitrichtlinie 2002/15/EG. Die Richtlinie, die für Fahrpersonal und selbstständige Kraftfahrer gilt, wurde in Deutschland über den § 21 a im Arbeitszeitgesetz (sozialversicherungspflichtig beschäftigte Fahrer und scheinselbstständige Fahrer) und dem Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbstständigen Kraftfahrern umgesetzt.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat darauf hingewiesen, dass ihre Prüfer angewiesen sind, neben der Lohnbuchhaltung auch die Finanzbuchhaltung der Unternehmen zu prüfen, so dass Fälle scheinselbstständiger Kraftfahrer häufiger auffallen dürften. Darüber hinaus können sich strafrechtliche Konsequenzen ergeben, wenn ein Betrug gegenüber und zu Lasten der Sozialversicherungsträger festgestellt wird.
Auftraggeber und Auftragnehmer können sich vor Beginn oder unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit Gewissheit verschaffen, indem sie gemäß Paragraph 7 a des Sozialgesetzbuches (SGB) IV einen verbindlichen Statusfeststellungsantrag bei der Deutschen Rentenversicherung Bund stellen. Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelt, ist verbindlich. Trotz der theoretischen Möglichkeit, dass es Fälle gibt, in denen auch ein "selbstständiger Kraftfahrer" ohne Fahrzeug im sozialversicherungsrechtlichen Sinne selbstständig ist, konnte die Deutsche Rentenversicherung Bund bislang keinen Fall in diesem Sinne anerkennen. Zu dieser Bewertung kommt der Sozialversicherungsträger aufgrund Paragraph 7 Absatz 1 SGB IV, wonach Anhaltspunkte für eine nichtselbstständige Tätigkeit immer dann vorliegen, wenn der Beschäftigte nach Weisungen handelt und in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingebunden ist.
Diese Rechtsauffassung ist durch zwei inzwischen rechtskräftige Entscheidungen von Landessozialgerichten bestätigt worden. Die Begründung liegt darin, dass der angeblich selbstständige Kraftfahrer in diesen Fällen in die Betriebsorganisation des Verkehrsunternehmens eingebunden ist, damit eine persönliche Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung besteht und er kein eigenes betriebliches Risiko trägt.
Die Sozialversicherungsträger haben in einem "Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit" folgende Kriterien festgelegt:
Güterbeförderung
- Frachtführer/Unterfrachtführer
Es ist davon auszugehen, dass Frachtführer im Sinne der Paragraphen 407 ff des Handelsgesetzbuches (HGB) dann ein selbstständiges Gewerbe ausüben, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzen und für die Durchführung ihres Gewerbes eine Erlaubnis nach Paragraph 3 Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) oder die Gemeinschaftslizenz nach Artikel 3 der Verordnung 881/92/EWG besitzen. Dies gilt auch dann, wenn sie als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter nur für ein Unternehmen tätig sind und dabei die Farben oder ein Logo dieses Unternehmens nutzen. Voraussetzung ist allerdings, dass ihnen weder Dauer noch Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben wird und sie die - nicht nur theoretische - Möglichkeit haben, Transporte auch für weitere eigene Kunden auf eigenen Rechnung durchzuführen. Ob sie diese Möglichkeit tatsächlich nutzen, ist nicht entscheidend. Um ein eigenes Fahrzeug im Sinne der vorherigen Ausführungen handelt es sich nur dann, wenn es auf den Erwerbstätigen zugelassen ist und von ihm mit eigenen Kapitalaufwand erworben oder geleast wurde. Eine indirekte oder direkte Beteiligung an der Fahrzeug- oder Leasingfinanzierung durch den Auftraggeber spricht gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit.
Personenbeförderung
- Omnibusfahrer
Omnibusfahrer, die keine eigenen Busse besitzen, jedoch für Busunternehmen Linienfahrten, Reiserouten, Schulfahrten etc. ausführen, sind auf Grund der damit verbundenen Eingliederung in die Betriebsorganisation des Busunternehmens und der persönlichen Abhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung als Arbeitnehmer zu beurteilen. - Taxifahrer (analog: Mietwagenfahrer)
Taxifahrer, die kein eigenes Fahrzeug verwenden, gehören auf Grund der damit verbundenen persönlichen Abhängigkeit zu den abhängig Beschäftigten. Taxifahrer mit eigenem Fahrzeug sind als Selbständige anzusehen, wenn Sie über eine Konzession verfügen. Eine Arbeitgebereigenschaft der Taxizentrale gegenüber diesen Personen scheidet aus.
Dies macht deutlich, dass es allein auch nicht ausschlaggebend ist, wie viele verschiedene Auftraggeber ein angeblich "selbstständiger Kraftfahrer" hat.
Wichtig ist, dass sich an dieser sozialversicherungsrechtlichen Bewertung auch dann nichts ändert, wenn das Finanzamt oder sogar die Finanzgerichte den "selbstständigen Kraftfahrer" als Selbstständigen anerkannt haben. Keine Rolle spielt auch eine ordnungsgemäße Gewerbeanmeldung.
Neben dem Einsatz von selbstständigen Fahrern mit eigenem Fahrzeug (und bitte entsprechender Genehmigung) ist auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern vor dem Hintergrund der Scheinselbstständigkeit bedenkenlos möglich, da diese beim verleihenden Unternehmen angestellt und somit auch bei den Sozialversicherungsträgern angemeldet sind. Ansonsten stehen den Beteiligten für eine rechtskonforme Ausgestaltung alle sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse angefangen beim Minijob (450-Euro-Job) bis hin zur Vollzeitanstellung zur Verfügung.