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EU-Lieferkettenrichtlinie: Das kommt auf die Unternehmen zu
Trotz Enthaltung Deutschlands wurde die EU-Lieferkettenrichtlinie verabschiedet. Das haben die Ständigen EU-Vertreter in ihrer Ausschuss-Sitzung Mitte März beschlossen. “Auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian in einer Medien-Reaktion. "Große Rechtsunsicherheit und Haftungsrisiken für Unternehmen, nicht zuletzt wegen der zivilrechtlichen Haftung, bestehen weiter." Die DIHK hatte sich im Vorfeld für eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie in der neuen Legislaturperiode ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, dem Gesetzestext nicht zuzustimmen. Die Bundesregierung ist auch bei ihrer Enthaltung geblieben.
Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, Sorgfaltspflichten praktisch entlang der gesamten Wertschöpfungskette auszuüben. Unternehmen sollen soweit wie möglich sicherstellen, dass in ihren Wertschöpfungsketten keine Verletzungen von Menschenrechten oder Umweltpflichten stattfinden. Dabei müssen bei den vorgelagerten Tätigkeiten zur Herstellung des Produktes oder Erbringung der Dienstleitung sowohl direkte als auch indirekte Geschäftspartner in den Blick genommen und kontrolliert werden. Bei nachgelagerten Tätigkeiten beschränkt sich die Kontrolle auf direkte Geschäftspartner. Risikoanalysen müssen auch unter Einbeziehung der deutschen oder europäischen Geschäftspartner durchgeführt werden. Das heißt, auch bei deutschen und europäischen Geschäftspartnern muss die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltpflichten kontrolliert werden.
Anders als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sieht das EU-Lieferkettengesetz eine zivilrechtliche Haftung bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht vor. Gewerkschaften und NGOs können im Auftrag von Geschädigten klagen. Auch sollen finanzielle Sanktionen von bis zu fünf Prozent des globalen Nettoumsatzes des Unternehmens von den Aufsichtsbehörden verhängt werden können. Der Anwendungsbereich wird Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro weltweitem Nettoumsatz treffen.
Das Europäische Parlament hat den Kompromisstext am 24. April 2024 verabschiedet.
Anwendungsbereich
- Begrenzung des Anwendungsbereiches auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro weltweitem Nettoumsatz
- Die EU-Richtlinie sieht ein stufenweise Anwendung vor:
- Nach einer dreijährigen Frist gilt die CS3D zunächst für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro weltweitem Nettoumsatz.
- Nach vier Jahren sollen dann Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden und 900 Millionen Euro Umsatz in den Anwendungsbereich fallen.
- Nach fünf Jahren sind Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden und mehr als 450 Millionen Euro weltweitem Nettoumsatz erfasst.
- Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Risikosektoren entfallen, können durch eine Überprüfungsklausel aber später in den Anwendungsbereich aufgenommen werden.
Sorgfaltspflichten
- Unternehmen müssen Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmenspolitik und Risikomanagementsysteme integrieren. Ein Verhaltenskodex muss erstellt werden.
- Sorgfaltspflichten müssen entlang der sogenannten „Aktivitätskette“ und unter Berücksichtigung direkter und indirekter Geschäftspartner ausgeübt werden. Die Aktivitätskette umfasst alle vorgelagerten Aktivitäten zur Herstellung eines Produkts und Teile der nachgelagerten Aktivitäten wie Vertrieb, Lagerung und Transport im Auftrag des Unternehmens. Bei den nachgelagerten Aktivitäten wurde die Entsorgung des Produktes aus der Definition gestrichen. Bei den nachgelagerten Aktivitäten müssen nur die direkten Geschäftsbeziehungen und nicht die indirekten Geschäftsbeziehungen in den Blick genommen werden.
- Zu beachtende Menschenrechts- und Umweltabkommen: Die Liste der Abkommen und geschützten Rechtspositionen (zum Beispiel Verbot von Kinderarbeit, Verbot von Zwangsarbeit, angemessene Löhne, Verbot der Ungleichbehandlung in der Beschäftigung) ist umfassender als die des deutschen Lieferkettengesetzes.
- Risikobasierter Ansatz und Bemühenspflicht: Unternehmen können zunächst die Risiken identifizieren, die am schwerwiegendsten sind oder am wahrscheinlichsten eintreten werden. Unternehmen können auch die Reihenfolge, in der sie diese Risiken abmildern, nach Schwere und Wahrscheinlichkeit ordnen. Unternehmen müssen sich angemessen bemühen, negative Auswirkungen zu verhindern/abzustellen.
- Sorgfaltspflichten im Einzelnen:
- In einem ersten Schritt müssen Unternehmen potenzielle negative oder tatsächliche negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit, bei Tochterunternehmen und in der Aktivitätskette ermitteln.
- Werden potenzielle negative Auswirkungen ermittelt, müssen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abschwächung dieser potenziellen negativen Auswirkungen eingeleitet werden.
- Werden tatsächliche negative Auswirkungen im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit und der der Tochtergesellschaften ermittelt, so müssen diese abgestellt werden.
- Werden tatsächliche negative Auswirkungen bei Geschäftspartnern festgestellt, so müssen diese abgestellt oder minimiert werden, wenn sofortiges Abstellen nicht möglich ist.
- Wenn Unternehmen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Menschenrechte durch Geschäftspartner dauerhaft nicht verhindern oder abstellen können, müssen sie die Geschäftsbeziehungen beenden (ultima ratio). Dies gilt nicht für den Fall, dass die negativen Auswirkungen der Beendigung schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Menschenrechte oder die Umwelt.
- Die CS3D sieht unterschiedliche Abhilfemaßnahmen bei potenziellen negativen Auswirkungen und tatsächlichen negativen Auswirkungen vor. Darunter fallen z. B. die Entwicklung und Umsetzung eines Präventionsaktionsplans oder Korrekturmaßnahmenplans mit klar festgelegten Zeitplänen und Indikatoren zur Messung der Verbesserung; Vertragsklauseln; Vertragskaskaden; Unterstützung von Geschäftspartnern; Investitionen in Produktionsstätten, Produktionsprozesse, operationelle Prozesse und die Infrastruktur; die Anpassung von Geschäftsplänen und Unternehmensstrategien; die Anpassung des Produktdesigns, der Einkaufspraxis sowie des Vertriebs.
- Unternehmen müssen ihre Tätigkeiten und Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht mindestens alle 12 Monate bewerten und auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen.
- Unternehmen müssen jährlich über ihre Tätigkeiten berichten.
- Unternehmen müssen ein Beschwerdeverfahren einrichten.
Sanktionen und zivilrechtliche Haftung
- Jeder Mitgliedstaat muss eine nationale Aufsichtsbehörde benennen, die überwacht, ob die Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen.
- Finanzielle Sanktionen können bis zu 5% des globalen Nettoumsatzes eines Unternehmens betragen.
- Der Gesetzentwurf sieht eine zivilrechtliche Haftung bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht vor, wenn ein Schaden eingetreten ist. Gewerkschaften und NGOs können im Auftrag von Geschädigten klagen. Unternehmen sollen aber nicht für Schäden haften, die ausschließlich von Geschäftspartnern verursacht wurden.
Klimaübergangspläne
- Unternehmen müssen zudem einen Plan festlegen und umsetzen, mit dem sie sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind.
- Wenn der Klimawandel als ein Hauptrisiko oder eine Hauptauswirkung der Unternehmenstätigkeit ermittelt wurde, müssen Unternehmen Emissionsreduktionsziele in ihrem Plan aufnehmen.
- Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Vergütungsregelungen für das Management im Zusammenhang mit den Klimaübergangsplänen wurden aus Artikel 15 gestrichen.
Weitere Informationen – auch zum deutschen Lieferkettengesetz – finden Sie hier.