Wettbewerbsrecht / Marken- und Urheberrecht

Unzumutbare Belästigung

Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist geregelt, dass die unaufgeforderte Werbung per Telefon, Telefax, E-Mail oder SMS, in der Fachsprache auch als Kaltansprache, Kaltakquise oder „cold calling” bekannt, in aller Regel unzulässig ist. Alle vorgenannten Werbemaßnahmen fasst das UWG unter dem Oberbegriff unzumutbare Belästigungen zusammen. Und es stellt ganz klare Regeln dafür auf:

1. Begriff der Werbung 

Der Begriff der Werbung ist weit zu verstehen. Er umfasst jede Äußerung mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen zu fördern, aber auch sog. Nachfragewerbung, wie z.B. Anrufe, um jemanden zum Verkauf von Objekten zu veranlassen. Eine Werbung liegt auch vor, wenn diese Ziele nur mittelbar verfolgt werden. Werbung ist daher auch das „Nachbearbeiten“ von Kunden, Kundenzufriedenheitsumfragen, ebenso E-Mails an Kunden, die ihre Bestellung in einem Onlineshop abbrechen, nachdem sie schon ihren Warenkorb gefüllt hatten. Auch das Ankündigen von Anrufen, Postzusendungen, Vertreterbesuchen etc. ist bereits Werbung.

2. Telefonwerbung

Telefonwerbung ist gegenüber Verbrauchern nur dann zulässig, wenn diese vorher ausdrücklich eingewilligt haben, gegenüber sog. sonstigen Marktteilnehmern (insbesondere Unternehmen) auch dann, wenn eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt (s. unten). Die Einwilligung muss vorher und für den konkreten Fall erteilt sein. Anrufer und Werbende können sich nicht auf Zustimmungserklärungen und vermeintliche Einwilligungen berufen, die der Verbraucher in einem völlig anderen Zusammenhang oder nachträglich erteilt hat.

Eine solche ausdrückliche Einwilligung setzt voraus, dass der Einwilligende aktiv werden muss, um Werbung zu erhalten („opt-in”). Dies kann z.B. durch das Ankreuzen eines entsprechenden gesonderten Feldes auf einem Bestellschein, einer Internetseite oder in einem Kaufvertrag erfolgen. Unzulässig ist es dagegen, wenn z.B. ein Feld angekreuzt werden muss, damit keine Werbung erfolgt oder eine entsprechende Erklärung durchgestrichen werden muss („opt-out”).

Es reicht auch nicht aus, eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstecken, mit der eine Einwilligung fingiert wird. Ebenso wenig ist es ausreichend, einen Anruf vorher schriftlich anzukündigen. Aus der Einwilligung muss hervorgehen, auf welchen konkreten Fall sie sich bezieht. Das heißt, dass zumindest hinreichend deutlich erkennbar sein muss, für welche Produkte oder Dienstleistungen und für Werbung durch welche Unternehmen die Einwilligung gelten soll. Die Formulierung „weitere interessante Angebote unseres Unternehmens” würde z.B. nicht ausreichen.

Für das Vorliegen der Einwilligung ist der Werbende darlegungs- und beweispflichtig. Entsprechende Unterlagen müssen daher sorgfältig aufbewahrt werden. Wird das Einverständnis elektronisch eingeholt, ist das sog. double-opt-in-Verfahren (s. unten unter 3.) anzuwenden.
Neu Dokumentationspflicht: Wer mit einem Telefonanruf ggü. einem Verbraucher wirbt, muss dessen vorherige Einwilligung in die Telefonwerbung zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form dokumentieren und diese Dokumentation aufbewahren. Die Aufbewahrungsfrist beträgt fünf Jahre und zwar ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung. Es besteht eine Vorlagepflicht ggü. der zuständigen Behörde (Bundesnetzagentur).

Grundsätzlich ist es den Unternehmen freigestellt, wie sie die Einwilligung dokumentieren. In Frage kommen z.B. bei fernmündlicher Einwilligung die elektronische Tonaufzeichnung, das Double-opt-in-Verfahren (s. unten unter 3.) sowie die schriftliche Einwilligung. Allerdings muss die Dokumentation so gestaltet sein, dass sie für die o.g. Zeiträume zum Nachweis bei der zuständigen Behörde geeignet ist und nicht nur den wettbewerbsrechtlichen, sondern auch den datenschutzrechtlichen Vorgaben genügt. Die Bundesnetzagentur hat Auslegungshinweise zur Einwilligungsdokumentation veröffentlicht. Allerdings ist die Rechtsansicht der Bundesnetzagentur für Gerichte nicht bindend. 
Demgegenüber ist Telefonwerbung gegenüber einem Unternehmer nicht nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung möglich, sondern auch bei einer sog. mutmaßlichen Einwilligung. An die mutmaßliche Einwilligung werden allerdings sehr hohe Anforderungen gestellt: Eine solche Einwilligung eines Unternehmens in Telefonwerbung kann vorliegen, wenn eine laufende Geschäftsbeziehung zwischen dem werbenden und dem angerufenen Unternehmen besteht und der Anruf in einem sachlichen Zusammenhang mit der bereits bestehenden Geschäftsbeziehung steht, z.B. wenn es um eine Änderung des ursprünglich geschlossenen Vertrages geht; die Zulässigkeit ist dabei allerdings von der jeweiligen Fallkonstellation abhängig. Eine (mutmaßliche) Einwilligung ist nicht in der Bekanntgabe der Telefonnummer auf Briefköpfen, in Telefonbüchern o.ä. zu sehen. Die Teilnahme an einer Messe o.ä. stellt keine mutmaßliche Einwilligung zum Empfang von Werbung dar. Zu beachten ist auch, dass der Angerufene nicht nur mit dem Inhalt der Werbung, sondern auch mit der Art der Werbung – telefonisch statt schriftlich – einverstanden sein muss. Ein Grund für einen Telefonanruf kann z.B. in einer besonderen Eilbedürftigkeit liegen.
Erklärt ein Unternehmen ausdrücklich, dass es keine Telefonwerbung wünscht, kann natürlich keine mutmaßliche Einwilligung unterstellt werden. Im Übrigen gilt: Der Anrufer trägt hierbei insgesamt das Risiko einer subjektiven Fehleinschätzung.
Achtung: Erteilte Einwilligungen können jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf kann formlos oder durch konkludente Erklärung (schlüssiges Verhalten) erfolgen, auch dann, wenn die Einwilligung schriftlich erteilt wurde. 
Folgen von Verstößen

Verstöße gegen das Verbot der unerlaubten Telefonwerbung stellen, wenn diese gegenüber Verbrauchern erfolgt, eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 € geahndet werden kann. Außerdem ist es sowohl bei Werbeanrufen gegenüber Verbrauchern also auch gegenüber Unternehmern verboten, die Rufnummer zu unterdrücken. Verstöße hiergegen stellen ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit dar; die Geldbuße kann bis zu 100.000 € betragen. In beiden Fällen kann darüber hinaus die insoweit zuständige Bundesnetzagentur die Rufnummer entziehen.

Verstöße gegen die Vorgaben zur Dokumentation können ein Bußgeld von bis zu 50.000 € nach sich ziehen. 
Bei allen Verstößen können außerdem wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden. 

3. Werbung mit Telefax, E-Mail und SMS

Auch Fax- und E-Mail-Werbung ist unzulässig, wenn der Empfänger der Werbung nicht vorher ausdrücklich eingewilligt hat, derartige Werbung zu empfangen; Werbung per SMS gilt als E-Mail-Werbung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Empfänger ein Verbraucher oder ein Unternehmen ist.
Eine Einwilligung kann auch hier durch das Ankreuzen eines entsprechenden gesonderten Feldes auf einem Bestellschein, einer Homepage oder einem Teilnahmeschein für ein Gewinnspiel erfolgen („opt-in”), unzulässig wäre es dagegen, wenn z.B. ein Feld angekreuzt werden muss, damit keine Werbung erfolgt („opt-out”). Auch bei der Werbung mit Telefax, SMS oder E-Mail reicht es nicht aus, eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstecken, mit der eine solche Einwilligung fingiert wird.
Ebenso wenig reicht es aus, eine Kontaktaufnahme per Telefax, E-Mail oder SMS vorher schriftlich anzukündigen. Eine Einwilligung ist auch hier nicht in der Bekanntgabe der Telefax- oder Telefonnummer oder der E-Mail-Adresse auf Briefköpfen, in Telefonbüchern o.ä. zu sehen. Im Übrigen gilt das oben zur ausdrücklichen Einwilligung in Telefonwerbung Gesagte.


Achtung:

Im Gegensatz zur Telefonwerbung reicht das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung bei Werbung per E-Mail, Telefax oder SMS auch dann nicht aus, wenn sich die Werbung an ein Unternehmen richtet.

Für das Vorliegen der Einwilligung ist der Werbende, wie bei der Telefonwerbung, darlegungs- und beweispflichtig. Entsprechende Unterlagen sollten daher sorgfältig aufbewahrt werden. Wird die Einwilligung elektronisch eingeholt, sollte der Werbende das sog. double-opt-in-Verfahren wählen, auch wenn selbst dieses nach der Rechtsprechung mit Unsicherheiten behaftet ist: Der Empfänger der Werbung muss bei diesem Verfahren auf der Internetseite des werbenden Unternehmens zunächst – z.B. durch Anklicken eines entsprechenden Feldes – erklären, dass er Werbung erhalten möchte. Danach wird eine E-Mail versandt, mit der der Kunde gebeten wird, seinen Teilnahmewunsch zu bestätigen, z.B. durch Anklicken eines Links. Erst danach darf tatsächlich Werbung versandt werden. Die entsprechenden Unterlagen (z.B. Ausdruck von ausgefüllten Online-Formularen, Bestätigungs-E-Mails) müssen sorgfältig aufbewahrt werden; die elektronisch übermittelte Einverständniserklärung muss dabei gespeichert werden und jederzeit ausdruckbar sein.

Ausnahmsweise ist eine Werbung per E-Mail zulässig, wenn das werbende Unternehmen die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, beispielsweise durch Angabe in einem Bestellformular.

In diesem Fall darf das Unternehmen die Adresse ausschließlich für die Werbung für eigene ähnliche Angebote nutzen. Nicht erlaubt ist dagegen die Werbung für andere Waren oder Dienstleistungen oder die Weitergabe an andere Unternehmen, auch wenn diese ähnliche Produkte vertreiben. Darüber hinaus darf der Kunde der Verwendung nicht widersprochen haben und muss bei der Erhebung und bei jeder Verwendung der Adresse klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass er diese Nutzung jederzeit untersagen kann; hierfür dürfen nur „normale” Telefon- oder andere Kommunikationstarife anfallen, also keine Servicenummern wie 0180, 0190 oder 0900. Für E-Mails an Kunden, die eine Bestellung in einem Onlineshop abgebrochen haben, nachdem sie schon Waren in den Warenkorb gelegt haben, greift diese Ausnahmevorschrift nicht, da es hier gerade nicht zu einem Vertragsabschluss gekommen ist.

Elektronische Werbung ist auch dann unzulässig, wenn die Identität des Absenders oder Auftraggebers nicht klar und eindeutig angegeben ist. In der Kopf- und Betreffzeile von E-Mail-Werbung dürfen der Absender sowie der werbende Charakter nicht verheimlicht werden. Auch muss eine gültige Adresse angegeben werden, an die der Empfänger eine Aufforderung zur künftigen Unterlassung richten kann. Auch hierfür dürfen dem Empfänger nur die normalen Verbindungskosten entstehen.
November 2022