Arbeitsrecht

Kündigungsschutzgesetz

Unternehmen, die vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erfasst werden, unterliegen strengeren Voraussetzungen hinsichtlich der Kündigung von Arbeitsverhältnissen als sog. Kleinbetriebe (s. dazu unser Merkblatt Kündigung in Kleinbetrieben). Zweck des Kündigungsschutzgesetzes ist es, sozial ungerechtfertigte Kündigungen zu verhindern. Daneben sind ggf. zusätzlich Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes, wie z. B. bei Schwerbehinderten oder schwangeren Frauen, zu beachten.

Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündigungsschutzgesetz ist uneingeschränkt anwendbar, wenn mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 23 KSchG). Entscheidend für die Feststellung dieses betrieblichen Schwellenwertes ist die Anzahl der Arbeitnehmer, die in der Regel in einem Betrieb beschäftigt werden.
Für bereits am 31.12.2003 Beschäftigte kann etwas anderes gelten: Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die am 31.12.2003 in einem Betrieb mit mehr als fünf Mitarbeitern beschäftigt waren, genießen solange Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wie mehr als fünf Arbeitnehmer in dem Betrieb beschäftigt sind, die ebenfalls bereits an diesem Datum dort beschäftigt waren (Bestandsschutz).
Beispiel:
In einem Betrieb sind am 31.12.2003 sechs Arbeitnehmer beschäftigt. Nach dem 31.12.2003 werden vier weitere Arbeitnehmer eingestellt, zwei davon sind jedoch teilzeitbeschäftigt mit jeweils 20 Arbeitsstunden pro Woche. Damit werden im Betrieb acht Arbeitnehmer voll beschäftigt, zwei Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt. Da die Teilzeitbeschäftigten jeweils mit 0,5 berücksichtigt werden müssen, arbeiten im Betrieb nun also regelmäßig neun Arbeitnehmer. Kündigungsschutz genießen allerdings nur die sechs Alt-Arbeitnehmer, denn für sie besteht ein Bestandsschutz. Die vier Neu-Arbeitnehmer hingegen unterliegen nicht dem Kündigungsschutz, denn der betriebliche Schwellenwert von mehr als zehn Arbeitnehmern wird nicht erreicht. Später kündigt Alt-Arbeitnehmer A, Alt-Arbeitnehmer B geht in Rente und ein weiterer Arbeitnehmer N wird neu eingestellt. Durch das Ausscheiden der beiden Alt-Arbeitnehmer A und B sinkt der Bestand der Alt-Arbeitnehmer auf vier. Damit besteht auch für die anderen im Betrieb verbleibenden Alt-Arbeitnehmer kein Kündigungsschutz mehr. Dass Arbeitnehmer N eingestellt wurde, um Alt-Arbeitnehmer B zu ersetzen, ändert daran nichts, denn er wird erst nach dem 31.12.2003 beschäftigt. Insgesamt verbleiben acht Arbeitnehmer im Betrieb, die alle keinen Kündigungsschutz (mehr) genießen.
Bei der Feststellung der Anzahl der Arbeitnehmer werden Auszubildende nicht mitgezählt. Teilzeitbeschäftigte werden bei nicht mehr als 20 Arbeitsstunden pro Woche mit einem Zählwert von 0,5, bei nicht mehr als 30 Arbeitsstunden pro Woche mit 0,75 berücksichtigt.
Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.
Der Arbeitnehmer muss bei Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung länger als sechs Monate ohne Unterbrechung in demselben Betrieb beschäftigt sein; hiervon gibt es eng begrenzte Ausnahmen, wie z.B. Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses von nur wenigen Tagen. Erst nach Ablauf dieser Frist fällt der Arbeitnehmer unter den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes. Davor soll es dem Arbeitgeber möglich sein, den Arbeitnehmer zu erproben und sich ggf. von ihm zu trennen.

Soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung

Die Kündigung kommt stets als letztes Mittel in Betracht. Zuvor muss der Arbeitgeber versuchen, die Kündigung durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden. Es muss immer eine Interessenabwägung vorausgehen.
a. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn
  • der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder einem anderen Betrieb desselben Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
  • die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis erklärt hat,
  • eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat oder
  • sie gegen Auswahl-Richtlinien im Sinne des § 95 Betriebsverfassungsgesetz verstößt.
In allen Fällen ist zur Unwirksamkeit der Kündigung ein schriftlicher Widerspruch des Betriebsrates (soweit vorhanden) innerhalb von einer Woche erforderlich.
b. Eine Kündigung ist nur sozial gerechtfertigt, wenn es einen Kündigungsgrund gibt. Das Gesetz führt drei Gründe auf, die eine Kündigung sozial rechtfertigen können:
  • Gründe in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingte Kündigung)
Personenbedingt sind Gründe, die auf den Fähigkeiten oder Eigenschaften des Arbeitnehmers beruhen. Diese Gründe müssen nur objektiv vorliegen, auf ein Verschulden kommt es nicht an. Eine personenbedingte Kündigung erfordert daher auch keine vorherige Abmahnung. Personenbedingte Kündigungsgründe sind insbesondere mangelnde körperliche oder geistige Eignung für die Tätigkeit, außerordentliche Abnahme der Leistungsfähigkeit durch zunehmendes Alter, Erkrankungen, die die Verwendbarkeit des Arbeitnehmers erheblich einschränken und krankheitsbedingte Fehlzeiten. Eine Krankheit als solche ist kein Kündigungsgrund. Sie wird kündigungsrechtlich erst bei negativer Zukunftsprognose und unzumutbarer Beeinträchtigung des Betriebsablaufes relevant.
In Betracht als in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe kommen auch eine fehlende Arbeitserlaubnis, unter Umständen fehlende fachliche oder persönliche Eignung (Nichtbestehen von Prüfungen, mangelhafte Kenntnisse), Arbeitsverhinderung wegen Haft oder der Verlust der erforderlichen Berufsausübungserlaubnis (Führerschein/ Flugschein).
Die mangelnde Eignung oder Fähigkeit müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers führen.
Ebenso ist eine Kündigung wegen Krankheit ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund der negativen Gesundheitsprognose anzunehmen ist, dass es zukünftig zu erheblichen wirtschaftlichen oder betrieblichen Beeinträchtigung kommen wird.
In all diesen Fällen ist jedoch immer zu überprüfen, ob die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung im Betrieb besteht.
Schließlich muss auch eine Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitnehmers gehen.
Bei Kündigungen wegen Krankheit ist weiterhinzu beachten, dass § 167 SGB IX ein sog. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) bei lang andauernden Erkrankungen vorsieht. Der Arbeitgeber muss bei Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit dem Betriebsrat, bei Schwerbehinderten außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der Betroffenen eine Klärung über die Möglichkeiten durchführen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt oder der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Der betroffene Mitarbeiter kann also seine Zustimmung verweigern, seine Mitwirkungspflicht ist nicht ausdrücklich vorgesehen.
Kündigungen ohne die vorherige Durchführung eines BEM sind zwar nicht unzulässig. Der Arbeitgeber muss aber in einem etwaigen arbeitsgerichtlichen Verfahren darlegen und ggf. beweisen, dass – vereinfacht gesagt – auch bei Durchführung eines BEM die Kündigung unausweichlich gewesen wäre.
  • Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigung)
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die ein verständig urteilender Arbeitgeber zum Anlass für eine Kündigung nehmen würde. Anders als bei der personenbedingten Kündigung betrifft die verhaltensbedingte Kündigung Gründe, die vom Arbeitnehmer steuerbar und ihm damit vorwerfbar sind. Dies ist insbesondere der Fall bei Vertragsverletzungen. Beispiele: Bummelei, Verletzung von Anzeige- oder Nachweispflichten im Krankheitsfall, Verstöße gegen die betriebliche Ordnung wie die Nichtbeachtung von Alkohol- und Rauchverbot, strafbare Handlungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (Beispiele: Diebstahl im Betrieb, Arbeitszeitbetrug).
Die Rechtsprechung verlangt vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung im Regelfall mindestens eine vorherige einschlägige Abmahnung. Die Abmahnung hat die Funktion, dem Arbeitnehmer die ihm vorgeworfenen Verfehlungen zu benennen und ihm Gelegenheit zu einer Verhaltensänderung zu geben. Dem Arbeitnehmer wird durch die Abmahnung angedroht, dass er mit einer Kündigung zu rechnen hat, wenn sich sein Verhalten nicht ändern sollte.
In jedem Fall muss vor der verhaltensbedingten Kündigung eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände stattfinden.
  • Dringende betriebliche Gründe (betriebsbedingte Kündigung)
Eine betriebsbedingte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn dringende betriebliche Gründe der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Dies kann sich aus innerbetrieblichen Umständen, z.B. notwendige Rationalisierung, Produktionseinschränkung, oder aus außerbetrieblichen Gründen, z.B. Absatzrückgang oder Kündigung von Krediten, ergeben. Diese Umstände müssen zur Folge haben, dass die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer auf Dauer entfällt. Wenn es weniger harte Maßnahmen, z.B. Abbau von Überstunden oder Einführung von Kurzarbeit, für den Betrieb gibt, fehlt es an der Voraussetzung der dringenden Erforderlichkeit. Außerdem darf es keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit geben. Kann der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz eingesetzt werden, so ist eine Kündigung ausgeschlossen, auch dann, wenn eine zumutbare Umschulung, Fortbildung oder Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich ist.
Die Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt wurden (Sozialauswahl).
Zu berücksichtigen sind hierbei die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Von der Sozialauswahl können diejenigen Arbeitnehmer ausgenommen werden, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl wird auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat bei einer Betriebsänderung einen Interessenausgleich vereinbart und die zu kündigenden Arbeitnehmer in einer Namensliste benannt haben.

Kündigungsschutzklage und Abfindungsanspruch

Vor jeder Kündigung ist der Betriebsrat anzuhören, ansonsten ist die Kündigung unwirksam. Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt, kann der Arbeitnehmer zwischen der Kündigungsschutzklage nach dem Kündigungsschutzgesetz oder einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes je Beschäftigungsjahr wählen. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
Der Abfindungsanspruch setzt voraus, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe stützt und den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass er die im Gesetz vorgesehene Abfindung beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen lässt.
Will der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung vorgehen, muss er eine dreiwöchige Klagefrist ab dem Zugang der schriftlichen Kündigung einhalten. Diese Frist gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen als einem Verstoß gegen das Kündigungsschutzgesetz, etwa bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates oder Verletzung von besonderem Kündigungsschutz (Schwerbehinderte, Arbeitnehmer in Elternzeit) geltend macht. Lässt er diese Klagefrist verstreichen, gilt die Kündigung jedenfalls als wirksam.
Hinweis:
Fällt ein Arbeitsverhältnis unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, wird die Frage, ob eine Kündigung zulässig ist, von den Arbeitsgerichten sehr restriktiv beantwortet. Daher ist es empfehlenswert, schon vor Ausspruch einer Kündigung die arbeitsrechtliche Zulässigkeit anwaltlich überprüfen zu lassen und ggf. die Kündigung auch mit anwaltlicher Hilfe zu formulieren.
Stand: Februar 2018