Verkehr

EU: Besonderheiten bei ukrainischen Fahrerdokumenten

Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde die Verordnung (EU) 2022/1280 des Europäischen Parlaments und Rates vom 18. Juli 2022 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen, in Anbetracht der Invasion der Ukraine durch Russland, in Bezug auf von der Ukraine gemäß ihren Rechtsvorschriften ausgestellte Fahrerdokumente veröffentlicht.

Die EU-Verordnung regelt den Umgang mit ukrainischen Führerscheinen (Artikel 3), Fahrerqualifizierungsnachweisen und Fahrerbescheinigungen (Artikel 4).

Die  Verordnung wurde am 22.07.2022 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. EU 2022 L 195 S. 13). Sie tritt am fünften Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft und ersetzt die im Rahmen einer Vorgriffsregelung in den einzelnen Bundesländern in Deutschland veröffentlichten Allgemeinverfügungen.
Die befristete EU-Verordnung enthält bestimmte Vorgaben bezüglich des Erwerbs der Berufskraftfahrerqualifikation [vgl. Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2022/1280].
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat im Mai 2024 folgende Rechtsvorschriften-Entwürfe in den Bundesrat eingebracht:

Erwerb einer Ergänzungsqualifikation

Die letztgenannte Verordnung sieht – im Falle einer Beschlussfassung – künftig vor, dass entsprechend der zuvor genannten VO (EU) 2022/1280 der Erwerb einer Ergänzungsqualifikation möglich sein wird [vgl. § 3 UAAusnV-E]. Dies erfordert
- die Teilnahme an einem 35-stündigen Unterricht für die Ergänzungsqualifikation (Anm. der IHK: der Unterricht wird weiterhin in deutscher Sprache stattfinden) bei einer nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsrecht für die beschleunigte Grundqualifikation oder Weiterbildung anerkannten Ausbildungsstätte
und
- die Ablegung einer 45 minütigen IHK-Prüfung zum Erwerb der Ergänzungsqualifikation. 
Nach derzeitigem Stand des Verordnungsentwurfs ist die Prüfung in deutscher Sprache abzulegen, “kann” jedoch auch in russischer oder ukrainischer Sprache abgelegt werden (vgl. § 3 IV UAAusnV-E). Eine derartige “Ergänzungsqualifikation” führt lediglich dazu, dass ein Fahrerqualifizierungsnachweis (FQN) mit der Schlüsselzahl 95.01 [mit einer Befristung (max 06.03.25)!] ausgestellt werden kann und stellt insofern keinen unbefristeten Nachweis über den Erwerb der “beschleunigten Grundqualifikation” dar [dies würde – im Regelfall – einen 140-stündigen Unterricht sowie eine 90-minütige IHK-Prüfung “beschleunigte Grundqualifikation” erfordern].
So qualifizierte Fahrer kann die Ergänzungsqualifikation nach der VO (EU) 2022/1280 durch die zuständigen Stellen wie folgt bescheinigt werden:
Eintragung des besonderen befristeten Unionscode „95.01 (höchstens bis zum 6. März 2025)“
— bedeutet „Kraftfahrer, der Inhaber eines Befähigungsnachweises ist und die Befähigungspflicht erfüllt — Sonderausfertigung, nur für die Dauer des vorübergehenden Schutzes“ — im / in der ...
Kartenführerschein
 
Fahrerqualifizierungsnachweis (FQN)
Fahrerbescheinigung nach VO  (EG) Nr. 1072/2009
Eintragung auf
Seite 2, Feld 12 des Kartenführerscheins,
sofern diese Person auch im Besitz eines von diesem Mitgliedstaat nach dem Unionsmuster ausgestellten Führerscheins ist
Eintragung auf 
S. 2, Feld 10 des FQN

Eintragung im für Bemerkungen vorgesehenen Feld auf der Fahrerbescheinigung, wenn der betreffende Inhaber die Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen und die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit nach diesem Artikel erfüllt hat
Art. 4 I lit. a) VO (EU) 2022/1280
Art. 4 I lit. b) VO (EU) 2022/1280
Art. 4 I Unterabs. 2 und 3 VO (EU) 2020/1280

Erwerb der “beschleunigten Grundqualifikation” künftig in bis zu 9 Sprachen möglich

Nach Änderung der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung (BKrFQV) kann die IHK-Prüfung “Beschleunigten Grundqualifikation” – sofern die Änderungsverordnung so umgesetzt wird – nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in den Sprachen Englisch, Hocharabisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch und Ukrainisch abgelegt werden [§ 2 Abs. 7a BKrFQV n.F. durch Artikel 2, Nr. 2 lit b) der ÄndV in BR-Drucks. 253/24].

Regelungen gelten noch nicht

Beachte:
Die vorgenannte Regelung ist noch nicht verabschiedet. Erst nach Verkündung im Bundesgesetzblatt, tritt diese Regelung – nach dem derzeitigen Stand der Änderungsverordnung – “am Tag nach der Verkündung” in Kraft [vgl. Art. 6 des Entwurfs der ÄnderungsV in BR-Drucks. 253/24].

Künftige Anwendbarkeit der BKrFQG-Besitzstandsregelung auf Inhaber ukrainischer C-/D-Führerscheine

Die genannten Lehrgänge bzw. Prüfungen im Rahmen der “Ergänzungsqualifikation” bzw. “beschleunigten Grundqualifikation” nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsrecht könnten nach Inkrafttreten der Regelung - ggf. nicht erforderlich sein, sofern der deutsche Gesetzgeber die Ukraine in die sog. Drittstaatenliste der Anlage 11 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) aufnimmt [siehe: geplante Änderung der Fahrerlaubnisverordnung durch Nr. 11 lit. d) im Artikel 3 des Entwurfs einer Verordnung über Ausnahmen für Inhaber ukrainischer Fahrerqualifizierungsnachweise sowie zur Änderung der Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 253/24].

In diesen Fällen würde für Fahrer, denen nach dem Fahrerlaubnisrecht (hier: Anlage 11 der FeV) aufgrund der Staatenliste in Anlage 11 FeV in einem Drittstaat (hier: in der Ukraine) vor den – nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsrecht maßgeblichen – Stichtagen, nämlich
- vor dem Stichtag 10.09.2009 irgendeine C-Fahrlerlaubnisklasse (“Lkw”) oder
- vor dem Stichtag 10.09.2008 irgendeine D-Fahrerlaubnisklasse (“Bus”)
erteilt worden ist/sind, die sog. Besitzstandsregelung nach § 4 des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrFQG; siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/bkrfqg_2020/BKrFQG.pdf) gelten.

Dann ist „lediglich“ eine 35-stündige Weiterbildung nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsrecht (sog. „5 Module“) – ohne Ablegung einer Prüfung – erforderlich.
Auch hier gilt:
Erst nach Inkrafttreten der Rechtsänderungen kann insofern von den – dann “im Idealfall” unverändert verabschiedeten (oben dargestellten) – Regelungen Gebrauch gemacht werden! Verfolgen Sie über die obigen Hyperlinks den aktuellen Beratungsverlauf im Gesetzgebungsverfahren.

 
Stand: 23.05.2024