Digitale Barrierefreiheit
Digitale Teilhabe - leichter Zugang für alle!
Deutliche Farbkontraste und große Schrift, untertitelte Filme, die Buttons »Leichte Sprache« und »Gebärdensprache« auf der Internetseite, Blindenschrift auf dem Geldautomaten. An solchen Details lässt sich erkennen, dass die Betreiber von Webseiten und Geräten bereits in die digitale Barrierefreiheit gestartet sind.
- Welche Unternehmen sind betroffen?
- Um welche Produkte und Dienstleistungen geht es?
- Wann sind Produkte oder Dienstleistungen barrierefrei?
- Welche Ausnahmen gibt es?
- Welche Pflichten müssen Unternehmen erfüllen?
- Wie wird die Einhaltung des Gesetzes überwacht?
- Welche Folgen können Verstöße haben?
- Welche Übergangsregelungen gibt es?
Die IHK Magdeburg informiert am 12. März 2025 I 14:00 - 15:30 Uhr I online über die neuen Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG).
- Überblick zum BFSG und betroffene Unternehmen
- Rechtsfolgen bei Verstößen gegen neue Vorgaben
- Ausnahmeregelungen für kleine Unternehmen
- Mehrwerte durch digitale Barrierefreiheit
- Praktische Tipps zur Umsetzung von Anforderungen des BSFG
- Fragerunde mit dem Experten
Das Webinar ist kostenfrei. Zur Anmeldung
- Überblick zum BFSG und betroffene Unternehmen
- Rechtsfolgen bei Verstößen gegen neue Vorgaben
- Ausnahmeregelungen für kleine Unternehmen
- Mehrwerte durch digitale Barrierefreiheit
- Praktische Tipps zur Umsetzung von Anforderungen des BSFG
- Fragerunde mit dem Experten
Das Webinar ist kostenfrei. Zur Anmeldung
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das BFSG setzt den European Accessibility Act in nationales Recht um.
Ziel des Gesetzes ist die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildungsstand und Gesundheitszustand, damit sie sich sicher, souverän und selbstbestimmt in der digitalen Welt bewegen können.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Das BFSG betrifft Hersteller, Händler und Importeure von bestimmten Produkten sowie Dienstleistungserbringende für den Endkunden (B2C).
- Ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen (Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft).
- Für Kleinstunternehmen, die Produkte nach dem BFSG in Umlauf bringen, gilt diese Ausnahme jedoch nicht! Für diese sieht das Gesetz eine Beratungsmöglichkeit durch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit vor.
Um welche Produkte und Dienstleistungen geht es?
Das BFSG gilt für Produkte und Dienstleistungen, die ab dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht bzw. erbracht werden.
Produkte:
- Hardwaresysteme für Universalrechner inkl. deren Betriebssysteme (z. B. Desktop-Computer, Notebooks, Smartphones und multifunktionale VR-Brillen)
- Selbstbedienungsterminals
- Zahlungsterminals inkl. Hardware und Software (z. B. Zahlungsgeräte)
- Selbstbedienungsterminals für Dienstleistungen, die unter das BFSG fallen wie Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-In-Automaten, interaktive Selbstbedienungsterminals zum Bereitstellen von Informationen, die nicht integrierter Bestandteil von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen sind.
- Interaktive Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste verwendet werden (z. B. Router, Modems, Smartphones und interaktive Mobiltelefone, Smartwatches)
- Interaktive Verbraucherendgeräte mit Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten (Smart-TVs, Spielekonsolen, Media-Adapter und -Receiver wie Set-Top-Boxen und Streaming-Sticks)
- E-Book-Lesegeräte
Dienstleistungen:
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (z. B. Kundenportale, Apps, Onlineshops)
- Telekommunikationsdienste mit Ausnahme von Übertragungsdiensten ohne menschliche Interaktion (Maschine-Maschine-Kommunikation)
- Elemente von Personenbeförderungsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr mit Ausnahme von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten:
- Webseiten
- Mobile Dienstleistungen und Anwendungen bzw. Apps
- Digitale Tickets und Ticketdienste
- Bereitstellung von Informationen zum Verkehrsdienst inkl. Reiseinformation in Echtzeit (Website, Apps etc.). Dies betrifft auch Informationsbildschirme, wenn sie interaktiv gestaltet sind und Informationen nicht einseitig darstellen.
- Interaktive Selbstbedienungsterminals mit Ausnahme der Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen und Schienenfahrzeugen eingebaut sind und für die Erbringung von solchen Personenbeförderungsdiensten verwendet werden.
- Bankdienstleistungen für Verbraucher (z. B. Transaktionen über Websites und Apps)
Wann sind Produkte oder Dienstleistungen barrierefrei?
Produkte oder Dienstleistungen sind nach dem BFSG barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Was dies jeweils bedeutet, ergibt sich aus der Barrierefreiheitsstärkungsverordnung, die sowohl allgemeine Vorgaben auch zu Verpackungen, Anleitungen sowie Schnittstellen und Funktionalität von Produkten als auch Vorgaben für bestimmte Produkte und Dienstleistungen enthält.
Grundsätzlich muss eine Wahrnehmung immer über mindestens zwei Sinne möglich sein (also zum Beispiel das Vorlesen schriftlicher Informationen).
Bei den Anforderungen ist der „Stand der Technik“ zu berücksichtigen. Welche technischen Standards dabei eingehalten werden müssen, sagt die Verordnung selbst nicht.
Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit veröffentlicht auf den Internetseiten regelmäßig die wichtigsten Standards, Konformitätstabellen und aktuelle Informationen.
Welche Ausnahmen gibt es?
Unternehmen müssen die Barrierefreiheitsanforderungen nicht einhalten, wenn die Einhaltung entweder zu einer
- grundlegenden Veränderung des Produktes oder
- zu einer unverhältnismäßigen Belastung
führen würde.
Eine unverhältnismäßige Belastung kann unter anderem dann vorliegen, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine zusätzliche übermäßige organisatorische oder finanzielle Belastung für den Wirtschaftsakteur darstellt. Das Gesetz listet dafür Kriterien auf.
Beruft sich ein Unternehmen auf einen der beiden Ausnahmetatbestände, muss es unverzüglich die zuständige Marktüberwachungsbehörde sowie die Marktüberwachungsbehörde in den jeweiligen Mitgliedsstaaten, in denen das Produkt auf den Markt gebracht wird bzw. die Dienstleistung erbracht wird, informieren. Ob einer der Ausnahmetatbestände vorliegt, beurteilt das Unternehmen zunächst selbst. Diese Beurteilung ist zu dokumentieren und für fünf Jahre aufzubewahren.
Kleinstunternehmen sind von diesen Pflichten ausgenommen. Werden diese aber von der Marktüberwachungsbehörde aufgefordert, müssen sie die für ihre Beurteilung entscheidenden Tatsachen an diese übermitteln.
Welche Pflichten müssen Unternehmen erfüllen?
Die Pflichten unterscheiden sich nach der Rolle, die ein Unternehmen („Wirtschaftsakteur“) hat.
Hersteller
Hersteller dürfen ihre Produkte nur auf den Markt bringen bzw. anbieten, wenn sie barrierefrei sind.
Hierzu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
-
Nachweis in einem „Konformitätsbewertungsverfahren“ und Erstellung einer technischen Dokumentation, damit die Übereinstimmung des Produkts mit den Anforderungen des Gesetzes und der Verordnung bewertet werden kann.Diese muss mindestens eine detaillierte Beschreibung des Produkts und eine Auflistung der (ganz oder teilweise) angewandte harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, enthalten. Gibt es solche Normen oder Spezifikationen nicht, ist zu beschreiben, wie die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt werden.Die technische Dokumentation muss für fünf Jahre in schriftlicher oder elektronischer Form aufbewahrt werden.Ist die Konformität nachgewiesen, bringt der Hersteller eine CE-Kennzeichnung auf dem Produkt an und erstellt eine Konformitätserklärung nach Anlage 2 des BFSG. Auch diese ist für 5 Jahre aufzubewahren.Bei Serienfertigungen ist darauf zu achten, dass die Anforderungen dauerhaft erfüllt werden. Auf Änderungen sowohl bei den Produkten als auch bei den Anforderungen muss der Hersteller reagieren.Erfüllt ein Produkt die Anforderungen zur Barrierefreiheit nicht, hat der Hersteller unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, anderenfalls muss das Produkt zurückgerufen oder zurückgenommen werden.Die zuständige Marktüberwachungsbehörde sowie die Marktüberwachungsbehörde der Mitgliedstaaten, in denen das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, sind zu informieren.
- Außerdem ist ein schriftliches oder elektronisches Verzeichnis zu führen, in dem die nichtkonformen Produkte sowie Beschwerden hierüber erfasst werden.
- Darüber hinaus müssen Kennzeichnungs- und Informationspflichten beachtet werden. Das Produkt muss eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Identifikationskennzeichen tragen. Kann dies auf Grund der Art oder Größe des Produkts nicht auf dem Produkt selbst angebracht werden, sind die Informationen auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage (zum Beispiel Gebrauchsanleitung) anzugeben.
- Zusätzlich sind die Kontaktdaten des Herstellers (Name, Firma oder Marke und Postanschrift mit einer zentralen Stelle, unter der der Hersteller leicht kontaktiert werden kann) auf dem Produkt anzubringen. Diese müssen in einer Sprache verfasst sein, die von Verbraucherinnen und Verbrauchern leicht verstanden werden kann.
- Zudem müssen dem Produkt eine Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache beigelegt werden. Diese muss selbst ebenfalls barrierefrei nach den Anforderungen der Verordnung sein.
Der Hersteller kann schriftlich einen Bevollmächtigten benennen und diesem seine Pflichten übertragen mit Ausnahme der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung und Herstellung des Produkts sowie der technischen Dokumentation.
Importeure
Importeure müssen ebenfalls dafür sorgen, dass sie nur solche Produkte in den Verkehr bringen, die die Anforderungen des BFSG und der Verordnung erfüllen, auch wenn die Produkte in Drittländern hergestellt wurden. Sie müssen daher prüfen, ob der Hersteller seine Pflichten erfüllt hat.
Lagert der Importeur Produkte selbst, dürfen hierdurch die Barrierefreiheitsfunktionen nicht beeinträchtigt werden. Erfährt der Importeur, dass ein Produkt nicht konform ist, gelten für ihn die gleichen Pflichten wie für den Hersteller entsprechend.
Händler
Auch für Händler gilt: Besteht Grund zur Annahme, dass ein Produkt die Barrierefreiheitserfordernisse nicht erfüllt, darf es nicht vertrieben werden. Auch hier muss das Produkt so gelagert und transportiert werden, dass die Barrierefreiheitsanforderungen nicht beeinträchtigt werden. Ist das Produkt nicht konform, darf es nicht in Verkehr gebracht werden. Den Händler treffen aber keine Verpflichtungen zur Herstellung der Konformität, wohl aber die Informationspflichten.
„Quasi-Hersteller“
Für Händler oder Importeure, die Produkte unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke in den Verkehr bringen, gelten die Regelungen für Hersteller.
Dienstleistende
Dienstleistende dürfen nur Dienstleistungen erbringen bzw. anbieten, die die Anforderungen der Verordnung erfüllen. Sie müssen zudem nach Anlage 3 des BFSG bestimmte Informationen erstellen und diese der Allgemeinheit in barrierefreier Form zugänglich machen, zum Beispiel in ihren AGB:
- eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format
- Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind,
- eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die Anforderungen der Verordnung erfüllt,
- die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Entspricht die Dienstleistung nicht den Anforderungen, treffen den Dienstleistungserbringenden Korrektur- und Informationspflichten.
Alle Wirtschaftsakteure
Alle Wirtschaftsakteure müssen auf Anfrage der Marktüberwachungsbehörde mindestens für 5 Jahre ab Bezug oder Abgabe eines Produkts Auskunft darüber erteilen können, von wem Produkte bezogen und an wen Produkte abgegeben wurden.
Website-Betreiber
Websites, die Dienstleistungen bereitstellen (bspw. durch Webshops, Kontaktformulare, Terminbuchungsmasken), müssen künftig barrierefrei gestaltet werden. Grundlage hierfür ist die EN 301 549, die sich auf den internationalen Standard „Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.1“ bezieht. Die EN 301 549 schreibt u. a. vor:
- Veröffentlichung einer barrierefrei zugänglichen „Erklärung zur Barrierefreiheit“ auf der Internetseite mit folgendem Inhalt:
- Informationen darüber, wie die Barrierefreiheit sichergestellt wird
- Information über die Teile der Website, die (noch) nicht barrierefrei sind
- Kontaktmöglichkeit über die eine Barriere gemeldet werden kann
Darüber hinaus enthält die EN 301 549 zahlreiche weitere Vorgaben, die an dieser Stelle nicht abschließend aufgezählt werden können. Die Aktion Mensch stellt auf ihrer Internetseite aber eine „Checkliste Digitale Barrierefreiheit“ zur Verfügung anhand derer Websites auf ihre Barrierefreiheit geprüft werden können.
Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit empfiehlt, dass Betreiber von Onlineshops unbedingt aktiv werden sollten.
Wie wird die Einhaltung des Gesetzes überwacht?
Marktüberwachungsbehörden können sowohl mit als auch ohne Anlass Produkte und Dienstleistungen überprüfen und bei Nichtkonformität zu Korrekturmaßnahmen auffordern. Werden die Maßnahmen nicht umgesetzt, können Produkte zurückgerufen und Dienstleistungen eingestellt werden.
Welche Folgen können Verstöße haben?
Verbraucher oder anerkannte Verbände und Einrichtungen können sich bei Verstößen an die Marktüberwachungsbehörde wenden. Es sind Produktrückrufe/Einstellung der Dienstleistung oder Bußgelder bis zu 100.000 Euro möglich. Zudem sieht das BFSG neben Klagen einzelner Verbraucher auch die Option von Verbandsklagen vor. Auch droht eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung durch Konkurrenten mit Unterlassungs- oder sogar Schadensersatzansprüchen.
Welche Übergangsregelungen gibt es?
Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 in Kraft.
Selbstbedienungsterminals, die von Dienstleistungserbringenden vor dem 28. Juni 2025 zur Erbringung von Dienstleistungen unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen eingesetzt werden, dürfen bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, aber nicht länger als 15 Jahre nach ihrer Ingebrauchnahme (also bis maximal 2040) weiter zur Erbringung vergleichbarer Dienstleistungen eingesetzt werden.
Dienstleister können ihre Dienstleistungen bis zum 27. Juni 2030 weiterhin unter Einsatz von Produkten erbringen, die von ihnen bereits vor dem 28. Juni 2025 zur Erbringung dieser oder ähnlicher Dienstleistungen rechtmäßig eingesetzt wurden.
Vor dem 28. Juni 2025 geschlossene Verträge über Dienstleistungen dürfen bis zu dem Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen sind, allerdings nicht länger als bis zum 27. Juni 2030 unverändert fortbestehen.