EU-Recht
EU-Green Deal
Die EU-Kommission hat im Dezember 2019 mit dem "Green Deal" ein weitreichendes Programm für mehr Klima- und Umweltschutz in der Europäischen Union vorgelegt. Im Zentrum des Green Deal stehen die Ziele, die EU bis zum Jahr 2050 zum ersten treibhausgasneutralen Staatenbund zu machen, die Schadstoffemissionen deutlich zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft in Europa weiter zu fördern.
Am 14. Juli hat die Kommission das Maßnahmenbündel zur Umsetzung des Green Deals vorgestellt. Es enthält Entwürfe für zwölf Gesetzgebungsverfahren, die in kommenden Monaten parallel diskutiert, verhandelt und schließlich verabschiedet werden sollen.
Alle beschlossenen Entwürfe für Richtlinien, Verordnungen und Strategien sowie Begleitdokumente sind hier auf der Webseite der EU-Kommission zu finden.
Die wichtigsten Vorschläge im Überblick
- Reform des Europäischen (EU) Emissionshandels
Die Reform des bestehenden europäischen Emissionshandel (EU-ETS) zielt darauf, die Emissionen aus der Stromerzeugung und der energieintensiven Industrie zu senken. Etwa 10.000 Anlagen sind europaweit davon betroffen, die rund 40 % der Treibhausgasemissionen in der EU abdecken.Bislang soll der EU-ETS zu einer Minderung des CO2-Ausstoßes um 43 Prozent bis 2030 gegenüber 2005 führen. Nun will die Kommission diese Vorgabe auf 61 Prozent erhöhen. Dazu soll die Gesamtmenge der ausgegebenen Emissionszertifikate im ETS schneller sinken. Jährlich soll die Menge um 4,2 Prozent statt wie bisher um 2,2 Prozent sinken. Zudem soll eine höhere Entnahme von Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve ermöglicht werden, und es ist geplant, den Anwendungsbereich des Emissionshandels um den Seeverkehr zu erweitern. Im Ergebnis führen die Maßnahmen dazu, dass die CO2-Zertifikatspreise ansteigen.
- Ein neuer EU-Emissionshandel für Gebäude und Verkehr
Neben dem bestehenden Emissionshandel soll ein weiteres Emissionshandelssystems eingeführt werden, das ab 2026 die Emissionen des Energieeinsatzes in Gebäuden und Verkehr bepreist. Wie im deutschen nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) werden die Inverkehrbringer von Kraft-/Brennstoffen zur Teilnahme verpflichtet. Diese geben dann den CO2-Preis an ihre Kunden weiter.Ausgenommen von dem neuen Emissionshandel sollen Brennstoffverbräuche für die Erzeugung industrieller Prozesswärme sein. Eine freie Zuteilung beziehungsweise Entlastung besonders betroffener Energieverbraucher ist nicht vorgesehen; die Versteigerungserlöse sollen aber für Investitionen in den Klimaschutz und zur Unterstützung ärmerer Haushalte eingesetzt werden.
- CO₂-Grenzausgleich
Für eine Auswahl energie- und handelsintensive Sektoren soll ein CO₂-Grenzausgleich (englisch: CBAM – Carbon Border Adjustment Mechanism) etabliert werden. Ziel ist es, in diesen Branchen Wettbewerbsnachteile durch EU-weit steigende CO₂-Preise gegenüber Konkurrenten außerhalb der Europäischen Union zu vermeiden – und die Abwanderung von Wertschöpfung zu verhindern.Der von der EU-Kommission geplante CBAM ist eine Art CO2-Zoll auf aus Drittstaaten importierte Produkte. Die bei Import fällige CO2-Abgabe errechnet sich aus dem bei der Produktion ausgestoßenem Kohlendioxid und dem jeweils aktuellen CO2-Preis im EU-ETS. Sie entfällt, wenn der Importeur nachweist, dass die CO2-Abgabe im Herkunftsland genauso hoch ist wie in der EU.Von CBAM erfasst werden sollen die Branchen Zement, Dünger, Stahl, Aluminium aber auch Strom. Unter die Regelung fallen auch Produkte der ersten Weiterverarbeitungsstufen, zum Beispiel Stahlrohre. Vorgesehen ist, dass der CO2-Grenzausgleich die teilweise freie Zuteilung von Emissionszertifikaten für die erfassten Sektoren ersetzt.Um Zeit für die Einführung des endgültigen Systems zu gewinnen, soll es nach dem Vorschlag der Kommission eine Übergangsphase von 2023 bis Ende 2025 geben, in der die Einführer die mit ihren Waren verbundenen Emissionen melden müssen, ohne einen finanziellen Ausgleich zu zahlen.Grundsätzlich fallen Einfuhren dieser Waren aus allen Nicht-EU-Ländern unter das CBAM. Ausgenommen sind Einfuhren aus der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.
- Ausbau Erneuerbarer Energien
Die Zielvorgabe für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen bis 2030 soll auf 40 Prozent erhöht werden. Alle Mitgliedstaaten müssen zu diesem Ziel beitragen, und es werden spezifische Ziele für die Nutzung erneuerbarer Energien in den Sektoren Verkehr, Heizung und Kühlung, Gebäude und Industrie vorgeschlagen.Um den Einsatz von Bioenergie zu stärken, werden die Nachhaltigkeitskriterien geschärft. Die Mitgliedstaaten müssen Förderregelungen für Bioenergie so ausgestalten, dass der Grundsatz der Kaskadennutzung für Holzbiomasse gewahrt wird.Im Bereich Verkehr soll neben dem Unterziel für fortschrittliche Kraftstoffe auch eines für Treibstoffe nicht biogenen Ursprungs eingeführt werden, etwa für Strom, Wasserstoff oder E-Fuels. Vorgeschlagen wird zudem ein EU-weit gültiges System für Herkunftsnachweise. Das soll unter anderen dazu beitragen, dass im EU-Strombinnenmarkt mehr Verträge für die Direktabnahme von erneuerbarem Strom (PPA) geschlossen werden.
- Energieeffizienz-Richtlinie
Um den Energieverbrauch insgesamt zu senken, soll die Energieeffizienz-Richtlinie ein ehrgeizigeres verbindliches Jahresziel für die Senkung des Energieverbrauchs auf der EU-Ebene vorsehen. Sie dient als Richtschnur für die Festlegung der nationalen Beiträge und erhöht die jährliche Energieeinsparverpflichtung der Mitgliedstaaten auf fast das Doppelte. Einen besonderen Beitrag soll dabei die öffentliche Hand leisten. Der öffentliche Sektor muss jährlich 3 Prozent seines Gebäudebestands renovieren (green public procurement).Die Kriterien für die Verpflichtung zu Energie-Audits und Energie-Managementsysteme sollen nicht mehr an Art und Größe des Unternehmens festgemacht werden, sondern an der Höhe ihres Energieverbrauchs.
- CO₂-Flottengrenzwerte
Im Verkehrssektor sind eine Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant. Damit soll die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen erheblich beschleunigt werden.Bisher sah die Verordnung für die CO₂-Flottengrenzwerte von Pkw bis 2030 eine Verringerung der Emissionen um 37,5 Prozent bei neuen Pkw gegenüber 2021 vor. Die vorgeschlagenen 55 Prozent Reduktion gegenüber 2021 auf dann rund 50 Gramm CO2 je Kilometer und Pkw sind nur ein Zwischenschritt. Bereits 2035 sollen neu zugelassene Pkw und Vans komplett emissionsfrei sein. Das bedeutet das Ende für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission mit der novellierten Gesetzgebung zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe deutlich konkretere Ausbaupläne für Ladesäulen sowie für Wasserstoff- und Gastankstellen vor. Die bestehende Richtlinie wird in eine direkt gültige Verordnung umgewandelt. Unter den alternativen Kraftstoffen wird der Schwerpunkt klar auf Strom und Wasserstoff gelegt – auch für Nutzfahrzeuge. Jeder Mitgliedsstaat muss hierfür eine bestimmte Netzabdeckung bei der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur erreichen. Die Kraftstoffe Erdgas (CNG, LNG) und Flüssiggas (LPG) werden nur noch übergangsweise beim Infrastrukturausbau berücksichtigt. Nicht zuletzt werden Minimalausstattungen für See- und Binnenhäfen bei der Landstromversorgung sowie an Flughäfen für die stationäre Bordstromversorgung vorgeschrieben.