Konjunkturumfrage der IHKn in Sachsen-Anhalt
Konjunktur weiter unter der Null-Linie – Alarmruf der Wirtschaft
Halle (Saale), 17. Februar 2023. Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hat den konjunkturellen Tiefpunkt im Herbst des vergangenen Jahres zwar hinter sich gelassen, dennoch sind fast die Hälfte der heimischen Unternehmen pessimistisch ins neue Jahr gestartet. Dies zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHKn) Halle-Dessau und Magdeburg. Demnach rechnen 42 Prozent der repräsentativ befragten Unternehmen damit, dass sich ihr Geschäft in den kommenden Monaten verschlechtern wird. Nur gut sechs Prozent erwarten eine Wende zum Besseren. Besonders sorgenvoll in die Zukunft blicken das Gastgewerbe (hier sagen 61 Prozent der Unternehmen, das Geschäft entwickele sich ungünstiger), die Bauwirtschaft (54 Prozent) und der Handel (51 Prozent).
Insgesamt hat sich der IHK-Geschäftsklimaindex nach dem Rekordtief im Herbst 2022 – -22,2 Punkte sind der niedrigste jemals gemessene Wert – zwar wieder leicht erholt, bleibt zum Jahreswechsel aber negativ: -4,5 Punkte. Dieser Wert fasst zusammen, wie die Unternehmen ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Zukunftsaussichten einschätzen. An den Umfragen der IHK-Landesarbeitsgemeinschaft beteiligen sich jedes Vierteljahr hinweg rund 900 sachsen-anhaltische Unternehmen.
„Der russische Angriff auf die Ukraine hat neben unsagbar viel menschlichem Leid auch eine historische Wirtschaftskrise gebracht“, erklärt Prof. Dr. Steffen Keitel, Präsident der IHK Halle-Dessau. Sanktionen und Gegensanktionen hätten Öl, Gas und Strom so massiv verknappt und verteuert, dass Unternehmen ihre Produktion drosseln mussten. „Beispiellose Energiepreissteigerungen über alle Wertschöpfungsstufen hinweg haben auch die Verbraucherpreise kräftig ansteigen lassen – die Inflation erreicht bisher unbekannte Höhen und drückt massiv auf die Kauflaune.“
Die verschiedenen Branchen in Sachsen-Anhalt waren in den vergangenen Monaten laut IHK-Umfrage zu unterschiedlichen Zeitpunkten betroffen. So litten insbesondere die Industrie und das Baugewerbe schon bald nach Kriegsbeginn im Frühjahr unter den Preisschocks. Die Dienstleistungswirtschaft und der Handel bekamen den Druck etwas später zu spüren, als die entsprechenden Preissteigerungen weitergegeben wurden. IHK-Präsident Prof. Keitel berichtet, dass inzwischen vier von fünf sachsen-anhaltische Unternehmen die Energie- und Rohstoffkosten als große Gefahr für ihren wirtschaftlichen Erfolg bezeichnen, über alle Branchen hinweg. 44 Prozent bereitet auch die wegbrechende Inlandsnachfrage Sorge.
„Alarmruf“ der sachsen-anhaltischen Wirtschaft
„Die wichtigste wirtschaftspolitische Aufgabe besteht darin, die Energieknappheit zu beseitigen“, stellt Prof. Keitel klar. Strom- und Gaspreisbremsen bekämpften nicht den Engpass, sondern linderten nur kurzfristig die Folgen. Gemeinsam mit dem Präsidenten der IHK Magdeburg, Klaus Olbricht, mahnt er eine weitblickende Energiepolitik an, um die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft vor allem über einen zukunftsfähigen Energiemix sicherzustellen. Unisono haben die beiden IHKn zusammen mit den beiden Handwerkskammern und den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden (AWSA) des Landes Alarm geschlagen und fordern eine nachhaltige, sichere und bezahlbare Energieversorgung – konkret:
- Weniger Bürokratie beim Ausbau von Windkraft- und Solarenergieanlagen!
- Unvoreingenommen prüfen, welche Kernkraftwerke sicher weiterbetrieben werden können!
- Kein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung vor 2038!
- Schiefergasvorkommen in Deutschland umweltverträglich erschließen und schnell nutzen!
Die beiden IHK-Präsidenten stützen sich dabei nicht zuletzt auf die Wissenschaft: „Einschlägige Forschungsergebnisse belegen eindeutig, dass etwa die Förderung von Schiefergas gefahrlos möglich ist, wirtschaftlich geboten ist sie ohnehin“, so Klaus Olbricht. Und Prof. Keitel betont: „Wer wissenschaftliche Erkenntnis und technischen Fortschritt beharrlich ignoriert und sich dem ernsthaften Austausch von Argumenten verweigert, der setzt sich dem Verdacht ideologischer Verblendung aus.“
Ergänzend warnte Präsident Olbricht davor, dass auch der fortgesetzt verschärfte Arbeits- und Fachkräftemangel den wirtschaftlichen Erfolg Sachsen-Anhalts gefährde. Er erläutert: Bis 2040 werde hier jeder vierte Beschäftigte – insgesamt 167.000 Arbeitskräfte – ausscheiden. Jetzt sei die Landespolitik gefragt. Statt 14 verschiedener Ausländerbehörden im Land, die für die qualifizierte Zuwanderung zuständig seien, brauche es hier eine Zentralisierung, damit Unternehmen einheitliche und sichtbare Ansprechpartner auf Landesebene bekämen. „Nur so können die Verbesserungen aus dem novellierten Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch unseren hiesigen Unternehmen zugutekommen.“ Auch müsse der bildungspolitische Dialog zielgerichtet fortgesetzt werden, so Olbricht weiter: „Unsere Unternehmen benötigen dringend ausbildungsreife Nachwuchskräfte! Und dafür ist eine kontinuierliche und umfangreiche Beschulung in allen Schulformen unerlässlich.“
Hintergrund: Die Landesarbeitsgemeinschaft der beiden Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt (LAG) besteht seit 1997 und vertritt die Interessen von rund 110.000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in Sachsen-Anhalt. Die Landesarbeitsgemeinschaft führt Umfragen unter ihren Mitgliedsunternehmen durch, erarbeitet fachliche Stellungnahmen und vertritt das Gesamtinteresse der Unternehmen gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit.
Bei der Konjunkturumfrage wird vier Mal im Jahr eine repräsentative Stichprobe aus den Mitgliedsunternehmen der Industrie- und Handelskammern befragt. Sowohl die Befragung als auch die Auswertung und Hochrechnung der Ergebnisse erfolgen nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden. In Sachsen-Anhalt nehmen jeweils rund 900 Unternehmen daran teil.