Neue Ursprungsregeln

Die Pan-Europa-Mittelmeer-Zone (PEM)

Am 1. September 2021 traten neue, alternativ anwendbare Ursprungsregeln („PEM 2.0“-Regeln) zwischen der EU und einigen PEM-Partnerländern in Kraft. Zur Anwendung der neuen Regeln hat die EU-Kommission ein Guidance-Papier veröffentlicht. Zudem informiert sie über entsprechende Codierungen für die neuen Präferenzursprungsnachweise in Zollanmeldungen. Unternehmen können die neuen PEM-Regeln optional als Alternative zu den bisherigen Regeln nutzen, um Zölle im gegenseitigen Warenverkehr zu sparen.

1. Allgemeine Informationen

Seit September 2021 treten die neuen Übergangsursprungsregeln (Transitional Rules) des Regionalen Übereinkommens über die Pan-Europa-Mittelmeer-Zone (PEM) für immer mehr Partnerländer in Kraft. In einem ersten Schritt hatten einige PEM-Partnerländer zunächst die neuen Ursprungsregeln im bilateralen Verhältnis mit der EU ratifiziert. Inzwischen haben einige dieser Partnerländer die neuen Regeln auch im Verhältnis untereinander ratifiziert. Dadurch wird nunmehr eine diagonale Kumulierung unter diesen Ländern möglich. Weitere Hinweise dazu lesen Sie in diesem Artikel unter „Teilnehmer und diagonale Kumulierung“.
Auf der Internetseite www.zoll.de informiert die Generalzolldirektion in einer Tabelle zeitnah darüber, welche Länder bereits die neuen „PEM 2.0“-Regeln ratifiziert haben. Zu den Ländern gehören u. a. die Schweiz (einschließlich Liechtenstein), Island, Norwegen, Jordanien, Albanien, Georgien und Serbien.
Auf der Internetseite der EU-Kommission kann das Guidance-Papier zu den alternativ anwendbaren PEM-Übergangsursprungregeln („transitional rules“) heruntergeladen werden. Das Papier enthält u. a. Hinweise zur parallelen Anwendung der neuen und alten PEM-Regeln sowie zum Aspekt der grundsätzlichen (Nicht-)Durchlässigkeit zwischen beiden Ursprungsregelsystemen (siehe partielle Durchlässigkeit bei in der EU ausgestellten Lieferantenerklärungen unter Punkt 3). Daneben stellt die EU-Kommission DG Taxation and Customs Union auf ihrer Internetseite aktuelle Informationen zu den klassischen Pan-Euro-Med-Ursprungsregeln („PEM 1.0“) sowie zu den neuen, alternativ anwendbaren Pan-Euro-Med-Übergangsursprungsregeln (Transitional Rules, „PEM 2.0“) bereit.
Als Ursprungsnachweise sind folgende TARIC-Unterlagencodierungen anzumelden:

- „U075“: Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 (unter der Bedingung, dass im Feld 7 die Angabe „TRANSITIONAL RULES“ eingefügt wird) im Zusammenhang mit den Pan-Europa-Mittelmeer-Übergangsregeln für den Ursprung

oder

- „U076“: Ursprungserklärung (unter der Bedingung, dass in der Erklärung der Vermerk „TRANSITIONAL RULES“ eingefügt wird) im Zusammenhang mit den Pan-Europa-Mittelmeer-Übergangsregeln für den Ursprung

Hinweis zur Ursprungserklärung: Der Zusatzvermerk und folglich die Codierung U076 ist unabhängig von der Höhe des Warenwertes und unabhängig vom Status des Exporteurs (Stichwort „Ermächtigter Ausführer“) zu verwenden.
Mit der ATLAS-Info 0214/21 weist die Generalzolldirektion (GZD) auf www.zoll.de auf zusätzliche Codierungserfordernisse für Einfuhrzollanmeldungen in ATLAS hin.
Da die Länder der Pan-Europa-Mittelmeer-Zone in einem sehr kurzfristigen Verfahren entscheiden können, die alternativen Ursprungsregeln anzuwenden, kann eine zeitnahe Umsetzung weiterer Länder im IT-Verfahren ATLAS eventuell nicht gewährleistet werden. Daher wurde eine Sonderregelung zur vorübergehenden Anmeldung der Präferenzbehandlung in ATLAS vereinbart, die mit ATLAS-Info Nr. 0226/21 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 290 KB) bekanntgegeben wurde. Der Zoll weist auf seiner Internetseite www.zoll.de in der o. g. Tabelle auch darauf hin, bis zu welchem Datum eine Sonderregelung bei der Codierung von Präferenznachweisen in ATLAS-Zollanmeldungen für die jeweiligen PEM-Länder gilt.

2. Modernisierte Ursprungsregeln

Das Erreichen des präferenziellen Ursprungs wird für Unternehmen durch die neuen PEM-Übergangursprungsregeln („transitional rules“) insgesamt deutlich leichter. Zahlreiche Verbesserungen entsprechen dabei dem „DIHK-Ideenpapier für moderne Handelsabkommen“.
Wesentliche Vereinfachungen sind z. B.:
  • Produktspezifische Ursprungsregeln: Flexiblere und einfachere Be-/Verarbeitungsregeln für mehrere HS-Kapitel, wie z. B. die Streichung kumulativer Anforderungen, niedrigere Schwellenwerte für die lokale Wertschöpfung, Ergänzung weiterer alternativer Ursprungsregeln (z. B. chemische Reaktionen können Ursprung begründen).
  • Gleitender Durchschnittspreis: Der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft kann bei mehreren Zulieferungen anhand von Durchschnittspreisen über einen gleitenden Zeitraum berechnet werden. Dadurch können z. B. ursprungsschädliche Schwankungen bei Einkaufspreisen und Wechselkursen ausgeglichen werden.
  • Toleranz bei Positionswechsel: Die Schwellenwerte für die Verwendung von Vormaterialien oder Komponenten ohne Ursprungseigenschaft werden für Industrieerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Ab-Werk-Preises und für Agrarerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Nettogewichts angehoben.
  • Buchmäßige Trennung: Nach den bisherigen Vorschriften konnten die Zollbehörden eine buchmäßige Trennung genehmigen, wenn „erhebliche Kosten oder wesentliche Schwierigkeiten bei der getrennten Lagerung auftreten“. Die geänderte Regelung (Art. 12) sieht vor, dass die Zollbehörden eine Genehmigung für die buchmäßige Trennung erteilen, „wenn fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden“. D. h.: Der Exporteur muss bei der Beantragung einer Genehmigung zur buchmäßigen Trennung nicht mehr begründen, dass die getrennte Lagerung erhebliche Kosten verursacht oder zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Es reicht aus, darauf hinzuweisen, dass fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden. Die neuen Regeln enthalten außerdem nicht mehr den Ausschluss für Textilien.
  • Duty Draw Back: Möglichkeit der Zollrückvergütung für die meisten Erzeugnisse.
  • Volle Kumulierung: Für die meisten Erzeugnisse können künftig auch Be- oder Verarbeitungsschritte bei der Kumulierung berücksichtigt werden, die für sich genommen keinen Präferenzursprung begründen (Wertschöpfungsanteile).
  • Nichtmanipulation statt Direktbeförderung: Nach dem Prinzip der Nichtmanipulation können Erzeugnisse, die durch andere Gebiete befördert werden, ihren Präferenzstatus auch dann behalten, wenn diese in Teilsendungen aufgeteilt werden. Dies trägt dem Trend hin zu regionalen Distributionszentren Rechnung.
  • Gültigkeitsdauer für Präferenznachweise: verlängert von 4 auf 10 Monate.
  • EUR-MED / Erklärung zum Ursprung (REX): Die EUR-MED und die Ursprungserklärung-MED entfallen. Zudem kann die EUR.1 künftig durch von registrierten Ausführern (REX) abgegebene Erklärungen zum Ursprung (EzU) ersetzt werden, sofern die übrigen PEM-Länder dem zustimmen.
  • Elektronische Erstellung und Austausch von Präferenzdokumenten wird ermöglicht.

3. Parallele Anwendung der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln/Durchlässigkeit

Da nicht alle PEM-Länder den neuen Ursprungsregeln zugestimmt haben (siehe unten), sind übergangsweise sowohl die alten als auch die neuen PEM-Ursprungsregelsysteme parallel anwendbar. Die Unternehmen können zwischen beiden Systemen frei wählen, und zwar sendungsbezogen. Entsprechend wird es übergangsweise zwei parallele Kumulierungszonen geben (siehe unten).
Obwohl die neuen, flexibleren Übergangsursprungsregeln laut EU-Kommission die alten, strengeren Ursprungsregeln zu 99 % automatisch mit erfüllen, ist eine Durchlässigkeit („permeability“) zwischen dem alten Ursprungsregelsystem („PEM 1.0“) und dem neuen Ursprungsregelsystem („PEM 2.0“) nach derzeitigem Stand nicht vorgesehen. Das bedeutet: Eine automatische Verwendung von „PEM 1.0“-Nachweisen bei Präferenzkalkulationen für Export- oder Kumulierungszwecke im Rahmen der neuen „PEM 2.0“-Regeln ist nicht möglich. Stattdessen ist vorgesehen, dass Exporteure die Anwendung der neuen Übergangsregeln explizit auf den Präferenzdokumenten (EUR.1, Erklärung zum Ursprung (EzU), Ursprungserklärung) mit dem Zusatz „TRANSITIONAL RULES“ vermerken müssen. Die Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED und die Ursprungserklärung EUR-MED sind bei der Anwendung der Übergangsregeln nicht mehr vorgesehen.
Dies bedeutete bisher in der Konsequenz auch, dass Exporteure bei ihren EU-Zulieferern (Langzeit-)Lieferantenerklärungen anfordern mussten, die ebenfalls einen solchen expliziten Zusatzvermerk je nach PEM-Land aufwiesen.
Mit der Verordnung (EU) 2022/2334 vom 29. November 2022 ist nun Folgendes möglich:

Lieferantenerklärungen ohne Vermerk “Übergangsregeln/Transitional Rules” können auch für die Ursprungsermittlung nach „PEM 2.0“ verwendet werden, falls diese Lieferantenerklärungen keinen positiven Kumulationsvermerk haben und sich auf Waren der Kapitel 25-97 oder der Kapitel 1, 3 und 16 (verarbeitete Fischerzeugnisse) beziehen. Diese Regelung gilt rückwirkend zum 1. September 2021, also dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der „PEM 2.0“.

Damit können vorhandene Lieferantenerklärungen in fast allen Fällen jetzt auch für die Ermittlung der neuen Regeln („PEM 2.0“) verwendet werden. 

4. Teilnehmer und diagonale Kumulierung

20 der derzeit 23 Vertragsparteien des PEM-Abkommens beabsichtigen, die modernisierten Übergangsursprungsregeln anzuwenden. Dies sind die EU, die EFTA-Länder (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein), Färöer-Inseln, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Palästinensische Gebiete, Türkei, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Moldau. Tunesien hat nach Auskunft der EU-Kommission kürzlich seine Absicht zur Teilnahme erklärt. Drei Länder beteiligen sich nicht an den neuen Regeln: Marokko, Algerien und Syrien.
Abgesehen von der Ratifizierung der neuen Ursprungsprotokolle im bilateralen Verhältnis mit der EU steht auch die Ratifizierung der neuen Ursprungsregeln der PEM-Länder untereinander an. Nur dann ist zusätzlich zur bilateralen Kumulierung auch die diagonale Kumulierung in der PEM-Zone möglich. Aufgrund der parallelen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln wird es übergangsweise zwei Matrizen für Kumulierungszwecke nach alten und nach neuen PEM-Ursprungsregeln geben.
Hinweis: Der DIHK rechnet nicht mit einer zeitnahen Ratifizierung der neuen Übergangsursprungsregeln durch alle bisherigen PEM-Länder. Auf absehbare Zeit wird es deshalb bei der jetzigen parallelen, alternativen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln bleiben.
Daraus ergeben sich zwei separate Kumulierungszonen bzw. zwei Matrizen für diagonale Kumulierungszwecke:
Kumulierungsmatrix gemäß der alten „PEM 1.0“-Ursprungsregeln gemäß der Mitteilung der EU-Kommission 2021/C 418/12 vom 15. Oktober 2021
Kumulierungsmatrix gemäß der neuen „PEM 2.0“-Übergangsursprungsregeln (Transitional Rules) gemäß der Mitteilung der EU-Kommission Nr. C/2023/1531 vom 13. Dezember 2023
Die Tabelle 1 der o. g. Mitteilung stellt eine vereinfachte Übersicht (Matrix) über die Möglichkeiten der diagonalen Kumulierung mit den neuen Transitional Rules in der Pan-Europa-Mittelmeer-Zone dar. Die Tabelle 2 enthält das Datum der Anwendbarkeit der diagonalen Kumulierung auf Basis der neuen Regeln. Demnach ist z. B. seit dem 1. Januar 2022 eine diagonale Kumulierung zwischen der EU, der Schweiz (Liechtenstein), Island, Norwegen, Albanien und Serbien möglich.

Quellen: Deutsche Industrie- und Handelskammer, Europäische Kommission, Generalzolldirektion