Industrienetzentgelte: DIHK bezieht Stellung gegenüber BNetzA
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unterstützt in ihrer Stellungnahme (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 147 KB) das Vorhaben der Bundesnetzagentur (BNetzA), mehr Flexibilität für das Energiesystem der Zukunft bereitzustellen. Unternehmen sollten für flexibles Verhalten belohnt werden. Gleichzeitig stellten die Industrienetzentgelte nur eine sehr begrenzte Stellschraube für mehr Flexibilität dar. Es gelte auch zukünftig, die Planbarkeit für Anlagen- und Infrastrukturbetreiber ebenso wie für gewerbliche Abnehmer im Rahmen von langfristigen Strombezugsverträgen an den Terminmärkten sowie auch bei grünen Direktstromlieferverträgen umfassend zu berücksichtigen. Bis zum 18. September 2024 konnten sich Unternehmen an einer Konsultation beteiligen.
Für die deutsche Wirtschaft sind nachfolgende Punkte von zentraler Bedeutung:
- Das Mengenpotenzial an Flexibilität kann durch einen intelligenten Instrumentenmix erschlossen werden, in welchem die Industrienetzentgelte anteilig einen Beitrag leisten können. Dabei sollten unflexible Produktionsprozesse nicht bestraft werden, während flexibles Verhalten zusätzlich belohnt werden sollte. Eine Regelung, die die Atypik berücksichtigt, ist bereits vorhanden. Diese sollte nicht aufgegeben werden.
- Unternehmen sichern sich an den Strommärkten langfristig ab, indem sie ein Großteil der Strombeschaffung an den Terminmärkten und in jüngster Zeit vermehrt durch grüne Direktstromlieferverträge (Green PPAs) beschaffen. Zukünftige Regelungen zur Ausgestaltung von Industrienetzentgelten sollten dem Bedürfnis einer langfristigen Planbarkeit und Preissicherheit von Unternehmen nicht entgegenwirken und im Einklang mit der internationalen Finanzberichterstattung sein (IFRS).
- Eine ausschließliche Orientierung an den kurzfristigen Spotmärkten ist für zahlreiche Unternehmen nicht umsetzbar und lässt eine nur sehr geringe systemdienliche Anpassung des Bezugsverhaltens erwarten. Darüber hinaus ist der Strombörsenpreis kein Indikator für die tatsächliche Netzkapazität und kann regionale Engpässe verstärken sowie das Flexibilitätspotenzial der Unternehmen reduzieren, weil die Netzanschlussleistung nicht ausreichend ausgebaut ist.
- Die Optimierung von Flexibilität und Effizienz führt in der Wirtschaft zu Zielkonflikten. Entsprechend muss eine Regulierung für mehr Flexibilität die bestehenden Anforderungen an die betriebliche Effizienzsteigerung in der Gesetzgebung berücksichtigen.
- Es ist darauf hinzuweisen, dass mit der Neugestaltung der Industrienetzentgelte sich grundlegende Prinzipien des Stromsystems ändern. Darauf zu reagieren, erfordert eine lange Phase der Umstellung und ist mit erheblichen Investitionskosten verbunden. Es ist daher notwendig, ein rechtssicheres und praktikables Konzept zur Ausgestaltung der Industrienetzentgelte frühzeitig zu verabschieden. Darauf aufbauend sollte den Unternehmen eine lange Übergangsfrist eröffnet werden sowie die Möglichkeit, zwischen dem bestehenden und dem neuen System zu wechseln (Opt-In). In jedem Fall sollte die aktuell bestehende Regelung bis zum 31. Dezember 2028 beibehalten werden.
- Flexibilitätspotenziale werden in der Wirtschaft insbesondere durch die Errichtung von Speichern und Elektrolyseuren auf dem Betriebsgelände perspektivisch gesehen, wobei dies mit hohen Investitionskosten einhergeht und beispielsweise durch Investitionszuschüsse angereizt werden müssten und schnelle Genehmigungsverfahren benötigen.
Die Stellungnahme (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 147 KB) bietet zu diesen Punkten eine ausführliche Bewertung.
Eckpunktepapier der BNetzA
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat Ende Juli ein Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung der Netzentgelte für Industriekunden veröffentlicht. Darin schlägt sie eine Regelung vor, die stromintensive Betriebe dazu anregen soll, flexibel auf die aktuelle Erzeugungssituation sowie die Strombörsenpreise zu reagieren.
Anpassung der Stromabnahme an aktuelle Preisentwicklung
In ihrem Eckpunktepapier schlägt die Bundesnetzagentur eine Regelung vor, die für stromintensive Betriebe einen Anreiz schafft, dynamisch auf die aktuelle Erzeugungssituation zu reagieren. Diese spiegelt sich in erster Linie in den Strombörsenpreisen wider. Im Grundsatz ist vorgesehen, eine Stärkung des Marktsignals anhand der Netzentgelte vorzunehmen. Eine Netzentgeltprivilegierung soll grundsätzlich erhalten, wer in Zeiträumen besonders niedriger Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöht und in Zeiten besonders hoher Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich senkt.
Die genaue Austarierung des Anreizmechanismus hängt von den technischen Möglichkeiten der Industrie ab, Mengen- und Preisentwicklungen zu prognostizieren und flexibel darauf zu reagieren. Dabei soll keine Überforderung der Letztverbraucher erfolgen, sondern das tatsächlich vorhandene und künftig erreichbare Flexibilitätspotential realisiert werden.
Regionale Ausnahmen und Übergangsregelungen
In Regionen mit einer geringen dezentralen Einspeisung aus Erneuerbaren entstehen Engpässe eher lastbedingt. Hier können Reaktionen auf das Marktsignal mitunter auch engpassverschärfend wirken. Insofern möchte die Bundesnetzagentur diskutieren, ob und wie regionale Ausnahmen geschaffen werden können, bis der Netzausbau einen Stand erreicht, der eine Stärkung des Marktsignals bundesweit ermöglicht.
Bestehende Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte sollen nicht unmittelbar ihre Wirkung verlieren. Es ist vorgesehen, den Unternehmen Übergangsfristen zu gewähren, die eine Umstellung der Produktion und die Realisierung von Flexibilitätspotentialen ermöglichen.
Hintergrund Industrienetzentgelte
Die Stromnetzentgelte beinhalten verschiedene Privilegierungstatbestände für Industrie und Gewerbe, die ein bestimmtes Verhalten anreizen. Bei der sogenannten atypischen Netznutzung zahlen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher ein reduziertes Entgelt, wenn ihre Jahreshöchstlast von der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz abweicht. Hierdurch sollte die erforderliche Netzdimensionierung begrenzt werden. Dagegen hat die Bandlast den Zweck, eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher anzureizen.
Durch die Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV erzielen im Jahr 2024 rund 400 Bandlastkunden und rund 4200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur insgesamt Netzentgeltreduzierungen von über 1 Mrd. Euro. Die den Netzbetreibern in der Folge entgehenden Erlöse werden durch eine Umlage an alle Netznutzer gewälzt. Diese beträgt im laufenden Jahr 0,643 ct/kWh.
Durch die Energiewende verändert sich die Stromerzeugerlandschaft eklatant. Dies führt unweigerlich auch zu veränderten Erfordernissen im Netzbetrieb. Dementsprechend ist eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden.
Die Effektivität einer Privilegierung einer atypischen Netznutzung hat sich in Netzen mit einer hohen Durchdringung an erneuerbaren Energien stark geschmälert. Zusätzlicher Netzausbau wird hier nicht primär durch die Last-, sondern durch die Einspeiseseite verursacht. Dementsprechend führen Verlagerungen der individuellen Jahreshöchstlast hier keine Kosteneinsparungen hervor.
Die Bandlastprivilegierung hat in den geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Berechtigung in der derzeit bestehenden Form größtenteils eingebüßt und setzen Fehlanreize. Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch zunehmend nachteilhaft und kann die Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt hemmen. Auch kann unflexibles Lastverhalten Situationen kritischer Netzzustände verschärfen. Gleichzeitig können dynamische Reaktionen auf die Einspeisesituation – insbesondere durch stromintensive Industriebetriebe – einen erheblichen systemdienlichen Beitrag leisten.
Die Stromnetzentgelte beinhalten verschiedene Privilegierungstatbestände für Industrie und Gewerbe, die ein bestimmtes Verhalten anreizen. Bei der sogenannten atypischen Netznutzung zahlen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher ein reduziertes Entgelt, wenn ihre Jahreshöchstlast von der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz abweicht. Hierdurch sollte die erforderliche Netzdimensionierung begrenzt werden. Dagegen hat die Bandlast den Zweck, eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher anzureizen.
Durch die Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV erzielen im Jahr 2024 rund 400 Bandlastkunden und rund 4200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur insgesamt Netzentgeltreduzierungen von über 1 Mrd. Euro. Die den Netzbetreibern in der Folge entgehenden Erlöse werden durch eine Umlage an alle Netznutzer gewälzt. Diese beträgt im laufenden Jahr 0,643 ct/kWh.
Durch die Energiewende verändert sich die Stromerzeugerlandschaft eklatant. Dies führt unweigerlich auch zu veränderten Erfordernissen im Netzbetrieb. Dementsprechend ist eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden.
Die Effektivität einer Privilegierung einer atypischen Netznutzung hat sich in Netzen mit einer hohen Durchdringung an erneuerbaren Energien stark geschmälert. Zusätzlicher Netzausbau wird hier nicht primär durch die Last-, sondern durch die Einspeiseseite verursacht. Dementsprechend führen Verlagerungen der individuellen Jahreshöchstlast hier keine Kosteneinsparungen hervor.
Die Bandlastprivilegierung hat in den geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Berechtigung in der derzeit bestehenden Form größtenteils eingebüßt und setzen Fehlanreize. Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch zunehmend nachteilhaft und kann die Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt hemmen. Auch kann unflexibles Lastverhalten Situationen kritischer Netzzustände verschärfen. Gleichzeitig können dynamische Reaktionen auf die Einspeisesituation – insbesondere durch stromintensive Industriebetriebe – einen erheblichen systemdienlichen Beitrag leisten.
(Quelle DIHK)