Standortpolitik

Keine Grundlage für Diesel-Fahrverbote

Für ein Diesel-Fahrverbot in Limburg, welches vom Land Hessen mit dem Luftreinhalteplan angesteuert wird, fehlt aus Sicht der IHK Limburg die entscheidende Grundlage: repräsentative Stickstoffdioxid-Messergebnisse für den betreffenden Bereich der Schiede.

„Es geht der IHK um die Berücksichtigung von repräsentativen Messwerten für den zu beurteilenden Straßenabschnitt der Schiede. Das haben wir gegenüber dem Hessischen Umweltministerium vor ein paar Tagen deutlich gemacht und gebeten zu prüfen, ob die Messwerte des Passivsammlers vor dem Musikhaus Sandner im Sinne der maßgebenden EU-Richtlinie tatsächlich aussagekräftig und belastbar sind. Darauf weisen wir auch hin, wenn wir als Träger öffentlicher Belange bei dem Vorhaben angehört werden“, sagt Monika Sommer, Hauptgeschäftsführerin der IHK Limburg. Hintergrund ist, dass die Abweichungen der Messwerte vom Passivsammler und der Messstation auf der Seite von Karstadt sehr groß sind. Die Abweichung liegt, betrachtet man den Jahresdurchschnitt der letzten Jahre, bei etwa 9 Mikrogramm bzw. fast 17 Prozent.

Repräsentative Messwerte ermitteln
Gemäß der für die Überwachung der Luftqualität relevanten EU-Richtlinie ist es erforderlich, dass in besonders belasteten Bereichen gemessen wird. Zugleich sollen für einen solchen Bereich repräsentative Werte ermittelt werden. Der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid soll dem Gesundheitsschutz von Menschen dienen, welche einer entsprechenden Luftbelastung längerfristig ausgesetzt sind. Gemeint ist damit die gesamte Wohnbevölkerung in dem Straßenabschnitt und nicht Personen, welche sich kurzzeitig am Straßenrand in Nähe des Passivsammlers aufhalten. Im Sinne des Gesundheitsschutzes der Bewohner zwischen Schiedekreuzung und Schiedetunnel sind somit Daten zu ermitteln, welche repräsentative Aussagen für den gesamten Bereich machen.
Ein von der IHK Limburg in Auftrag gegebenes technisches Gutachten, welches die Schadstoffverteilung im Straßenabschnitt betrachtet, zeigt auf, dass die Messstation vor Karstadt in etwa die Werte wiedergibt, welche als repräsentativ für den ganzen Straßenabschnitt gelten könnten. Die Werte des Passivsammlers dagegen geben nur den Umweltzustand von einem sehr kleinen Raum in unmittelbarer Nähe der Messstelle wieder. Genau das soll aber laut EU-Richtlinie nicht so sein.

Nachhaltige Mobilität statt Fahrverbote
Die von der Deutschen Umwelthilfe für Limburg geforderten Fahrverbote sieht die IHK Limburg angesichts der Datenlage und den erheblichen negativen Auswirkungen nicht als verhältnismäßig an. Bereits Ende 2018 hatte die Vollversammlung eine entsprechende Resolution verabschiedet. Unter einem Diesel-Fahrverbot würden die Stadt und die für den regionalen Wirtschaftsstandort wichtigen verkehrlichen Abläufe leiden. Auch würden die vielen Maßnahmen der Stadt Limburg für eine immer bessere Luft damit nicht gewürdigt.
„Die heimische Region mit der Kreisstadt Limburg ist ein prosperierender Standort mit besonderer Lebensqualität und leistungsfähiger Wirtschaft. Die Herausforderung besteht darin, Leben, Arbeiten sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz in Einklang zu bringen. Dieser Balanceakt ist besonders schwierig, wenn es um die Problematik der Luftreinhaltung geht und Umgehungsinfrastruktur fehlt. Als IHK sehen wir in vorausschauendem Ausbau der Infrastruktur und der Optimierung des Verkehrs bessere Ansätze zur nachhaltigen Einhaltung der Luftgrenzwerte in Limburg als in Fahrverboten. Die Mobilität muss in jedem Fall sichergestellt werden“, so Sommer.

Luft wird sauberer
Die Luft in Limburg ist in den letzten Jahren immer sauberer geworden, der Anteil von Stickoxiden hat in dieser Zeit stetig abgenommen. Dafür gesorgt haben neben den verschiedenen Maßnahmen der Stadt Limburg vor allem die kontinuierliche Fahrzeugerneuerung mit einem immer höheren Anteil moderner Motoren.
Im Jahr 2018 wurde für die Messstation vor Karstadt noch ein Jahresdurchschnittswert von 49 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft festgestellt, in 2019 waren es 43 Mikrogramm und in 2020 zuletzt 34,5 Mikrogramm (Corona-Effekt). Für das erste Halbjahr 2021 hat die IHK auf Basis der vom hessischen Umweltamt veröffentlichten Monatsdaten einen Durchschnittswert von 33,4 Mikrogramm errechnet.
Angelehnt an die positive Entwicklung der Werte der Messstation und die Annahme einer weiter positiven Entwicklung geht die IHK davon aus, dass auch nach Abflauen der Corona-Auswirkungen auf den Verkehr, die repräsentativen Messwerte für den Schiedeabschnitt nach 2020 und 2021 unter dem 40-Mikrogrammgrenzwert liegen werden und einem Fahrverbot damit die Grundlage fehlt.

Hinweise für die RedaktionDie aktuellen Vorgaben zur Luftqualitätsmessung finden sich in der entsprechende EU-Luftqualitätsrichtlinie, dort Anhang III, nahezu wörtlich umgesetzt in der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, siehe https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_39/anlage_3.html.Bisherige Klagen und Gerichtsurteile im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung befassten sich mit einer mangelnden Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG in den einzelnen EU-Ländern, weniger mit einer Übererfüllung der Vorgaben. Die geplante Überarbeitung der EU-Richtlinie wird hoffentlich konkretere Vorgaben zur einheitlichen Umsetzung der Überwachung der Luftqualität setzen. Bezüglich neuer Grenzwerte sollte eine Folgenabschätzung durchgeführt werden, um die Auswirkungen einer Absenkung der geltenden Werte nicht nur in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen und Kosten, sondern auch in Hinblick auf ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen und Kostenfolgen zu untersuchen.