Standortpolitik
Repräsentative Messwerte für Limburg-Schiede gefordert
18.05.2021 – Bei aller Erleichterung angesichts der in 2020 gesunkenen Stickoxidmesswerte für Limburg hat die IHK Limburg dennoch in einem Schreiben vom 18.05.2021 an die Hessische Umweltministerin erneut ihre Bedenken bezüglich der Repräsentativität der für Limburg veröffentlichten Werte vorgebracht. Wenn immer wieder in Verlautbarungen Limburg zu den Städten Deutschlands mit den höchsten Schadstoffwerten gezählt wird, sei dies nicht sachgerecht und dem Wirtschafts- und Lebensstandort unnötig abträglich. Die IHK hat begründete Zweifel, dass vor allem die für den betreffenden Messabschnitt zwischen Schiedekreuzung und Tunnel gemessenen und veröffentlichten Werte repräsentativ sind. Die von dem Passivsammler Schiede I gemessenen Werte seien sehr wahrscheinlich nur repräsentativ für einen engen Radius rund um den Passivsammler und nicht für den Straßenmessabschnitt. Die IHK möchte in der Diskussion um die in Limburg festgestellten Luftmesswerte und aufgrund von drohenden, die Wirtschaft belastenden Fahrverboten einen sachlichen Beitrag liefern und hatte dazu ein Rechtsgutachten und ein technisches Gutachten erstellen lassen, siehe Rubrik ”Weitere Informationen”. Beide Gutachten geben aus Sicht der IHK Anlass, die bisherige Messmethodik zu korrigieren und argumentiert wie folgt:
Rechtsvorschriften zielen auf repräsentative Werte
Wie sich aus den, den Messungen zugrunde liegenden, Rechtsvorschriften ergibt, geht es mit Blick auf die gesundheitliche Betroffenheit der Bevölkerung in einem Straßenabschnitt nicht darum, eine Messmethodik so auszurichten, dass möglichst hohe oder möglichst niedrige Schadstoffwerte ermittelt werden, sondern um die Ermittlung von repräsentativen, bezüglich der Belastung der Bevölkerung aussagekräftigen Werte. Nur repräsentative Werte können auch eine Grundlage für einen Luftreinhalteplan sein.
Die europäische Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG (EU-LQR) und die der Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland dienende 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (39. BImSchV) sind die rechtlichen Grundlagen für vorzunehmende Messungen.
Dort ist z.B. festgelegt, dass in belasteten Städten gemessen werden muss und dort in besonders belasteten Bereichen, insbesondere in Straßenabschnitten wie z.B. in Limburg auf der Schiede, in der Frankfurter Straße und in der Diezer Straße.
Wurden Straßenabschnitte zur fortlaufenden Messung ausgewählt, sollen die Messeinrichtungen laut Luftqualitätsrichtlinie so eingerichtet werden, dass für einen möglichst „mindestens 100 Meter langen Abschnitt“ repräsentative Messergebnisse erzielt werden. D.h. der Messabschnitt darf keinesfalls beliebig verkürzt werden. Es geht laut der Richtlinie nicht darum, einen Punkt in der Innenstadt zu finden, an dem sich der höchste oder niedrigste Wert messen lässt. Die Schutzabsicht zielt auf Menschen ab, welche erhöhten Werten in dem betrachteten Abschnitt einen entsprechend langen Zeitraum ausgesetzt sind.
Auf Basis der betriebenen Messungen sollen Aussagen für einen gesamten Straßenabschnitt gemacht werden können. Deshalb sind Werte, welche nur für einen engen Teilbereich in dem betrachteten Straßenabschnitt Aussagen machen, nicht repräsentativ und nicht brauchbar. Diese Messungen können aus Sicht der IHK keine Grundlage für verkehrseinschränkende Maßnahmen sein.
Unterschiedliche Grenzwerte für unterschiedliche Belastungssituationen
Der festgesetzte Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ NO2 ist ein Wert, der im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden soll, weil man davon ausgeht, dass es gesundheitsgefährdend ist, wenn Menschen entsprechend langfristig einer Konzentration von NO2 höher als 40 µg/m³ NO2 in der Atemluft ausgesetzt sind.
In dem Straßenabschnitt der Schiede zwischen Kreuzung (Schiede / Diezer Straße) Richtung Tunnel, werden durch den Passivsammler I besonders hohe Werte gemessen. Der Jahresdurchschnitt lag lange Jahre über 50 µg/m³ NO2.
Die Frage ist nun, ob die dort festgestellten und veröffentlichten Werte des Passivsammlers tatsächlich repräsentativ für den Straßenabschnitt sind und Fahrverbote begründen können.
Daran gibt es aus Sicht der IHK begründete Zweifel:
1. Zum einen weichen unabhängig von Umwelteinflüssen bereits die Messwerte der auf der anderen Straßenseite liegende Messstation erheblich von den Messwerten des Passivsammlers I ab. D. h. auf gleicher Straßenhöhe werden stark unterschiedliche Werte je nach Straßenseite gemessen. Welcher Wert ist nun eher repräsentativ für den Straßenabschnitt? Nicht unbedingt der höhere Wert des Passivsammlers.
2. Ein technisches Gutachten zeigt auf, dass sich die Konzentration der Schadstoffe auch im Verlauf des Straßenabschnitts stark ändert, auch bezüglich der Höhenlage des bebauten Straßenabschnitts. Entweder müssten weitere Messeinrichtungen in der Straße installiert werden, um einen repräsentativen Mittelwert zu bestimmen, oder man müsste zumindest mittels anerkannter Modellrechnungen ermitteln, wie hoch die Schadstoffbelastung entlang des Schiedeabschnittes ist, um einen repräsentativen Wert zu ermitteln und die Belastung der betroffenen Menschen sachgerecht festzustellen.
3. Der einzuhaltende Jahresgrenzwert von 40 µg zielt ab auf den Schutz von Menschen, welche sich in dem belasteten Straßenbereich längerfristig und nicht nur kurzfristig aufhalten (für eher kurzfristige Belastungssituationen gilt der Stundengrenzwert von 200 µg).
Es geht um die Belastung der Wohnbevölkerung an der Schiede
Aus den genannten Gründen ergibt sich zur Ermittlung repräsentativer Werte aus unserer Sicht zwingend folgendes: Bei der Betrachtung des belasteten Straßenabschnitts müsste darauf geachtet werden, welchen Luftschadstoffwerten die Menschen, die sich dort längere Zeit aufhalten, ausgesetzt sind. Es geht damit um die Wohnbevölkerung des Straßenabschnitts, auf die der Jahresgrenzwert zielt. Nur für diese Zielgruppe ist davon auszugehen, dass sie in dem Straßenabschnitt einer entsprechend zeitlich langen Schadstoffbelastung ausgesetzt ist. Nach Zielrichtung der Luftqualitätsrichtlinie zum Gesundheitsschutz müsst der ermittelte repräsentative Messwert die Belastung der in dem betrachteten Straßenabschnitt vorhandenen Wohnbevölkerung abbilden, unter Berücksichtigung der Verteilung im Straßenabschnitt nach Lage und Höhe der Wohnungen.
Die von dem Passivsammler „Schiede I“ gemessenen Werte zeigen exakt nur die Belastung in einem engen Radius auf, welcher z.B. ein Mensch, der sich an dieser Stelle aufhält, ausgesetzt ist. Für Passanten, d.h. Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer, welche diesen Straßenabschnitt passieren, ist der Stundengrenzwert von 200 µg relevant. Dieser Grenzwert darf auch bei eher kurzfristiger Belastung der Betroffenen (z.B. 30 Minuten pro Tag) nicht überschritten werden, da auch bei kurzfristiger Belastungssituation (Schadstoffwerte über dem Grenzwert) von einer Gesundheitsschädigung auszugehen ist.
Wenn sich im betrachteten Straßenabschnitt jemand dauerhaft aufhält (Wohnbevölkerung) ist ein schärferer Grenzwert relevant: Von einer Gesundheitsgefährdung für Wohnbevölkerung ist auszugehen, wenn in dem Messabschnitt der Grenzwert von mehr als 40 µg Stickoxid im Jahresdurchschnitt überschritten wird. Ob dieser Grenzwert in dem betrachteten Straßenabschnitt bezüglich der relevanten Wohnbevölkerung überschritten wird, ist mittels für den Straßenabschnitt repräsentativer Daten zu bestimmen.
Wie bereits die erheblich voneinander abweichenden Messwerte von Passivsammler und aktiver Messstation belegen, zeigt auch das von der IHK beauftragte technische Gutachten, dass die Schadstoffkonzentration in dem Straßenabschnitt der Messstation Schiede I zwischen Schiedekreuzung und Schiedetunnel sehr unterschiedlich ist, sogar in dem relativ kurzen Abschnitt der Häuserschlucht. Die stark unterschiedliche Verteilung der Schadstoffkonzentration macht deutlich, dass die an dem Messpunkt „Schiede I“ gemessenen Luftschadstoffwerte nicht repräsentativ sein können für den Messabschnitt bzw. für die betroffene Bevölkerung.
Nur repräsentative Werte können Grundlage eines Luftreinhalteplans sein
Deshalb sollte aus Sicht der IHK eine Korrektur der an der Scheide bisher angewandten vorgenommenen Messmethodik zur Ermittlung repräsentativer Werte vorgenommen werden. Nur repräsentative Werte, deren Ermittlung exakt den Vorgaben der europäischen Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG (EU-LQR) bzw. der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (39. BImSchV) entspricht, können Grundlage für einen Luftreinhalteplan mit regulierenden Maßnahmen sein.
Um Missverständnisse zu vermeiden macht die IHK darauf aufmerksam, dass die in der Vergangenheit vorgenommen Überprüfung der Messeinrichtung durch den TÜV Rheinland lediglich überprüfen sollte, ob die Messeinrichtungen in der Stadt gegen die Vorgaben der „Kleinräumigen Ortsbestimmung“ der Richtlinie verstoßen. Es war nicht Untersuchungsgegenstand, ob die von einer Messeinrichtung ermittelten Werte als repräsentativ für den jeweiligen Straßenabschnitt gelten können.
Die Überprüfung des TÜV erscheint im Blick auf die „Kleinräumigen Ortsbestimmung“ der Richtlinie unvollständig. Ein „Messeinlass“ soll laut der betreffenden Richtlinie z.B. nicht durch „Vorsprünge in der Wand“ beeinträchtigt werden. Wie sich vor Ort leicht erkennen lässt, ist dies bezüglich dem Passivsammler Schiede 1 nicht der Fall, da es Wandvorsprünge direkt neben der Dose des Passivsammlers gibt. Dies wird im Gutachten des TÜV leider nicht thematisiert.
Vor allem aufgrund der oben dargelegten Hinweise zur Ermittlung repräsentativer Messwerte und der Betroffenheit des heimischen Wirtschaftsstandortes hat die IHK Limburg die hessische Umweltministerin gebeten, die bisherige Messmethodik zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Das gilt insbesondere für den Messabschnitt des Passivsammlers I. Es gehe darum, zu zweifelsfrei repräsentativen Werten zu gelangen, als sachgerechte und richtlinienkonforme Basis für den fortzuschreibenden Luftreinhalteplan für Limburg.