IHK-Konjunkturumfrage Frühjahr 2020

Corona-Krise hinterlässt tiefe Spuren in heimischer Wirtschaft

29. Mai 2020 – Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft der Region Limburg-Weilburg mit großer Wucht getroffen und zu einem starken Konjunktureinbruch geführt. Von der Politik wünscht sich die IHK ein wirksames Maßnahmenpaket für einen zügigen Neustart.
Die Unternehmen der heimischen Region bekommen die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich zu spüren, wie die aktuelle Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Limburg zur wirtschaftlichen Lage zeigt. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der Lage und Erwartungen der befragten heimischen Betriebe zusammenfasst, ist von 111 Punkten zum Jahresbeginn auf aktuell 64 Punkte im Frühjahr 2020 deutlich in den negativen Bereich gefallen. Vor einem Jahr lag der Wert noch bei guten 121 Punkten.
Der Indexwert liegt weit unter dem langjährigen Durchschnitt. Ähnlich niedrige Werte gab es in der New-Economy-Krise Anfang der 2000er Jahre sowie in der Finanzkrise 2009. „Damals war der Rückgang zwischen zwei aufeinanderfolgenden Erhebungen allerdings nicht so abrupt. Der regelrechte Absturz um derzeit 47 Punkte ist Folge davon, dass die Corona-Krise fast alle Branchen ohne Vorwarnung getroffen hat und die Unternehmen durch den Shutdown sowie massive Eindämmungsmaßnahmen in ihrer Geschäftstätigkeit gravierend gebremst bzw. nahezu stillgelegt wurden“, sagt IHK-Präsident Ulrich Heep.
Sowohl die aktuelle als auch die zukünftige Geschäftslage werden von den Unternehmen aufgrund des Herunterfahrens der Wirtschaft deutlich schlechter eingeschätzt als zuletzt. So bewerten nur 18 Prozent der Unternehmen im Bezirk der IHK Limburg ihre momentane Geschäftslage mit gut, 42 Prozent geht es immerhin befriedigend, 40 Prozent aber bezeichnen ihre Geschäftslage als schlecht. Zugleich blicken die meisten Unternehmen pessimistisch auf die weitere Entwicklung. Für die kommenden zwölf Monaten rechnen 55 Prozent der Betriebe mit einer Verschlechterung der Geschäftslage, 37 Prozent erwarten eine gleichbleibende, nur 8 Prozent eine bessere Geschäftslage.
Die Umfrageergebnisse für den IHK-Bezirk Limburg entsprechen der konjunkturellen Lage, in der sich die gesamte deutsche Wirtschaft bzw. die Weltwirtschaft befindet. Im vergangenen Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch um schwache 0,6 Prozent, nach 1,5 Prozent in 2018. Für 2020 geht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag von einem Minus von 10 Prozent aus.
Neustart der Wirtschaft
„Die aktuelle Infektionslage und die bisherigen Lockerungen der coronabedingten Einschränkungen machen Mut. Dennoch hinterlässt die Corona-Krise tiefe Spuren in der heimischen Wirtschaft“, sagt Hauptgeschäftsführerin Monika Sommer. „Die Auflagen zum Gesundheitsschutz, unterbrochene Lieferketten oder die Nachfrageschwäche bedeuten für die Unternehmen deutlich mehr Aufwand bei höheren Kosten und weniger Umsatz. Die Rückkehr zur Normalität wird ein weiter Weg. Von der Politik wünschen wir uns für einen zügigen Neustart der Wirtschaft ein Gesamtpaket aus Entlastungen für Betriebe und Rückenwind für Investitionen. Zudem brauchen Unternehmen, die einen kompletten Stillstand haben, zusätzliche und verlängerte Nothilfen."
Maßgebend für die weitere Entwicklung wird sein, wie sich die Rahmenbedingungen in den nächsten Monaten entwickeln. Dabei wird sich der Aufholprozess für die Wirtschaft deutlich langsamer vollziehen als der Einbruch und sich für die einzelnen Branchen auch unterschiedlich gestalten. Abhängen wird die Belebung der Wirtschaftsentwicklung auch von den Stufen der Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen in Deutschland und in den Nachbarländern aber auch davon, wie schnell die Weltwirtschaft insgesamt die Rezession überwindet.
Risiken neu bewertet
Die größten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens bewerten die heimischen Betriebe in der Corona-Krise gegenüber früheren Umfragen neu. So hat sich die Sorge um die Inlandsnachfrage ganz nach vorn geschoben, genannt von 69 Prozent der Unternehmen (insbesondere Industrieunternehmen). Aufgrund auch der starken Eingriffe in die Wirtschaftsabläufe ist die Sorge um die politischen Rahmenbedingungen stark gewachsen, genannt von 59 Prozent der Unternehmen (insbesondere aus Gastgewerbe, Verkehrsbereich und Dienstleistern). Befürchtet werden dabei zukünftige Steuererhöhungen, höhere Personalkosten, Inflation oder Rückgang staatlicher Investitionen. Deutlich zugenommen hat auch die Sorge um die Auslandsnachfrage, genannt von jedem vierten Unternehmen (bzw. fast jedem zweiten Industrieunternehmen aufgrund der Exportorientierung der Industrie). Die Sorge um ausreichend Fachkräfte und die Entwicklung der Arbeitskosten wird auch häufig genannt, aber deutlich weniger als in den vorhergehenden Umfragen.

Konjunktur in den Branchen


Produzierendes Gewerbe
In der Industrie erreicht der Konjunkturklimaindex nur 70 Punkte, ein Rückgang von 38 Punkten gegenüber 108 Punkten zum Jahresanfang. Ihre gegenwärtige Lage bezeichnen aktuell 23 Prozent der Industrieunternehmen als gut, 49 Prozent als befriedigend und 28 Prozent als schlecht.
Die Auftragseingänge des verarbeitenden Gewerbes aus dem Inland und Ausland sind dabei in den letzten vier Monaten per Saldo deutlich gesunken: bei den Aufträgen aus dem Ausland um 55 Prozent, bei den Inlandsaufträgen um 37 Prozent. Ob Investitionsgüter-, Vorleistungsgüter oder Verbrauchsgüterproduzenten: alle sind gleichermaßen betroffen. Für 2020 wird von allen Industriebranchen mit einem Saldo von 58 Prozent mit einem sinkenden Exportvolumen gerechnet.
Mit Blick auf die zukünftige Geschäftslage erwarten 8 Prozent der Unternehmen der Branche insgesamt eine Verbesserung in 2020, jedoch rechnen 56 Prozent mit einer ungünstigeren Entwicklung, der Rest (36 Prozent) geht von einer stabilen Entwicklung aus.
Der Konjunkturklimaindex im heimischen Baugewerbe erreicht zum Frühjahr 2020 einen Wert von 89 Punkten, nach 131 Punkten zum Jahresanfang. Trotz des kräftigen Rückgangs geht es dem Ausbaugewerbe und dem Bauhauptgewerbe (Industriebau, Tiefbau, Straßenbau etc.) aber noch vergleichsweise gut. Die gegenwärtige Lage wird von 47 Prozent aller Bauunternehmen als gut bezeichnet, 26 Prozent sind insgesamt zufrieden, 27 Prozent geht es schlecht. Die Auftragseingänge haben die letzten Monate im Verhältnis zu anderen Branchen um geringe 13 Prozent abgenommen. Bezüglich der weiteren Entwicklung in 2020 wird im Baugewerbe per Saldo jedoch mit einer weiteren Verschlechterung gerechnet.
Handel
Die Stimmung im heimischen Einzelhandel ist erheblich eingebrochen. Der Konjunkturklimaindex liegt mit 67 Punkten bei einem sehr niedrigen Wert. Anfang des Jahres stand der Wert mit 112 Punkten noch deutlich im positiven Bereich.11 Prozent der befragten Einzelhändler bezeichnen ihre gegenwärtige Lage als gut, 44 Prozent jedoch als schlecht, 45 Prozent sind zufrieden. Die Umsätze sind in den letzten vier Monaten bei 56 Prozent der Händler gefallen, bei 4 Prozent gestiegen, der Rest hatte etwa gleichbleibende Umsätze. Die Maßnahmen zum Infektionsschutz führten bei den privaten Haushalten zu einer Einschränkung des Konsums. Vor allem aber haben die verordneten Schließungen bzw. Restriktionen den örtlichen Handel erheblich getroffen.
Die heimischen Einzelhändler sind beim Blick auf die Zukunft pessimistisch: 11 Prozent erwarten zwar eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, 44 Prozent jedoch eine Verschlechterung – trotz Lockerung der coronabedingten Beschränkungen. Es wird allgemein erwartet, dass eine nachhaltige Verunsicherung der Verbraucher sich negativ auf die Anschaffungsneigung auswirkt.
Etwas besser als im Einzelhandel ist die Lageeinschätzung im Großhandel. Nach guten 117 Punkten zum Anfang des Jahres gab es beim Klimaindex einen Rückgang auf nun 69 Punkte. Die gegenwärtige Lage wird von 28 Prozent der Großhändler und Handelsvermittler als gut und von 39 Prozent als befriedigend bezeichnet. 33 Prozent urteilen „schlecht“. Die Umsatzentwicklung der letzten vier Monate verlief per Saldo negativ: 22 Prozent der Großhändler konnten steigende Umsätze verzeichnen, 39 Prozent fallende Umsätze. Bei dem Rest der Großhändler waren die Umsätze konstant.
Bezüglich der zukünftigen Geschäftsentwicklung ist man im Großhandel per Saldo deutlich pessimistisch: 7 Prozent der Unternehmen erwarten für die kommenden Monate eine günstigere Geschäftsentwicklung, 56 Prozent jedoch eine Abschwächung. Die übrigen Großhändler rechnen mit einer eher gleichbleibenden Entwicklung.
Dienstleister
Auch die Konjunktur im Gesamtbereich Dienstleistungsgewerbe ist seit Jahresbeginn heftig eingebrochen, noch stärker als in der Industrie oder im Handel. Der Konjunkturklimaindex ist von 111 Punkten auf 55 Punkte zurückgegangen, in Einzelbranchen sieht es sehr negativ aus. Die aktuelle Geschäftslage wird nur von 8 Prozent der Unternehmen als gut bewertet aber von 50 Prozent als schlecht, der Rest ist zufrieden. Im Blick auf die Geschäftserwartungen überwiegt deutlich der Pessimismus.
Zu den Dienstleistern gehören unter anderem die folgenden Branchen mit ihrer jeweiligen Konjunkturlage:
Bei den unternehmensbezogenen Dienstleistern ist der Konjunkturklimaindex seit Jahresanfang von 110 Punkte auf jetzt 73 Punkte gefallen. Den Unternehmen aus den Bereichen Information und Kommunikation, Immobilienwirtschaft, Public Relations, Werbung und Marktforschung sowie Unternehmensberatung geht es damit noch relativ gut. Die Umsätze sind in den letzten Monaten per Saldo im Verhältnis zu anderen Bereichen „nur“ um 36 Prozent zurückgegangen. 14 Prozent der Unternehmen geht es gut, 36 Prozent schlecht, der Rest ist zufrieden.
Deutlich schlechter sieht es bei den personenbezogenen Dienstleistern aus (Reisebüros, Fitness- oder Kosmetikstudios, Tanzschulen etc.). Hier sind die Umsätze per Saldo um 87 Prozent zurückgegangen, da die Unternehmen Leistungen für ihre Kunden aufgrund der angeordneten Schutzmaßnahmen nicht mehr erbringen durften. Entsprechend ist der Klimaindex auf 35 Punkte abgestürzt. Keinem der Unternehmen geht es gut, 80 Prozent schlecht, der Rest ist zufrieden.
Beide Dienstleistergruppen sind mit Blick auf die absehbare Zukunft überwiegend pessimistisch. 15 Prozent rechnen zwar mit einer Verbesserung, 53 Prozent aber mit einer Verschlechterung, der Rest geht von wenig Veränderung der gegenwärtigen Lage aus.
Im Gastgewerbe hatte sich der Konjunkturklimaindex zum Jahresbeginn auf 117 Punkte zunächst gut erholt, nach schwachen 89 Punkten im vergangenen Herbst. Ein Absturz auf jetzt 19 Punkte verdeutlicht die aktuell existenzbedrohende Lage in der Branche. Die ersten Lockerungen bei den Schutzmaßnahmen bieten zwar ein Hoffnungsschimmer. Aufgrund der weiterhin erforderlichen Abstands- bzw. Schutzbestimmungen ist aber eine rentierliche Auslastung und Leistungserbringungen bei den meisten Unternehmen noch nicht in Sicht. 92 Prozent bezeichnen ihre augenblickliche Geschäftslage aufgrund der nicht mehr vorhandenen Auslastung als schlecht, nur 8 Prozent als zufriedenstellend. Bezüglich der Zukunftsaussichten ist man sehr pessimistisch. Nur 17 Prozent erwarten in absehbarer Zeit eine Verbesserung, 75 Prozent eher eine Verschlechterung, der Rest sieht keine Veränderung.
Im Verkehrsbereich ist der Klimaindex von 111 Punkten zu Jahresanfang auf jetzt 52 Punkte eingebrochen, als Folge davon, dass Transporte nicht mehr erlaubt (z.B. Busreisen), benötigt (unterbrochene Lieferkette bzw. Angebots- oder Nachfrageausfall) bzw. behindert (Grenzregelungen) waren. Bei einigen wenigen Unternehmen gab es auch eine Mehrauslastung (z.B. bei Lebensmitteltransporten im Nahbereich). 13 Prozent der Unternehmen des Transportgewerbes bezeichnen ihre augenblickliche Geschäftslage als gut, 54 Prozent als zufriedenstellend und 33 Prozent sind unzufrieden. Im Blick auf die Zukunft rechnen zweit Drittel der Unternehmen mit einer Verschlechterung, ein Drittel erwartet keine Veränderung der Geschäftslage.
Für die Konjunkturumfrage werden dreimal im Jahr rund 500 Mitgliedsunternehmen der IHK Limburg aus den verschiedenen Branchen befragt. Der Konjunkturklimaindex setzt sich zusammen aus der Beurteilung der aktuellen und der zukünftigen Geschäftslage. Bei einem Wert unter 100 kann man von einer negativen Gesamtstimmung sprechen, ab 100 Punkten von einer befriedigenden Beurteilung, ab 120 Punkten von einer guten, ab 130 Punkten von einer sehr guten Beurteilung.