Wirtschaftsrecht
Verjährung
Die Verjährung ändert die rechtliche Durchsetzbarkeit eines an sich bestehenden Anspruchs. Daher bleibt der Anspruch gegen den Schuldner bestehen, auch wenn er verjährt ist. Der Schuldner muss ihn jedoch nicht erfüllen, sondern kann sich auf das Vorliegen der Verjährung berufen. Die Aufrechnung mit einer verjährten Forderung sowie die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bleiben aber möglich, wenn der Anspruch zu dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, zu dem erstmals aufgerechnet oder verweigert werden konnte.
Das Gesetz sieht eine Regelverjährung vor, zu der es zahlreiche Ausnahmen gibt. Die Verjährung kann unter bestimmten Umständen gehemmt oder sogar zum Neubeginn gebracht werden. Diese Kurzinformation erläutert die in der unternehmerischen Praxis wichtigsten Verjährungsfristen, ohne das Gesamtsystem des umfangreichen Verjährungsrechts erschöpfend darzustellen.
1. Regelverjährungsfrist
Die Regelverjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB). Sie gilt für alle ab dem 1. Januar 2002 entstandenen Ansprüche, sofern keine Sonderverjährungsregeln anzuwenden sind. Sonderverjährungsfristen finden sich – falls vorhanden – in speziellen, den jeweiligen Anspruch regelnden Normen, wie Handelsgesetzbuch, Aktiengesetz oder auch Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB). Die regelmäßige Verjährung kann durch vertragliche Vereinbarung auf bis zu 30 Jahre ab Verjährungsbeginn verlängert werden.
Beispiele für die Regelverjährung: Lieferansprüche aus Kauf- oder Werkverträgen, Ansprüche auf Erfüllung aus Aufträgen oder Dienstleistungsverträgen, Zahlungsansprüche aus sämtlichen Verträgen, Ansprüche aus Handelsvertreterverträgen sofern diese nach dem 14. Dezember 2004 entstanden sind.
Die regelmäßige Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres,
- in dem der Anspruch entstanden ist
- und der Gläubiger Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen und der Person erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Unabhängig davon, ob Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, verjähren diese Ansprüche spätestens 10 Jahre nach Entstehung des Anspruchs.
2. Wichtige Sonderverjährungsfristen
2.1. 30-jährige Verjährung
Statt der dreijährigen Regelverjährung gilt für die nachfolgenden Anspruchsarten eine 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197, § 199 Abs. 2 BGB) mit unterschiedlichem Beginn der Fristenläufe:
- Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten – Fristbeginn mit Entstehung
- familien- und erbrechtliche Ansprüche – Fristbeginn mit Entstehung
- rechtskräftig festgestellte Ansprüche – Fristbeginn mit der Rechtskraft der Entscheidung (z.B. eines Urteils)
- Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden – Fristbeginn mit der Errichtung des vollstreckbaren Titel
- Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind – Fristbeginn mit der Feststellung
- Schadensersatzansprüche, die auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit (§ 199 Abs. 2 BGB) beruhen, Fristbeginn ist dabei das schadensauslösende Ereignis (bspw. die Begehung der Handlung oder die Pflichtverletzung) ohne Rücksicht darauf, wann der Schaden tatsächlich eintritt. Dies kann bei längerem Kausalverlauf dazu führen, dass die Verjährung einritt, bevor der Schaden überhaupt entstanden ist (bspw. schleichende Vergiftung).
2.2. Kaufverträge
Sonderregeln gelten für die Verjährung der Ansprüche bei Vorliegen einer mangelhaften Kaufsache (§ 438 BGB):
- grundsätzlich 2 Jahre für Mängelansprüche
- bei arglistig verschwiegenen Mängeln gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren, Fristbeginn ist erst mit Schluss des Jahres nach Kenntnis von Anspruch und Schuldner (Regelverjährung).
- 5 Jahre für Baustoffe, die die Mangelhaftigkeit eines Bauwerkes hervorgerufen haben
- 30 Jahre für die Fälle, in denen die Kaufsache aufgrund eines dinglichen Rechts, wie z.B. Eigentum, eines Dritten von diesem herausverlangt werden kann
- Außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs (also echte Unternehmensgeschäfte) kann die Verjährung im Kaufrecht auf ein Jahr verkürzt werden. Für gebrauchte Waren kann die Verjährung auch beim Verbrauchsgüterkauf (Verkauf an Privatpersonen) auf 1 Jahr verkürzt werden.
- Im Rahmen der fünfjährigen Verjährungsfrist bei Bauwerken und mangelhaften Baumaterialien ist eine Verkürzung nicht möglich. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die VOB als Ganzes in den Vertrag einbezogen ist.
2.3. Werkverträge
Sonderverjährungsregeln gelten für Ansprüche im Rahmen der Haftung für Werkmängel (§ 634 a BGB):
- grundsätzlich 2 Jahre ab Abnahme des Werkes
- bei arglistig verschwiegenen Mängeln gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren, Fristbeginn ist erst am Schluss des Jahres nach Kenntnis von Anspruch und Schuldner (Regelverjährung)
- 3 Jahre bei unkörperlichen Arbeitsergebnissen, z.B. Baupläne oder Gutachten, Fristbeginn erst mit dem Schluss des Jahres nach Kenntnis von Anspruch und Schuldner (Regelverjährung).
- 5 Jahre bei Bauwerken ab Abnahme des Bauwerks, wenn durch die Mangelhaftigkeit des Baumaterials die Mangelhaftigkeit des Bauwerks hervorgerufen wurde und die Sachen für ein Bauwerk verwendet wurden, also z.B. Baumaterial für Neuerrichtung, Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an einem bereits errichteten Bauwerk. Ist die Sache mit dem Gebäude nicht fest verbunden, gilt aber die zweijährige Verjährungsfrist. Diese gilt auch, wenn der Mangel lediglich im Einbau liegt und nicht in der Mangelhaftigkeit des Materials.
2.4. Mietverträge
Das Mietvertragsrecht sieht u.a. eine 6-monatige Verjährung für folgende Ansprüche vor (§ 548 BGB):
- Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache
- Anspruch des Vermieters auf Vornahme von Schönheitsreparaturen bzw. auf Zahlung einer Quote der Schönheitsreparaturkosten bei Quotenhaftungsklausel.
- Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen.
Außerhalb dieser Sonderverjährung unterliegen Ansprüche aus Mietverträgen grundsätzlich der dreijährigen Regelverjährung.
3. Hemmung der Verjährung
Hemmung der Verjährung bedeutet, dass mit Eintritt des Hemmungsgrundes die Verjährung zum Stillstand kommt und nach dessen Wegfall weiterläuft. Der Zeitraum, währenddessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Die Verjährung ist gehemmt bei
- vereinbartem Leistungsverweigerungsrecht
- Schweben der Verhandlungen bis zur Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen; die Verjährung tritt frühestens zwei Monate nach Ende der Hemmung ein
- höherer Gewalt, zu der nunmehr auch der Stillstand der Rechtspflege zählt
- Rechtsverfolgungsmaßnahmen (die wichtigsten sind: Klageerhebung, Mahnverfahren, Güteantrag gem. § 15a ZPO, aber auch sonstige Gütestellenverfahren, Antrag auf Prozesskostenhilfe, Aufrechnung, Streitverkündung, Insolvenzverfahren, siehe umfassend § 204 I 1 Nr. 1-14 BGB).
Eine Ausnahme hiervon bilden die Vollstreckungsmaßnahmen, die auch weiterhin den Neubeginn der Verjährung auslösen.
Außergerichtliche Mahnungen, also private Zahlungsaufforderungen, hemmen (oder unterbrechen) die laufende Verjährung von Ansprüchen hingegen nicht, selbst wenn sie schriftlich und in Form eines eingeschriebenen Briefes erfolgen.
Die Hemmung endet 6 Monate nach rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Erledigung des eingeleiteten Verfahrens. Bei Nichtbetreiben des Verfahrens gilt die letzte Verfahrenshandlung als entscheidendes Datum für die sechsmonatige Frist.
Ab 01.01.2022 gilt:
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Warenkauf beträgt nach wie vor zwei Jahre ab Ablieferung der Sache. Neu sind aber zwei sogenannte Ablaufhemmungen: Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Wenn sich also bei einem gekauften PC erst im 23. Monat der Mangel zeigt, kann der Käufer seine Ansprüche beispielsweise noch bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen. Das Problem: Für den Verkäufer ist kaum nachprüfbar, wann der Mangel sich tatsächlich gezeigt hat.
Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Käufer nach Rückerhalt der Sache prüfen kann, ob durch die Nacherfüllung dem geltend gemachten Mangel abgeholfen wurde. Sichergestellt wird zudem, dass die Verjährung nicht abläuft, während sich die Kaufsache zur Nacherfüllung beim Verkäufer befindet.
4. Neubeginn der Verjährung
Neubeginn der Verjährung (früher: Unterbrechung) bedeutet, dass nach dem Ereignis, welches zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führt, die volle Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt. Unterbrechende Ereignisse sind:
- Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner gegenüber dem Gläubiger durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise
- eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung, die vorgenommen oder beantragt wird. Wird die Vollstreckungshandlung aufgehoben oder dem Antrag auf Vollstreckung nicht stattgegeben oder vorher zurückgenommen, so gilt der erneute Beginn der Verjährung als nicht erfolgt.
Stand: September 2021
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