DIHK-Positionspapier

Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland

Mit dem Positionspapier „DIHK-Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland“ formuliert die Deutsche Industrie- und Handelskammer zehn Energie-Essentials für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Deutschland will bis 2030 seine Treibhausgasemissionen erheblich reduzieren und bis 2045 die Klimaneutralität erreicht haben. Die IHK-Organisation unterstützt diese politische Zielsetzung, weil die deutsche Wirtschaft eine technologische Vorreiterrolle einnehmen kann und sich dadurch Chancen für Unternehmen eröffnen.
Die Energiewende kann nur mit starken Unternehmen erfolgreich sein.
1. Den Turbo bei erneuerbaren Energien zünden
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist deutlich zu langsam, um die politischen Ziele zu erreichen. Aus Sicht der Wirtschaft sollte die Politik an folgenden Schrauben drehen, um den Ausbau-Turbo zu zünden: Zum einen sollten Bund, Länder und Kommunen für den Bau von Wind- und PV-Freiflächenanlagen mehr Flächen zur Verfügung stellen. Der Ausbau von Windanlagen an Land kann zudem beschleunigt werden, wenn Prüfschritte für Neuanlagen und Repowering entfallen.

2. Heimische Potenziale in den Blick nehmen
Die Ausweitung heimischer Potenziale stärkt die Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Die Produktion von erneuerbaren Gasen sowie konventionelle Gasförderung inklusive einer nachhaltigen Schiefergasförderung an Land wie auf See schaffen ein breiteres Energieangebot. Dadurch wird die Energieversorgung der deutschen Wirtschaft weniger anfällig für externe Schocks bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder -routen. Gleichzeitig bietet eine stärkere Nutzung der oberflächennahen wie auch der Tiefen-Geothermie weitere Potenziale. Eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Wasser- und Umweltverträglichkeitsprüfung helfen, diese Potenziale zu erschließen.

3. Neben Gas andere Brückentechnologien nutzen
Gas ist als Brückentechnologie noch für viele Jahre unverzichtbar. Als einzige Brücke ist Gas hingegen aus Sicht der Wirtschaft nicht ausreichend – sowohl mit Blick auf die Resilienz der Energieversorgung als auch mit Blick auf die Kosten.

4. Wettbewerbsfähige Energiekosten ermöglichen
Die Energiekosten haben die Wirtschaft bereits vor der Krise stark belastet. Auch wenn die Preise für Strom und Gas in jüngster Zeit gesunken sind, gefährdet das Preisniveau die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich. Auch mit der Gas- und Strompreisbremse liegen die Energiekosten für energieintensive Prozesse und Dienstleistungen deutlich über den Beschaffungskosten in Frankreich oder den USA. Um seine Energiekosten dauerhaft zu senken, muss in Deutschland in erster Linie das Angebot massiv ausgebaut werden. Es sollte der Grundsatz gelten: Kraftwerkskapazitäten werden nur abgeschaltet, wenn andere wetterunabhängige Leistungen zur Verfügung stehen.

5. Infrastruktur schneller ausbauen
Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren, der Markthochlauf von Wasserstoff sowie die e-Mobilität und der Einbau von Wärmepumpen voranschreiten, desto dringlicher ist eine leistungsfähige Energieinfrastruktur. Ohne entsprechenden Infrastrukturzugang können Unternehmen sich nicht oder nur eingeschränkt an der Energiewende beteiligen und ihre betrieblichen Klimaschutzziele erreichen. Daher muss der notwendige Ausbau der Netzinfrastruktur koordiniert und über alle Energieträger hinweg beschleunigt umgesetzt werden. Der bisher schleppende Ausbau der Stromnetze auf allen Ebenen führt zu Abschaltungen von Erzeugungsanlangen und Eingriffen in die Fahrweise von Kraftwerken (Redispatch), die die Wirtschaft finanziell belasten und die Netzstabilität gefährden.

6. Auf den Energiemärkten stärker auf Markt und Europa setzen
Das aktuelle Strommarktdesign sorgt dafür, dass immer die günstigsten Kraftwerke zur Deckung der Nachfrage zum Einsatz kommen (Merit Order). Für die Unternehmen werden die Kosten der Stromversorgung dadurch begrenzt. Staatliche Eingriffe schränken die Effizienz des Marktes ein und können daher zu höheren Kosten für die Betriebe führen. Daher sollten solche Eingriffe auf ein Minimum beschränkt sein. Sollte aus politischer Perspektive eine Förderung etwa für erneuerbare Energien notwendig sein, sind Investitionszuschüsse für Unternehmen einer Betriebskostenförderung vorzuziehen. Dadurch werden Marktverzerrungen reduziert. Was der Markt kann, sollte nicht (länger) vom Staat übernommen werden.

7. Wasserstoff schnell verfügbar machen
Deutsche Unternehmen benötigen Wasserstoff in großen Mengen, um ihre betrieblichen Klimaschutzziele zu erreichen. Damit Wasserstoff rasch breit verfügbar wird, sind einheitliche europäische Regelungen insbesondere bei CO2-neutralem und grünem Wasserstoff notwendig. Die regulatorischen Anforderungen etwa zur Herkunft des verwendeten Stroms sollten zumindest in einer Übergangszeit so schlank wie möglich sein, um den Markthochlauf nicht zu bremsen.

8. Energieeffizienz durch Freiwilligkeit und Technologieoffenheit steigern
Die systematische Steigerung der Energieeffizienz liegt im Eigeninteresse der Unternehmen: Schließlich können sie so ihre betrieblichen Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig durch die Vermeidung von Energiebezug Kosten sparen. Der effiziente Energieeinsatz ist daher fester Bestandteil eines rationellen betrieblichen Energiemanagements und zugleich Triebkraft von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen. Einfache Maßnahmen sind aufgrund der seit Jahren hohen Energiepreise in Deutschland bereits in vielen Unternehmen längst umgesetzt worden. Zukünftige Maßnahmen erfordern hingegen aufgrund steigender Grenzkosten hohe Investitionen und sind vergleichsweise komplex in der betrieblichen Implementierung.

9. Standortqualität erhöhen sowie Rohstoffversorgung und Lieferketten diversifizieren
Die EU will bei wichtigen Schlüsseltechnologien zur Digitalisierung und Transformation von Importen unabhängiger werden. Das kann die Energiepolitik nicht allein erreichen. Damit sich entsprechende Unternehmen in Deutschland ansiedeln und auch dauerhaft am Standort produzieren, muss die Politik die Rahmenbedingungen für industrielle Produktion generell verbessern. Dazu gehören neben einer sicheren und zunehmend grünen Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen unter anderem ausreichend verfügbare Fachkräfte und eine moderne Infrastruktur.

10. Innovationen erleichtern
Maßgeblich für eine erfolgreiche Energie- und Klimapolitik sind Innovationen und neue Technologien. Zum Beispiel wird CO2 nicht in allen Prozessen vollständig vermieden werden können. Hierfür braucht es neue Lösungen für die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 (CCS/CCU). Daher sollten Innovationen im Bereich Klimaschutz durch technologieoffene Fördermaßnahmen angestoßen werden. Hier sind allerdings bürokratiearme, schnelle und digitalisierte Förderprozesse bei den Unterstützungsmöglichkeiten vonnöten.

Die vollständige Version des Positionspapiers steht zum Download bereit.