Baustellen im Zuge von Straßenbaumaßnahmen

Merkblatt: Überblick über Entschädigungen bei Straßenbaumaßnahmen

Überblick über Entschädigungen bei Straßenbaumaßnahmen

Straßenbaumaßnahmen gehören zum täglichen Erscheinungsbild einer Stadt. Ärger bereiten sie regelmäßig solchen Betrieben, deren Kunden und gelegentlich auch Mitarbeiter dadurch behindert werden. Oft erleiden die Betriebe auch empfindliche Umsatzeinbußen. Einige solcher Baumaßnahmen führen für die betroffenen Betriebe zu Ansprüchen auf staatliche Entschädigung. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, darüber soll diese Zusammenfassung einen ersten Überblick geben.

Nach dem Bundesverfassungsgericht ist der Gewerbebetrieb in seiner umfassenden Erscheinungsform, das heißt in allem, was den Betrieb und einen wirtschaftlichen Wert ausmacht, grundgesetzlich geschützt. Er fällt unter den Schutz des Eigentums nach Artikel 14 Grundgesetz (Eigentumsfreiheit). Dieser Schutz umfasst jedoch nicht den Lagevorteil eines Gewerbebetriebs, etwa an einer Straße mit günstiger Verkehrsanbindung oder hoher Kundenfrequenz. Dieser Lagevorteil ist von Anfang an mit dem Risiko der Änderung verbunden. Verschlechtert sich eine günstige Lage als Folge von Straßenbaumaßnahmen, so gibt es dafür keine Entschädigung.
Straßenbauarbeiten können dagegen unter anderen Gesichtspunkten zu Entschädigungsansprüchen führen. Allerdings steht das Eigentum unter dem Vorbehalt der Sozialbindung nach Artikel 14 Absatz 2 Grundgesetz. Das bedeutet, dass Verbesserungen oder Veränderungen, die allen zugute kommen, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Zu einem Entschädigungsanspruch kann es jedoch kommen
  1. wenn die Folgen der Straßenbauarbeiten nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkungen so erheblich sind, dass eine entschädigungslose Hinnahme nicht mehr zuzumuten ist, oder
  2. wenn die Beeinträchtigungen rechtswidrig oder unverhältnismäßig sind. Das bedeutet, wenn die Arbeiten nach Art und Dauer über das hinausgehen, was bei ordnungsgemäßer Planung oder Durchführung möglich gewesen wäre.

Was rechtlich geschützt ist

Wird das Betriebsgrundstück bei den Bauarbeiten durch Mauerrisse, Erdrutsche, Überschwemmungen oder ähnliche Beeinträchtigungen beschädigt, so besteht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Eigentumsverletzung.
Zum geschützten Eigentum zählt auch das so genannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dazu gehören jedoch nicht bloße Umsatz- oder Gewinnchancen. Geschützt ist auch der Anliegergebrauch. Hierzu gehört die Erreichbarkeit und der Zugang zum Geschäft. Bloße Lagevorteile sind nicht geschützt, so lange der Zugang als solcher nicht beeinträchtigt wird. Es gilt auch in den Fällen, in denen der Betrieb durch den Fortfall dieser Vorteile über kurz oder lang eingestellt werden muss. Ein Beispiel hierfür ist, dass die Kundschaft nach Bau einer Umgehungsstraße fortbleibt oder der Betrieb nur noch auf Umwegen erreichbar ist.
Eine Entschädigungspflicht besteht jedoch, wenn der Betrieb durch die Baumaßnahmen endgültig vom öffentlichen Wegenetz abgeschnitten oder der Zugang wesentlich erschwert wird. Wann eine solche erhebliche Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs vorliegt, ist nicht für jedes Unternehmen einheitlich zu beantworten. Entscheidend ist vielmehr der konkrete Einzelfall. Während etwa ein Reparaturbetrieb für LKW eine besonders leicht zugängliche und ausreichend breite Einfahrt benötigt, muss ein Restaurant lediglich in dem allgemein üblichen Umfang an das Straßennetz angeschlossen sein. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, ob die jeweiligen Besonderheiten der örtlichen Lage für die konkret ausgeübte gewerbliche Grundstücksnutzung beziehungsweise Betriebsart unverzichtbar sind.
Opfergrenzen

Der Betrieb muss es bis zu einer gewissen Opfergrenze hinnehmen, wenn der Zugang oder sonstiger Außenkontakt beeinträchtigt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn auf Grund von Straßenarbeiten, die der Verbesserung und Modernisierung dienen,
  • nur noch Fußgänger den Betrieb erreichen können,
  • Autos nur noch in einer Richtung oder überhaupt nicht mehr durch die Straße fahren,
  • Autos nicht mehr vor dem Betrieb halten dürfen,
  • LKW infolge den Verkehrsregelungen oder Einengungen der Straße den Betrieb nicht mehr anfahren können,
  • Umwege zu machen sind,
  • die Sicht auf den Betrieb, z. B. durch Bauzäune, beeinträchtigt wird,
Schutzgitter am Straßenrand aufgestellt werden, um das Überqueren der Straße durch Fußgänger zu verhindern.
Bei derselben Baumaßnahme kann es vorkommen, dass nicht alle Anlieger gleichermaßen Anspruch auf Entschädigung haben, da kleine Ladengeschäfte eher betroffen sind als große Kaufhäuser. Auch die Sperrung der Fahrbahn beeinträchtigt eine Tankstelle stärker als den Einzelhandel oder die Sperrung des Gehweges betrifft Ladengeschäfte eher als Bürobetriebe.

Pflichten der Behörden

Daher müssen im Falle von Beschränkungen und Beeinträchtigungen der Betriebe durch Straßenbaumaßnahmen die Behörden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Sie müssen die Straßenbaumaßnahmen so planen und gestalten, dass Anlieger und Gewerbetreibende nicht unnötig beeinträchtigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann es auch geboten sein, mehrere Straßenbaumaßnahmen nicht zeitgleich, sondern zeitlich versetzt durchzuführen. Sofern die Behörden mit nur geringen zusätzlichen öffentlichen Mitteln die Gefahr einer Existenzvernichtung abwenden können, müssen sie dieses auch tun.
Problematisch ist dabei allerdings, dass die Notwendigkeit der konkreten Planung und Durchführung einer Straßenbaumaßnahme für Außenstehende zumeist schwer nachprüfbar ist. Zudem liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich bei demjenigen, der Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsansprüche geltend macht. Hat allerdings die Behörde ursprünglich die Zeitspanne der Straßenbauarbeiten wesentlich kürzer veranschlagt, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Arbeiten im rechtlichen Sinne unverhältnismäßig lange gedauert haben. In solchen Fällen ist es grundsätzlich Aufgabe der Behörde darzulegen, aus welchen Gründen die Straßenbaumaßnahmen so viel Zeit beansprucht haben.

Höhe der Entschädigung, Wegfall des Anspruchs

Die Entschädigungshöhe kann niedriger als die eines Schadenersatzanspruchs ausfallen. Denn es muss kein voller Ersatz, sondern nur ein angemessener Ausgleich erfolgen.
Bei vorübergehenden Eingriffen in den Gewerbebetrieb ist die Minderung der Erträge maßgebend, höchstens aber der Wert des Betriebes. Dabei kommt es auf den gesamten Betrieb an, nicht nur auf den Ertrag einer einzelnen beeinträchtigten Filiale. Bloße Erwerbsmöglichkeiten, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen werden dabei nicht berücksichtigt.

Gelegentlich erlangt ein Betrieb durch die Straßenbaumaßnahmen auch einen Vorteil, zum Beispiel in Form einer verbesserten Geschäftslage innerhalb einer neugestalteten Fußgängerzone oder neu geschaffener Parkplätze. Solche Vorteile führen nur dann zu einer Minderung der Entschädigung, wenn lediglich dieser Betrieb und nicht auch andere Anlieger den betreffenden Vorteil erlangen.
Einen Anspruch auf Entschädigung hat der Betrieb jedoch dann nicht, wenn er die Beeinträchtigungen durch Rechtsbehelfe schon während der Planung hätte vermeiden können. Das ist dann der Fall, wenn er sich gegen die Straßenbaumaßnahmen oder die Planung bereits hätte wehren können. Der Betrieb sollte daher nicht warten, bis die Straßenbaumaßnahmen abgeschlossen sind.

Folgen für Miet- und Pachtverhältnisse

Das von Straßenbaumaßnahmen betroffene Unternehmen kann bei erheblichen Beeinträchtigungen die Miete oder Pacht mindern.
Wenn zum Beispiel
  • ein stark erschwerter Zugang zum Gebäude,
  • ein das Erscheinungsbild des Gebäudes so unattraktiv ist, dass das Ansehen eines Unternehmens darunter leidet,
der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Der Mietzins kann nur solange gemindert werden, solange die Beeinträchtigung andauert. Die Höhe der Minderung hängt vom Einzelfall ab.
Die Beeinträchtigung muss allerdings erheblich sein. Ein gewerblicher Mieter in einem innerstädtischen Bereich oder zentralen Ortsteil muss mit gelegentlichen Straßenbaumaßnahmen und entsprechenden Beeinträchtigungen rechnen, ohne dass er deshalb die Miete mindern kann. Kein Minderungsgrund ist, wenn beispielsweise die Verkehrsführung geändert und deshalb eine erhöhte Lärmbelästigung auftritt.
Etwas anderes kann unter Umständen gelten, wenn der Vermieter von diesbezüglichen Planungen wusste und diese dem Mieter vor Vertragsschluss nicht mitteilte. Andere Umstände liegen ebenfalls vor, wenn der Vermieter die Baumaßnahmen selber in Auftrag gibt.